Neuer HRK-Präsident "Es gibt keine perfekte Hochschule"

Neuer HRK-Präsident Hippler: "Missbrauch wird man nie verhindern können"
Foto: KIT/Harry MarxSPIEGEL ONLINE: Ihre Wahl zum HRK-Präsidenten war nicht einfach. Erst im zweiten Wahlgang bekamen Sie eine knappe Mehrheit, für einige Fachhochschulrektoren waren Sie nicht der Wunschkandidat. Wie wollen Sie jetzt als Präsident für alle Hochschulen sprechen?
Hippler: Ich habe überhaupt kein Problem damit, mit den Fachhochschulen kollegial und vertrauenswürdig umzugehen. An meiner bisherigen Arbeitsstelle, dem Karlsruher Institut für Technologie, arbeiten wir einmalig gut mit der Fachhochschule Karlsruhe zusammen.
SPIEGEL ONLINE: Und doch haben Sie in der Vergangenheit gesagt, es sei nicht notwendig, den Fachhochschulen das Promotionsrecht zu verleihen , was bei den FHs für Unmut sorgte.
Hippler: Eine Fachhochschule ist keine Universität. Wenn eine Fachhochschule Promotionsrecht haben soll, muss man sie zur Universität machen. Das bedeutet auch, dass man ihr eine universitäre finanzielle Förderung zukommen lassen muss. Promotionen kriegt man nicht zum Nulltarif, denn Forschung braucht Geld und Zeit. Die Professoren an den Fachhochschulen haben ein doppelt so hohes Lehrdeputat wie die Professoren an den Universitäten und viel weniger Zeit für die Forschung.
SPIEGEL ONLINE: Wenn Sie Anfang Mai Ihr neues Amt antreten, welche Aufgabe werden Sie als Erstes in Angriff nehmen?
Hippler: Das wichtigste Ziel für die nächsten Jahre ist eine nachhaltige Finanzierung der Hochschulen. Wir brauchen Planungssicherheit im Bereich Studiengänge, Studienplätze und Grundfinanzierung. Weil alle Länder sparen, sind die Mittel knapp, aber Investitionen in Bildung dürfen deshalb nicht zu kurz kommen. Derzeit trifft die Haushaltskonsolidierung ganz besonders das Hochschulsystem, dabei sind wir der Garant dafür, dass die deutsche Wirtschaft funktioniert.
SPIEGEL ONLINE: Wo mangelt es besonders an Geld?
Hippler: Wir brauchen einen Einstieg in die Vollkostenfinanzierung der Forschung. Wenn Sie bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein Projekt einreichen, bekommen Sie Geld für einen Doktoranden und ein bisschen für das Projekt. Aber dass der Doktorand auch noch einen Raum, einen Rechner und vieles mehr braucht, ist in der Projektfinanzierung nicht enthalten. Um die Forschungskosten voll zu finanzieren, bräuchte man 60 bis 70 Prozent mehr Geld, als wir heutzutage kriegen. Jedes öffentlich eingeforderte Forschungsprojekt erzeugt an den Hochschulen Kosten, die nicht gedeckt sind.
SPIEGEL ONLINE: Was die Studenten besonders belastet, ist der derzeitige Erstsemesteransturm, mehr als zwei Millionen junge Menschen studieren an Ihren Mitgliedshochschulen. Wie sollen sie mit den stark gestiegenen Studentenzahlen fertig werden?
Hippler: Da hilft nur, dass sich der Bund bei der Grundfinanzierung der neuen Studienplätze im Bachelor- und im Masterbereich engagiert. Der Bund profitiert schließlich heftig von der Ausbildung an den deutschen Hochschulen, weil er hinterher die Steuereinnahmen der gut ausgebildeten Menschen bekommt.
SPIEGEL ONLINE: Können Sie sich komplett vom Bund finanzierte Hochschulen vorstellen?
Hippler: Wenn man das typische deutsche Regelwerk anwenden will, sehe ich da Probleme. Entscheidend ist, dass die Autonomie der Hochschulen geachtet wird und dass man ihnen zutraut, dass sie mit dem Geld vernünftig umgehen. Das große Problem ist immer das grundsätzliche Misstrauen. Darum werden die Kontrollen verstärkt, um jede Form von Missbrauch auszuschließen. Den wird man aber nie verhindern können. Vielmehr braucht es Regeln dafür, wie man mit Missbrauch umgeht.
SPIEGEL ONLINE: Die Regierung wünscht sich Geld von privater Seite und fordert eine Stipendienkultur, doch die Ergebnisse sind im internationalen Vergleich sehr dürftig. Wie kann man private Spendenaktivitäten ankurbeln?
Hippler: Ich denke, der wichtigste Auftrag an die Politik wäre, die Steuergesetzgebung so zu ändern, dass sich das Spenden und Stiften für die Wissenschaft und Bildung für Privatleute auch tatsächlich lohnt.
SPIEGEL ONLINE: Ein Problem der privat finanzierten Bildung bleibt: Bestimmte Fächer werden immer besser wegkommen als andere.
Hippler: Dann muss man sich eben auf die Fächer konzentrieren, für die man keine hinreichende Finanzierung bekommt. So machen das auch die großen privaten Universitäten in den USA. Harvard bekommt das Geld sicher nicht für Ägyptologie oder Sinologie, sondern natürlich für Medizin, Medizintechnik und so weiter. Doch die gesamte Institution lebt davon, dass sie dann mit ihren eigenen Mitteln das andere mitfördern kann.
SPIEGEL ONLINE: Wie sieht für den neuen HRK-Präsidenten Hippler die perfekte Hochschule aus?
Hippler: Es gibt keine perfekte Hochschule. Es ist ein stetiger Wandel, eine stetige Anpassung an die Herausforderungen, und das muss auch so weitergehen. Wichtig ist mir vor allem, dass die Hochschulen mehr Freiheit bekommen.