Höher, schneller, weiter Überraschend viele Abbrecher im Bachelor-Studium
Als die ersten deutschen Hochschulen ihre traditionellen Magister- und Diplomstudiengänge durch gestufte Abschlüsse ersetzten, ernteten sie Hohn und Spott: Kritiker sprachen von einem "Discount-Studium" für akademische "Dünnbrettbohrer", einer "Nottaufe für ein ansonsten namenloses Zwischenzeugnis" oder gar einer "Dekoration für eine kleine Rundreise durch die Uni". Dann allerdings setzte sich das Bachelor- und Master-Modell auf Druck der Politik durch. 1999 wurde im Zuge des "Bologna-Prozesses" die flächendeckende Umstellung vereinbart, bis 2010 sollen Bachelor und Master überall in Europa der Standard sein. Über 50 Staaten haben sich dazu verpflichtet.
Das Ziel: höher, schneller, weiter. Die Reformer versprechen sich von dem renovierten Studium, dass mehr Studenten es in kürzerer Zeit auch wirklich zu Ende bringen und es leichter haben, ins Ausland zu gehen. Eine neue Studie lässt erhebliche Zweifel keimen, ob das wirklich gelingt.
Der Zwischenstand: In Deutschland verabschieden sich besonders viele Studenten ohne Abschluss von der Hochschule. Studieren jetzt wirklich mehr Leute zu Ende als bisher? Laut Hochschul-Informations-System (HIS) hat sich die Abbrecherquote der deutschen Studenten deutlich verringert, sie liegt bei 20 Prozent. Doch die neuen Bachelor-Studiengänge bedeuten keineswegs für alle Fächer eine Verbesserung. An den Unis scheiterte von den Studienanfängern der Jahre 2000 und 2004 insgesamt jeder vierte Bachelor-Student, an den Fachhochschulen waren es sogar 39 Prozent.
"Nur noch einige Sorgenkinder"
"Die hohen Abbrecherquoten können aber nicht dazu dienen, das Konzept der neuen Studienstrukturen oder sogar den gesamten Bologna-Prozess in Frage zu stellen", sagt HIS-Projektleiter Ulrich Heublein. Er weist auf die "Anfangs- und Umstellungsschwierigkeiten" hin, die so ein gravierender Umbruch eben mit sich bringe. Insgesamt gebe es eine positive Entwicklung, "wir haben nur noch einige Sorgenkinder."
Denn von Fach zu Fach ist es sehr unterschiedlich, wie viele Studenten aufgeben. So ist die Quote der Studienabbrecher in den Geisteswissenschaften deutlich gesunken. Sie liegt immer noch bei 27 Prozent, bei der letzten Studie waren es aber noch fünf Prozent mehr. "Ich habe den Eindruck, dass der Berufsbezug, den die Fächer neuerdings bekommen haben, eine wichtige Rolle spielt", so Heublein: Die Orientierungslosigkeit, die früher oft zum Abbruch geführt habe, falle weg; der Bachelor schaffe einen klareren Rahmen.
Bei den Maschinenbauern, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaftlern dagegen sind die Abbrecherzahlen sogar gestiegen. Diese Fachbereiche seien früher schon durch viele Studienabbrecher aufgefallen, sagt Heublein. "Wir nehmen an, dass sie noch schwerer studierbar geworden sind" - die Studienzeit sei eingedampft, der Stoff selbst sei aber nicht reduziert worden.
Die Folgen sind ähnlich wie bei der viel diskutierten Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur von neun auf acht Jahre (G8): In kürzerer Zeit müssen sich die Betroffenen mehr Stoff einhämmern. "Das gelingt eben längst nicht jedem", sagt Heublein. Es handele sich um ein Umsetzungsproblem; das spreche nicht generell gegen der Bachelor-Abschluss.
An den Fachhochschulen sei die Abbrecherquote besonders hoch, weil sie viele technische und ökonomische Studiengänge anbieten. "Außerdem finden sich hier mehr Leute aus bildungsfernen Schichten, die nicht gleich nach Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung mit dem Studium angefangen haben." Folge: Vieles von dem, was sie ihnen in der Schule vermittelt wurde, haben sie wieder vergessen. Manche brechen aus Leistungsgründen ab; andere haben finanzielle Sorgen. Denn neben dem vollgestopften Stundenplan zu arbeiten, sei nicht so einfach, sagt Heublein.
Mit riesigen Stoffmengen allein gelassen
Die Lehrpläne im Bachelor-Studium sollten auf die soziale Situation der Studenten Rücksicht nehmen und dürften nicht überfrachtet werden, sagt daher Rolf Dobischat, Präsident des Deutschen Studentenwerks. Für 40 Prozent sei die Studienfinanzierung nicht gesichert, die Studiengebühren schlügen jetzt zusätzlich zu Buche. Auch müssten die Studenten von Anfang an besser beraten werden, wie sie mit den permanenten Leistungskontrollen und examensrelevanten Prüfungen am besten umgehen können. Man dürfe die Studenten mit den teilweise riesigen Stoffmengen nicht einfach alleine lassen.
Die Meinung teilt Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. Der kürzere Bachelor-Studiengang erfordere bessere Betreuung und kleinere Lerngruppen. Darum erneuert Wintermantel eine ständige Forderung der Hochschulen: "Wir brauchen mehr Dozenten. Aber bis heute gibt es kein Geld dafür."
Klar ist: Was die Studienabbrecherquote angeht, bleibt das Bachelor-Studium noch weit hinter den Hoffnungen der Reformer zurück. Und auch sonst sind die Sorgen zahlreich:
- Schneller ist das Studium schon geworden: Die durchschnittliche Gesamtstudiendauer liegt bei acht Semestern. Ein- bis zweijährige Masterstudiengänge bauen auf dem Bachelor auf. Absolvieren aber die Studenten beide Teile, studieren sie nicht unbedingt zügiger. Und in vielen Branchen ist die Skepsis der Arbeitgeber gegenüber dem noch neuen Abschluss groß.
- Weiter: Für ein Auslandssemester entscheiden sich im Bachelor-Studium wesentlich weniger Leute, als es bei den Diplomstudiengängen der Fall war. Das liegt daran, dass das Auslandsstudium nicht recht in die engen Studienpläne passt und dass man auf die Idee wegzugehen meist im vierten oder fünften Semester kommt. "Dann aber neigt sich das Bachelor-Studium schon fast wieder dem Ende zu, die Studenten müssen sich auf die Abschlussprüfungen vorbereiten", sagt Ulrich Heublein. Erst im Masterstudium würden viele ins Ausland gehen.
Doch abgesehen von den Zielen, die die Reformer im Auge haben - wie finden eigentlich die Studenten selbst die Angebote und Abschlüsse? Über 11.700 Absolventen aus allen Fachrichtungen wurden dazu im vergangenen Jahr vom Hochschul-Informations-Systems (HIS) befragt. Das überraschende Ergebnis: Viele Bachelor-Absolventen sind mit ihrem Studium zufriedener als diejenigen, die traditionelle Studiengänge absolviert haben. Sie haben also zumindest das Gefühl, höher, schneller und weiter zu kommen.