Hochschulfinanzierung Wissenschaftsvertreter sehen Uni-Landschaft bedroht

Die Zahl der Studienanfänger steigt, entsprechend mehr Geld erhalten Unis aber nicht. Jetzt warnen Wissenschaftler und Opposition: Dem Hochschulsystem droht dauerhafter Schaden, wenn die Bundesregierung nicht schleunigst handelt.
Überfüllter Hörsaal: Wissenschaftler rufen Politik um Hilfe

Überfüllter Hörsaal: Wissenschaftler rufen Politik um Hilfe

Foto: Waltraud Grubitzsch/ picture-alliance/ dpa/dpaweb

Spitzenvertreter des deutschen Hochschul- und Wissenschaftssystems sorgen sich um die gute universitäre Ausbildung in Deutschland. Parteien, Bund und Länder blockierten sich gegenseitig, kritisierten die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sowie der Wissenschaftsrat in einem gemeinsamen Appell  am Montag in Berlin.

Immer mehr Uni-Mitarbeiter könnten nur befristet beschäftigt werden, zunehmend unerträglich sei das. Zudem gefährde es Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit. Drittmittel für die Forschung ersetzten mehr und mehr die Grundfinanzierung, selbst für beste Forschung reichten die Mittel der DFG längst nicht mehr immer. Auch auf Lehre und Bildung laste immer größerer Druck: Auf einen Betreuer kämen weit mehr Studenten als in anderen Ländern.

"Die strukturelle Unterfinanzierung ist das drängendste Problem des deutschen Wissenschaftssystems", sagte DFG-Präsident Peter Strohschneider. Völlig ungeeignet sei das Kooperationsverbot. Es untersagt dem Bund, in Bereiche zu investieren, für die allein die Länder zuständig sind; dies gilt vor allem für die Schulen, aber auch für dauerhafte Vorhaben an Hochschulen. Bildungspolitiker streiten seit Jahren über das Verbot.

Auch in ihrem Appell forderten die Spitzenvertreter jetzt: Das Verbot müsse wieder abgeschafft werden. Eine Verfassungsänderung sei unbedingt nötig, sagte HRK-Präsident Horst Hippler. Strohschneider mahnte zudem: "Die Zeit drängt." Trotz guter Ankündigungen im Koalitionsvertrag gebe es noch keinerlei Klarheit über die Umsetzung.

Unterstützung aus der Politik

Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD darauf geeinigt, einen Schwerpunkt auf Bildung und Forschung zu legen. Neun Milliarden Euro sollte es dafür zusätzlich geben: "eine Milliarde für Kitas, fünf Milliarden für die allgemeine Bildung und die Hochschulen und drei Milliarden für die Forschung", so hatte es Bildungsministerin Johanna Wanka versprochen. Inzwischen droht der Streit zwischen SPD und Union darüber zu eskalieren, wo das Geld ankommen soll.

Strohschneider hält nichts davon, wenn die Bildungsmilliarden ohne Zweckbindung den Ländern überlassen werden. Die Organisationen forderten, dass Hochschulen und Forschungseinrichtungen einen substanziellen Anteil erhalten. Bildung und Forschung dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die in den nächsten Jahren auslaufenden drei großen Pakte in dem Bereich müssten zudem ausgebaut und fortgeführt werden; dabei handelt es sich um die Exzellenzinitiative, den Pakt für Forschung und Innovation sowie den Hochschulpakt.

Wenn die Politik nicht schnell reagiere, dann würden das Wissenschaftssystem und die akademische Ausbildung noch größeren Schaden nehmen - "und zwar weit über die aktuelle Legislaturperiode hinaus", heißt es in dem Appell.

Dabei bekommen die Wissenschaftler Unterstützung aus der Politik: "Während die Zahl der Studienanfänger immer weiter ansteigt und Hochschulen keine Perspektive für ihre Finanzierung über 2015 hinaus haben, begnügt sich die große Koalition mit reiner Ankündigungspolitik", teilte Nicole Gohlke mit, hochschul- und wissenschaftspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke. Und Kai Gehring, Sprecher für Hochschule, Wissenschaft und Forschung bei den Grünen im Bundestag, sagte: "Der gemeinsame Weckruf der Wissenschaftsorganisationen muss die Große Koalition endlich aus dem wissenschafts- und forschungspolitischen Tiefschlaf reißen."

fln/dpa
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