Hochschulfinanzierung Die verschenkte Chance

Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU): Milliarden verteilt, zu wenig gefordert?
Foto: Maurizio Gambarini/ dpaDass Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) nichts täte, kann nun wirklich keiner behaupten. Zehn Milliarden Euro wird der Bund ab 2016 in neue Studienplätze stecken, verpackt als Bundesländersubvention für mehr Studienplätze im Hochschulpakt. Und das ist noch lange nicht alles.
Als Wanka vergangene Woche vor Journalisten ihre Wohltaten für Hochschulen und Bildung aufzählte, da sprudelte das Geld nur so. Mehrere Milliarden Euro gehen demnächst in die fortgesetzte Förderung von Elite-Universitäten. 3,5 Milliarden Euro sparen sich die Länder ab 1. Januar sukzessive, weil der Bund die Ausgaben für das Bafög allein übernimmt.
Am Ende sollen es insgesamt 23 Milliarden Euro sein, die die Bundesregierung für Wissenschaft und Innovation bis 2020 ausgibt. Viel Geld - für das der Bund eigentlich einiges an Engagement auf Seiten der Bundesländer erwarten kann. Aber dann sagte Ministerin Wanka überraschend: "Ich hoffe". Und zwar: "Ich hoffe, dass die Länder nun Dauerstellen für die Lehre einrichten."
Eine Zurückhaltung, die stutzig macht. Am Freitag streicht der Bundesrat das Kooperationsverbot für die gemeinsame Arbeit von Bund und Ländern in Hochschulfragen aus dem Grundgesetz. Dann müsste Wanka nicht mehr bitten und hoffen. Sie kann dann - so sieht es der geänderte Artikel 91b vor - in Angelegenheiten von überregionaler Bedeutung mit den Bundesländern Verträge schließen.
Hat Wanka alle Trümpfe schon gespielt?
Sie könnte sogar Personalmittel überweisen, und damit Professoren, Dozenten und akademische Räte bezahlen. Die wären auch dringend nötig, denn mit 2,7 Millionen ist die Zahl der Studenten auf ein neues Allzeithoch geklettert - und das Betreuungsverhältnis gerade in Naturwissenschaften und Technik ist mancherorts katastrophal.
Aber Wanka nutzt ihre Möglichkeiten nicht für die Studenten. "Da hat die Ministerin eine Chance vergeben", sagt Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der Bildungsgewerkschaft GEW. "Sie hat ihre Trümpfe zu früh verspielt." Die Trümpfe, das sind die genannten Milliarden, und die damit verbundene Frage lautet: Warum wurde das Geld für den dritten Hochschulpakt an die Bundesländer vergeben, ohne Bedingungen zu stellen?
Der Großen Koalition fehlten "sowohl gemeinsame Ideen als auch das Geld, um die neue Verfassungsrealität zu nutzen", kritisiert Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen. Der Vorsitzende der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Horst Hippler, begrüßt den neuen Hochschulpakt, kritisiert jedoch, die Betreuungsrelation werde "nicht nachhaltig verbessert", weil "Personal nur befristet eingestellt werden kann".
Die Unis wissen nicht, wer lehrt
Die GEW verknüpft die anstehende Grundgesetzänderung mit einer Forderung: Jetzt müsse es mehr "Dauerstellen" in der Wissenschaft geben, sagt GEW-Sprecher Keller. Dass ein Großteil des akademischen Personals auf befristeten Verträgen sitzt, ist auch der Bundesregierung lange bekannt. 90 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter sind befristet beschäftigt. Und wer für ein Jahr Sicherheit hat, muss sich fast schon glücklich schätzen.
Wie schlecht es um die Hochschullehre steht, zeigte auch eine aktuelle Untersuchung der Uni Halle mit dem Titel "Wer lehrt was warum?". Ein Drittel der Lehre an deutschen Universitäten wird demnach von Kräften bestritten, die nicht auf der offiziellen Gehaltsliste der Hochschulen stehen. Teilweise sei den Unis gar nicht bekannt, wer da überhaupt vor den Studenten steht, berichten die Forscher. Praktisch sind es Phantome der Lehre - unbezahlt und unbekannt - die der Soziologe Roland Bloch und seine Kollegen untersucht haben.
"Das darf nicht so weitergehen"
Externe Wissenschaftler, Lehrbeauftragte aus der Industrie und Hire-and-Fire-Personal halten einen Großteil des Lehrbetriebs am Laufen. "Das darf nicht so weitergehen", sagt Bloch mit Blick auf die Verfassungsreform. "Mit dem neuen Artikel 91b hat die Bildungsrepublik die Instrumente, um Lehre gut und dauerhaft zu finanzieren."
Doch nicht nur in der Lehre, auch bei Mensen und Wohnheimen reichen die Mittel nicht mehr für all die wissbegierigen Studenten. "Wenn der Bund den Ausbau von Studienplätzen mitfinanziert, muss er sich auch am Ausbau der Hochschulgastronomie und von Wohnheimplätzen beteiligen", sagt der Generalsekretär der Studentenwerke, Achim Meyer auf der Heyde. Und beim Hochschulbau hat sich laut HRK ein Finanzierungsbedarf von 25 Milliarden Euro angesammelt.
Wird die Grundgesetzänderung am Freitag, an der so lange gearbeitet wurde, etwas für die Studenten bringen? Es sieht nicht so aus, wie das Beispiel Bafög zeigt. Die Länder bekommen ihren Erlass sofort, weil der Bund ab 1. Januar die Kosten dafür übernimmt. Aber die Studenten müssen noch knapp zwei Jahre warten, ehe Freibeträge und der Höchstsatz steigen. Wenn man so will, ist die Verfassungsänderung von den Studenten gepumpt.
Was die Länder mit den knapp 1,2 Milliarden Euro jährlich aus dem Bafög anstellen, bleibt ihnen weitgehend überlassen. Auch hier gilt das Prinzip Hoffnung, der Bund hat keinerlei direkten Einfluss auf die Vergabe. Wanka und Finanzminister Wolfgang Schäuble legten zwar fest, dass die Länder das Geld in die Bildung stecken müssen. Doch wie viel und wofür - das ist weiter Ländersache. Hoffen, Mahnen und Bitten: Es scheint, als werde die Hochschulpolitik nach der Verfassungsänderung weiter so betrieben wie bisher.