Harvard-Rebellen Die Rache der Elite-Uni
Die juristische Fakultät der Harvard-Universität in Massachusetts ist gegen vier Studenten disziplinarisch vorgegangen, die im April und Mai an einem 21-tägigen Sit-In auf dem Campus teilgenommen hatten und damit akzeptable Mindestlöhne für die Uni-Angestellten erzwingen wollten. Nach einer Anhörung erhielten die Jurastudenten einen Brief mit einem förmlichen Tadel. Zu einer Stellungnahme war die Universität nicht bereit. "Es ist uns untersagt, einzelne Disziplinarfälle zu kommentieren", sagte Mike Armini, Sprecher der Jura-Fakultät.
Ein Tadel - das klingt so harmlos wie ein Eintrag ins Klassenbuch, könnte für die gemaßregelten Studenten indes durchaus gravierende Folgen haben. Die Strafe ist schwächer als eine Exmatrikulation, aber deutlich härter als nur eine Verwarnung. So dürfte es den angehenden Juristen nicht erspart bleiben, den Tadel später im Berufsleben zu erklären - vor allem wenn sie sich nach dem Studium um eine staatliche Anwaltszulassung bewerben.
Bei der Anhörung wurden die angehenden Juristen beschuldigt, gegen die Passagen zu Rechten und Verantwortung aus dem Verhaltenskatalog der Fakultät verstoßen zu haben. Studenten anderer Harvard-Fakultäten, die ebenfalls an den Protesten beteiligt waren, hatten lediglich eine Art "Bewährungszeit" erhalten.
Für die Studenten haben die Unruhen an der akademischen Kaderschmiede damit ein übles Nachspiel. Genau 21 Tage lang hatte eine Gruppe von Harvard-Rebellen das Verwaltungsgebäude besetzt gehalten, unterstützt von über hundert Kommilitonen, die auf dem Campus ihre Zelte aufschlugen - Szenen wie bei einem Woodstock-Revival. Damit wollten die Studenten ihre Hochschule zwingen, akzeptable Mindestlöhne einzuhalten.
Die wahrscheinlich reichste Uni der Welt (Vermögen: knapp 20 Milliarden Dollar) zahlt ihren einfachen Angestellten bislang Stundenlöhne am Rande des Existenzminimums. Nicht selten brauchen die "Service Worker" - meist lateinamerikanische Einwanderer - ein, zwei Zusatzjobs, um ihre Familien über die Runden zu bringen. Die Studentenproteste entzündeten sich auch an der Uni-Strategie, Aufträge an Subunternehmen zu vergeben.
Bei der "Living Wage"-Kampagne hatten die oft als Eliteschnösel geschmähten Studenten viel Unterstützung aus den Reihen der Gewerkschaften und der Politik erhalten. Ihre Belagerung brachen sie erst ab, als die Hochschule Zugeständnisse machte: Verhandelt werden sollte über eine rückwirkende Gehaltserhöhung, die Frage der Krankenversicherung und die Aufträge an Vertragsfirmen. Als die letzten 26 Besetzer das Verwaltungsgebäude verließen, empfingen hunderte von Kommilitonen sie mit Jubelrufen und roten Rosen - doch nun verpasst die Elite-Uni ihnen mit Disziplinarverfahren Denkzettel.