Umstrittene Entscheidung Griechenland schafft Universitäts-Asyl ab

Polizisten war das Betreten von Unis verboten: Nun hat das griechische Parlament entschieden, das einzigartige Universitäts-Asyl des Landes abzuschaffen. Eine Maßnahme gegen Kriminelle, sagt die Regierung. Hochschullehrer protestieren.
Universität in Athen: Polizisten durften das Gelände bisher nicht betreten

Universität in Athen: Polizisten durften das Gelände bisher nicht betreten

Foto: Orestis Panagiotou / DPA

Für Polizisten war es bisher tabu, das Gelände griechischer Universitäten zu betreten. Hier galt ein einzigartiges Uni-Asyl, der Campus war ausgewiesenes Schutzgebiet. Diesen Status hat die neue konservative Regierung des Landes nun aufgehoben. Das Argument: Das Uni-Asyl schütze nicht mehr länger akademische Freiheit, sondern vielmehr ausufernde Gesetzlosigkeit.

Am Donnerstag segnete das griechische Parlament den Beschluss ab. Es entschied, das sogenannte "Universitätsasylgesetz" in seiner bisherigen Form abzuschaffen - was unter Professoren und Uni-Dozenten teils harsche Kritik auslöste. Mancher sieht in dem Beschluss einen Angriff auf die Demokratie des Landes.

Das griechische "Uni-Asyl" war bis dato eine europaweit einzigartige gesetzliche Vorschrift. Polizisten war es demnach verboten, Universitätsgelände zu betreten - es sei denn, es handelte sich um eine schwere Straftat gegen das Leben. Bei Vergehen und geringfügigen Straftaten wie Diebstahl oder der Besetzung von Uni-Gebäuden konnte die Polizei nur eingreifen, wenn sie von hochrangigen Vertretern der Hochschulen dazu aufgefordert wurde, was praktisch jedoch nur selten vorkam.

Aus Sicht der Asyl-Befürworter sicherte dieses nicht nur die akademische Freiheit, sondern bot auch Raum für Widerspruch, für Kritik an gesellschaftlichen Zuständen. Gegner hingegen argumentierten, Freiheit sei in einer gewachsenen Demokratie universell. Sie brauche keine abgesicherten Zonen. Das Asylgesetz nutze inzwischen vielmehr nur Kriminellen, Drogenhändlern, Schmugglern und Unruhestiftern. Extremisten könnten zudem ihre ideologischen Gegner auf Universitätsgelände ungestraft einschüchtern.

"Von Unruhestiftern befreit"

Kurz vor der Abstimmung: Kyriakos Mitsotakis am 8.8.2019 im Parlament

Kurz vor der Abstimmung: Kyriakos Mitsotakis am 8.8.2019 im Parlament

Foto: Costas Baltas / REUTERS

Die Abschaffung des Asylgesetzes war ein wichtiges Wahlversprechen des konservativen griechischen Premierministers Kyriakos Mitsotakis gewesen, der nach einer Niederlage seines Vorgängers und Rivalen Alexis Tsipras im Juli an die Macht gekommen war. In seiner ersten großen Rede vor dem Parlament hatte Mitsotakis gesagt: "Die Universitäten werden von Feuerbomben, Unruhestiftern und Drogenhändlern befreit und wenden sich wieder Studenten, Professoren und Angestellten zu."

Nun ist die Abschaffung des Uni-Asyls eines der ersten Gesetze, das seine Regierung umsetzt. Aus Sicht der neuen Bildungsministerin Niki Kerameus geht es dabei keineswegs darum, einen Polizeistaat auf dem Campus zu errichten, sondern um eine "Wiederherstellung der Normalität".

"An einigen Institutionen gibt es immer wieder kriminelle Vorfälle, darunter Gewalt, Vandalismus und Drogenhandel", sagte Kerameus dem SPIEGEL noch vor der Abstimmung im Parlament. Einige Universitäten seien zu sicheren Häfen für Menschen geworden, die außerhalb des Uni-Geländes kriminell geworden seien und auf den Campus kämen, um einer Verhaftung zu entgehen. "Sie setzen auf den Asylschutz ", sagte Kerameus.

Als Beispiele gelten Anarchisten, die etwa nach gewaltsamen Straßenschlachten mit der Polizei Zuflucht in Universitätsgebäuden suchen. Die Ministerin findet, die ursprüngliche Idee des Uni-Asyls werde erst jetzt wieder gewahrt: Menschen könnten sich einem freien Austausch von Gedanken widmen, Wissenschaftler auf ihre Arbeit konzentrieren. "Das neue Gesetz sorgt dafür, dass Universitäten mit allen anderen öffentlichen Räumen gleichgestellt werden - wo Behörden ebenfalls eingreifen, wenn strafbare Handlungen stattfinden", sagte Kerameus.

Protest von Professoren

An den Unis sind die Meinungen gespalten. Professoren wie Odysseas Zoras, Rektor der Universität von Kreta, befürworten die Abschaffung der bisherigen Asylregel. Sie schütze die Meinungsfreiheit nicht länger, sondern im Gegenteil, sie behindere sie, sagte Zoras der Tageszeitung "Kathimerini". Einige Kollegen sehen das allerdings anders.

Mehr als 200 Hochschullehrer haben einen Protest unterzeichnet, in dem sie Akademiker auffordern, sich "zur Verteidigung des Universitätsasyls" zusammenzuschließen. Zu den Unterzeichnern gehört auch Aris Stylianou, außerordentlicher Professor an der Fakultät für Politikwissenschaft der Aristoteles-Universität von Thessaloniki, der größten Universität Griechenlands.

Stylianou nennt die Initiative der Regierung "demagogisch und irreführend". "Das Universitätsasyl ist eine historische akademische Einrichtung und ein Symbol der Demokratie", sagte er dem SPIEGEL. Die Unterzeichner sind sich einig: Das Uni-Asyl habe keineswegs schwerwiegenden Verbrechen Vorschub geleistet, die an einigen Universitäten begangen worden seien. Die Vorfälle hätten auch mit dem bisher geltenden Asylgesetz geahndet werden können.

Aus Sicht der Professoren beeinträchtigt die Abschaffung der Sonderregel nicht nur die akademische Freiheit, sondern untergräbt auch den öffentlichen Status der Universitäten. Vorwurf an die Regierung: Sie handle aus finsteren Motiven. Ihre Intention sei, soziale Konflikte und Auseinandersetzungen zu unterdrücken.

Als das "Universitätsasylgesetz" in Griechenland 1982 eingeführt wurde, war die Erinnerung an die repressive Militärjunta, die das Land bis 1974 regierte, noch sehr lebendig. Ebenso wie an den 17. November 1973, als ein Panzer die Tore des Athener Polytechnikums einriss, um einen Studentenaufstand niederzuschlagen. Dieser Aufstand gilt heute als Anfang vom Ende der Militärdiktatur.

Kyriakos Mitsotakis im Parlament: "Universitäten von Feuerbomben befreien"

Kyriakos Mitsotakis im Parlament: "Universitäten von Feuerbomben befreien"

Foto: Costas Baltas / REUTERS

Auf dem Höhepunkt der griechischen Schuldenkrise im Jahr 2011 war das Asylrecht bei gewaltsamen Studentenprotesten für kurze Zeit aufgehoben worden, wurde von der Tsipras-Regierung jedoch wieder eingesetzt.

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