Imam-Ausbildung in Tübingen Schavan eröffnet Islam-Zentrum

Wer soll 700.000 muslimische Schüler in Deutschland unterrichten, wer in Moscheen predigen? Imame und Religionslehrer, made in Germany - darauf setzt Bildungsministerin Annette Schavan. Sie hat an der Universität Tübingen das bundesweit erste Zentrum für Islamische Theologie eröffnet.
Islamische-Theologie-Studentin in Tübingen: Mit dem Koran in den Hörsaal

Islamische-Theologie-Studentin in Tübingen: Mit dem Koran in den Hörsaal

Foto: Tobias Kleinschmidt/ picture alliance / dpa

Zwar studieren hier schon seit Beginn des Wintersemesters gut drei Dutzend Studenten, doch jetzt folgte die offizielle Eröffnung des Zentrums für islamische Theologie in Tübingen. Es ist das bundesweit erste seiner Art.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) bezeichnete es als "Meilenstein für die Integration". Es sei wichtig, dass es an deutschen Universitäten eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der islamischen Religion gebe, sagte sie. "Glaube muss gedacht werden. Religion braucht Klärung und Aufklärung." Glauben ohne zu denken, könne schnell in eine falsche Richtung führen, sagte die Ministerin. Darüber hinaus biete das Zentrum "die große Chance, auch den Dialog mit den christlichen Religionen zu fördern".

Kritiker fürchten, dass durch den Einfluss konservativer muslimischer Verbände eine unkritische islamische Theologie an deutschen Hochschulen etabliert werden könnte. Schavan sagte: "Wir wollen mit der großen Erfahrung, die wir an deutschen Universitäten mit der Theologie haben, auch einen Beitrag zur Weiterentwicklung der islamischen Theologie leisten."

Der Sprecher des Koordinationsrates der Muslime in Deutschland, Bekir Alboga, forderte, als nächster Schritt müssten die Muslime nun auch juristisch als Religionsgemeinschaft anerkannt werden.  "In Deutschland herrscht ein sehr negatives Bild vom Islam und Muslimen", sagte er. Das sei auch eine Folge davon, dass den Muslimen die juristische Anerkennung verweigert werde.

Gesucht: 2000 Lehrer für 700.000 muslimische Schüler

Tübingen ist das erste von vier universitären Zentren für Islamische Theologie. Die Standorte Münster/Osnabrück, Frankfurt/Gießen und Erlangen-Nürnberg sollen in diesem Jahr eröffnet werden. An den Zentren sollen unter anderem Imame und Lehrer für islamischen Religionsunterricht ausgebildet werden. In den nächsten Jahren werden für rund 700.000 muslimische Schüler bis zu 2000 Lehrer benötigt. Insgesamt leben in Deutschland rund vier Millionen Muslime.

Die Vorgeschichte: Die zum Teil hitzige Integrations-Debatte hatte auch den Islam in den Fokus gerückt. Auf Anregung des Wissenschaftsrats und mitausgewählt von Vertretern islamischer Verbände in Deutschland entschied Schavan schließlich im Frühjahr 2011, wo Zentren für islamische Studien entstehen sollen.

Ausgemacht war jedoch schon länger, dass deutsche Imame, also religionsgelehrte Gemeindevorsteher, auch in Deutschland ausgebildet werden sollen. Der Wissenschaftsrat hatte die Ausbildung an deutschen Universitäten zu Jahresbeginn 2010 angeregt und der Bundesregierung einen Beirat mit Vertretern der großen islamischen Verbände empfohlen, der über die Inhalte der neuen Studienangebote mitentscheiden soll.

Die Universität Münster, die künftig im Verbund mit Osnabrück Imame ausbilden wird, hat mit Islamverbänden allerdings auch schon negative Erfahrungen gemacht. In der Debatte um die Ausbildung von Islamlehrern in Nordrhein-Westfalen hatten sich die Verbände gegen den Islamgelehrten und ehemaligen deutschen Konvertiten Sven Kalisch gestellt.

Kalisch hatte in einem Vortrag die historische Existenz des Propheten Mohammed angezweifelt und war daraufhin scharf angegriffen worden. Islamlehrer konnten in der Folge nicht an Kalischs Lehrstuhl in Münster ausgebildet werden, der Professor bekam nach Drohungen aus islamistischen Kreisen Polizeischutz. Mittlerweile hat sich Kalisch vom Islam abgewendet .

Derzeit sprechen viele der fast 2000 Imame, die hierzulande predigen, kaum Deutsch. Sie bleiben oft nur wenige Jahre im Land und kehren dann in ihre Heimat, etwa in die Türkei zurück.

otr/dpa/AFP/dapd
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