
Gebührenerhöhung: Ausländische Studenten zahlen extra
Studiengebühren Ausländer? Das kostet extra
Eric* ist für seine Leidenschaft nach Leipzig gekommen, als Orchestermusiker studiert er Musik und spielt ein Streichinstrument. Welches genau will er nicht sagen, ebensowenig, aus welchem Land im Nahen Osten er kommt. Denn er will nicht der sein, der sich im meist gebührenfreien Deutschland als Studiengebührengegner hervortut.
Zu Hause aber hat Eric sechs Geschwister, seine Eltern verdienen gerade genug für sich selbst. Um sich das Auslandsstudium leisten zu können, musste der 25-Jährige lange sparen. Bislang brauchte er an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater nur 110 Euro Semesterbeitrag bezahlen. Doch jetzt soll plötzlich alles anders werden.
Als erste staatliche Hochschule in Sachsen führt die HMT Leipzig ab dem kommenden Wintersemester eine Gebühr für ausländische Studenten ein. 3600 Euro pro Jahr sollen die Gäste in Zukunft bezahlen. Da EU-Bürger gegenüber ihren deutschen Kommilitonen nicht benachteiligt werden dürfen, gilt die Regelung nur für Studenten, die aus Ländern außerhalb der Europäischen Union stammen. Mit Eric sind in Leipzig etwa 120 Studenten von der neuen Gebühr betroffen.
Abkassieren bei den Gästen
Die HMT könnte damit zu einem Modellfall für das deutsche Hochschulwesen werden. Bislang sind Einheimische und Gaststudenten in Deutschland finanziell gleichgestellt, doch seit Jahren gibt es immer wieder Forderungen, ausländische Studenten gesondert zur Kasse zu bitten.
2010 sprachen sich der damalige nordrhein-westfälische Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart und Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner für die Einführung einer entsprechenden Gebühr aus. Pinkwart sagte, "wohlhabende Ausländer sollten das bezahlen, was ein Studium hier in einer der angesehensten Wissenschaftsnationen der Welt wert ist". Im vergangenen Jahr errechnete der Stifterverband, deutsche Hochschulen sollten von den Gaststudenten 10.000 Euro jährlich verlangen, und damit 1,2 Milliarden Euro erlösen. Die Autoren verwiesen auf Staaten wie die Niederlande, Schweden oder Großbritannien, die ausländische Studenten mit 12.000 bis 18.000 Euro jährlich zur Kasse bitten.
Besonders Australien ist bekannt für das Modell "Bildung als Ware". Ausländische Studenten spülten im Jahr 2010 16 Milliarden Dollar in die australische Staatskasse, 470.000 Ausländer schrieben sich dort zum Studieren ein. Der Bildungssektor war in dem Jahr die drittwichtigste Einnahmequelle direkt nach Kohle und Eisenerz.
Soll, wer hier studiert, nicht auch bezahlen?
Doch Studiengebühren für Ausländer passen in Deutschland schlecht zur Klage über Fachkräftemangel und zur gewünschten Internationalisierung der Unis. Derzeit studieren an deutschen Hochschulen 186.000 Studenten aus Nicht-EU-Ländern, auch deshalb, weil vergleichsweise gute Bildung hier günstig ist. Ein Problem haben sie nach dem Studium, denn den Gästen wird es schwerer als nötig gemacht, hier zu bleiben und zu arbeiten. Soll nun dazu noch eine abschreckende Gebühr kommen?
Bisher wurden Ausländer-Gebühren in Deutschland nur selten Wirklichkeit. Zwar wagte 2006 die Uni Bonn einen zaghaften Versuch und verlangte 150 Euro pro Semester. Mit dem Geld wurden Deutschkurse und Coachings bezahlt. Doch die Idee stieß auf wenig Gegenliebe: "Viel Ärger und Prügel" habe man für den Vorstoß bezogen, so der Bonner Pressesprecher Andreas Archut. Nach anhaltenden Studentenprotesten beschloss der Senat nach drei Jahren, die Zusatzgebühren wieder abzuschaffen.
