Hochschulmedizin Wozu braucht Berlin zwei Unikliniken?
Mit 98 Millionen Euro weniger pro Jahr soll die Berliner Hochschulmedizin ab 2006 auskommen. So lautet die Vorgabe des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD), der eine Schließung des Klinikums Benjamin Franklin verlangt hatte. Doch dagegen regte sich in Berlin massiver Widerstand. Nach Verhandlungen mit beiden Universitäten lenkte Wowereit ein; eine Expertenkommission soll nun über die Zukunft der Kliniken befinden.
Die Regierungskoalition aus SPD und PDS hatte angesichts der dramatischen Berliner Schuldenlast von rund 40 Milliarden Euro zunächst die Degradierung des Klinikums zu einem reinen Versorgungskrankenhaus ohne Forschung und Lehre beschlossen. Prompt gingen Professoren und Studenten der FU Berlin auf die Straße und schoben bei einer Demonstration Krankenhausbetten durch die Stadt.
"Nicht jeden Blinddarm in Medizinfabrik operieren"
Die Berliner Krankenkassen haben unterdessen den rot-roten Kurs unterstützt und ihre Forderung nach nur einem Klinikum an möglichst einem einzigen Standort bekräftigt. Eine Uniklinik sollte nur für Kranke mit schweren Leiden reserviert sein, sagte Rolf Dieter Müller von der Arbeitsgemeinschaft der Berliner Krankenkassenverbände: "Man muss nicht jeden Blinddarm in einer Medizinfabrik operieren." Medizinstudenten könnten auch an akademischen Lehrkrankenhäusern ausgebildet werden.
Die Berliner Hochschulrektorenkonferenz dagegen hält am Klinikum Benjamin Franklin fest. Durch den Schließungsbeschluss und den Umgang der Politik mit der FU Berlin sei "ein großer politischer Schaden entstanden", heißt es in einer Entschließung der Rektoren. Nach ihrer Ansicht werden es die Hochschulen in Zukunft schwerer haben, exzellente Wissenschaftler zu gewinnen.
Besser ein Klinikum schließen, als zwei kaputt zu sparen?
Auch die Max-Planck-Gesellschaft steht hinter der Medizin-Fakultät der FU Berlin. "Aus unserer Sicht ist die klinische Forschung am Benjamin-Franklin-Klinikum von hoher Bedeutung", sagte Hubert Markl, Präsident der Gesellschaft. Die Freie Universität hat am Dienstag in Berliner Tageszeitungen eine Sonderbeilage zur drohenden Abwicklung verteilen lassen. Unter der Überschrift "Warum wir siegen werden" zeigte sich die FU kampfbereit.
Die fünfköpfige Expertenkommission soll nun die Berliner Hochschulmedizin reformieren - doch die Sparvorgabe von 98 Millionen Euro jährlich ist eindeutig. Sind derart drastische Kürzungen überhaupt möglich? Ist es am Ende vielleicht doch besser, einen der beiden Medizin-Fachbereiche zu schließen, statt alle kaputt zu sparen? Welcher Schaden droht dem Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Berlin? Und was bedeuten die Kürzungen für die Zukunft des Medizinstudiums?
Diesen Fragen wird sich am Mittwoch, 13. Februar, um 18.30 Uhr der Berliner Wissenschaftssenator Thomas Flierl bei einem SPIEGEL-Forum stellen. Auf dem Podium des großen Hörsaals der FU Berlin (Arnimallee 22) diskutieren mit ihm:
- Prof. Dr. Manfred Dietel, Ärztlicher Direktor der Charité
- Prof. Dr. Klaus-Dirk Henke, Lehrstuhlinhaber für Finanzwissenschaft und Gesundheitsökonomie an der TU Berlin
- Bernhard Motzkus, Leitender Verwaltungsdirektor der Charité und Mitglied des Vorstands der Berliner Krankenhausgesellschaft
- Prof. Dr. Martin Paul, Dekan des Fachbereichs Humanmedizin der FU Berlin
- Linus Grabenhenrich, Vertreter der Fachschaftsinitiative Medizin an der FU Berlin
Moderieren wird die Veranstaltung Johann Grolle, Ressortleiter Wissenschaft und Technik beim SPIEGEL.