Glosse Elfenbeinturm, 1. Stock
Die Wohngemeinschaft
Mit der Kommune 1 fing alles an - Gruppensex, Polit-Aktivismus, Pudding-Attentat. Heute ist die gemeine WG eher harm- als hemmungslos: Wie Anna, Svenja, Peter und Alexander einen neuen Kandidaten für das freie Zimmer in der Adenauerstraße fanden.
Anna blickte in die Runde. Da saß sie nun am Küchentisch. Peter, Alexander, Svenja. Die Wohngemeinschaft aus der Adenauerstraße. Und Carlo, einer der Kandidaten für das freie Zimmer.
Es war nun schon fünf Wochen her, seit Frieder ausgezogen war. Er war sicher ein netter Kerl, der Frieder, aber zum Schluss war es einfach nicht mehr gegangen. Erst hatte er nur den Putzplan manipuliert. Alexander hatte es gemerkt, als er in der sechsten Woche hintereinander die Badewanne schrubbte. Frieder wäre erst im Jahre 2007 wieder mit Putzen dran gewesen, und dann auch nur im Flur.
Dann hatte Frieder nie Geschirr gespült. Svenja hatte sich gewundert, dass der Tellerstapel in der Spüle noch nicht eingestürzt war. Bis ihr Frieder ausführlich erklärte, dass eingetrocknete Ravioli haftende Wirkung haben und sich Svenja keine Sorgen machen müsse. Der Turm sei sehr stabil.
Die absolute Härte sind Oberlippenbärte
Im Sommer hatte sich Frieder ein Hochbett gebaut. Toll sah das aus und so gemütlich. Aber Anna war aufgefallen, dass in ihrem Zimmer ein Bücherregal fehlte, und Alexander vermisste die Rückenwand seiner Eichenkommode. Wo Frieder denn das Holz für das Hochbett gekauft habe, fragten die beiden. "Gefunden", antwortete Frieder.
Ende September war dann die Feuerwehr angerückt, mit Spezialeinsatzkräften und einem großen Spritzenwagen. Wegen verdächtiger Rauchentwicklung im Hausflur, stand hinterher in der Zeitung. Sie hatten das Sprungtuch schon aufgespannt, als Frieder das Fenster öffnete, was denn bitte schön dieser Lärm solle. Der Brandmeister beschlagnahmte seine Räucherstäbchen und meinte, das werde sehr teuer für die Wohngemeinschaft.
Sie hatten also eine Annonce aufgegeben. Neuer Mitbewohner gesucht, 19 Quadratmeter, große Küche. Und natürlich war allen klar: Keine Karohemden, keine Schnauzbärte, keine Hunde, keine Spinner.
Zuerst hatte ein Rüdiger angerufen und angekündigt, er käme nachmittags mal vorbei. Um drei klingelte es dann auch unten an der Haustür, Svenja machte auf, das war wohl der pünktliche Rüdiger. War er aber gar nicht, sondern ein freundlicher Herr von der GEZ.
Goldkehlchen hat immer die Gitarre dabei
Svenja fand keine Zeit mehr, den Fernseher mit dem großen Badetuch abzudecken und auch das Radio konnte sie nicht mehr im Küchenschrank verstecken, wie sonst immer. Die Staumeldungen dröhnten durch den Flur und Svenja musste eine Einzugsermächtigung ausfüllen. Rüdiger kam eine halbe Stunde später, aber irgendwie war die Stimmung komplett gegen ihn.
Als nächste Kandidatin hatte sich Simone vorgestellt. Sehr umgänglich war die, aber alle hatten in die Ecke geschielt und sich gefragt, warum Simone denn ihre Gitarre mitgebracht hatte. Eine halbe Stunde später wussten sie es, als Simones glockenhelle Stimme die Küche füllte und von Christus sang, der der Hochschulgemeinde die Erlösung bringe.
In ihrer Not hatten Peter und Alexander angefangen, lateinische Formel zu murmeln. Es gelte einen Dämon aus dem Küchenschrank zu vertreiben, erklärten sie der erstaunten Simone. Sie war dann schnell verschwunden. Der Dämon auch.
Nun also Carlo. Schon ein bisschen älter und eine komische Weste hatte er an, mit Stickern von Musikgruppen, die nicht einmal Alexander kannte, obwohl der viele Musikgruppen kannte. Aber Carlo war nett, und so zückte Peter irgendwann erleichtert den Mietvertrag. "Draußen warten noch Wotan, Bully und Thor", sagte Carlo und setzte seinen Namen auf die gestrichelte Linie. "Deine Freunde?" fragte Anna. "Meine Hunde", antwortete Carlo und faltete den unterschriebenen Mietvertrag. "Ihr werdet sie mögen!"
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