Die neue Regelung in Leipzig könnte die Diskussion nun wieder anstoßen. Zwar handele es sich in Sachsen laut dem zuständigen Ministerium für Wissenschaft und Kunst momentan noch um einen Einzelfall. Grundsätzlich hätten jedoch alle sächsischen Hochschulen die Möglichkeit, eine solche Gebühr einzuführen. Möglich macht das seit Jahresanfang Paragraf 12 des Hochschulfreiheitsgesetzes. Die Landesregierung gesteht den Hochschulen zu, selbst zu entscheiden, ob sie zusätzliche Gebühren von ausländischen Studenten verlangen wollen. Voraussetzung ist lediglich die Einführung eines Stipendienprogramms.
Die HMT Leipzig macht nun als erste Hochschule Gebrauch von der neuen Freiheit. Bis zum Wintersemester haben die 120 Nicht-EU-Ausländer Zeit, sich um die Finanzierung ihres weiteren Studiums zu kümmern. Doch viele wissen nicht, wie sie die nötigen 1800 Euro pro Semester auftreiben sollen. Die Gäste sind verunsichert und haben Angst um ihre akademische Zukunft.
"Kein Interesse, Studenten zu verlieren"
Rektor Robert Ehrlich will ihnen diese Angst nehmen. "Wir haben überhaupt kein Interesse daran, Studenten zu verlieren", so der Professor. Ein Viertel der Gebühren solle deshalb in einen Fonds eingezahlt werden, um finanziell bedürftige Studenten zu unterstützen. Trotzdem: Die Gebühren seien notwendig, damit die kleine Kunst- und Musikhochschule international konkurrenzfähig bleibe. Vergleichbare Hochschulen - etwa in Madrid, Amsterdam oder Budapest - würden seit Jahren wesentlich höhere Beiträge von ausländischen Studenten verlangen. "Wir wollen nicht so billig wie möglich, sondern so gut wie möglich sein", sagt Ehrlich.
3600 Euro im Jahr mögen noch irgendwie zu leisten sein - höhere Gebühren aber würden wohl internationale Bewerber abschrecken, ein Szenario, das nicht im Sinne der deutschen Hochschulen wäre. Erst am Montag erklärte die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström , man wolle Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen lockern, um ausländische Talente anzulocken. Die EU will Europas Universitäten für Studenten aus der ganzen Welt leichter zugänglich machen. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung bezeichnet den internationalen Austausch als "Voraussetzung für moderne Hochschulen, Spitzenforschung und Innovation".
Rektor Ehrlich hat jedoch keine Bedenken, dass wegen der Gebühren in Zukunft weniger internationale Talente an die HMT kommen könnten. Ausländische Studenten würden sich nicht in Leipzig bewerben, weil es billig ist, sondern weil an der Hochschule renommierte Professoren unterrichten. Aus diesem Grund ist schließlich auch Eric an die HMT gekommen. Bei einem Sommerkurs lernte der Musiker seine zukünftige Lehrerin kennen und ging wegen ihr nach Leipzig. Mit dem Unterricht an der Hochschule war er bisher sehr zufrieden. Dass er ein kostenloses Studium bekommt, findet er nicht selbstverständlich. "Unsere Eltern bezahlen hier keine Steuern. Warum sollten die Deutschen also für unsere Ausbildung bezahlen?", fragt Eric.
Enttäuscht ist er dennoch, weil die Regelung auch für ihn und seine Mitstudenten gilt, die bereits immatrikuliert sind und sich auf ein kostenfreies Studium eingestellt haben. Von Null auf 1800 Euro im halben Jahr - "das ist keine Erhöhung, sondern Raub", schimpft Eric. Und er glaubt auch nicht, dass es das schon gewesen ist. Niemand könne ihm garantieren, dass die Gebühren nicht bald weiter ansteigen. Mit zwei Petitionen wollen die Studenten deshalb die Gebühren und das Hochschulfreiheitsgesetz stoppen. Eric war einer der ersten Unterzeichner.
*Name geändert