Imam-Ausbildung Münster will islamisches Lehrzentrum werden

Moschee: Muslimische Männer beim Gebet
Foto: FRANKA BRUNS/ ASSOCIATED PRESSAm Freitag hatte der Wissenschaftsrat mehr Ausbildung von Imamen an staatlichen Universitäten gefordert - und dafür viel Beifall bekommen. In Münster gibt es bereits einen der wenigen Ansätze für die vieldiskutierte Islam-Lehrerausbildung auch in Deutschland. Doch das Münsteraner Modell hat auch gezeigt, wie schwierig die Umsetzung sein kann.
An der Universität Münster lehrt Professor Muhammad Sven Kalisch, der derzeit nicht mit Journalisten sprechen will. "Es gab in den vergangenen Jahren zu viel Wirbel um seine Person", heißt es an seinem Lehrstuhl "Religion des Islam" an der Universität Münster.
Kalisch, ein deutscher Konvertit, bezweifelt in seinen Thesen das, was den Muslimen am heiligsten ist: die historische Existenz des Propheten Mohammed und den Koran als Wort Gottes. Muslimische Verbände rieten deshalb vom Studium bei Kalisch ab. Daran wird deutlich, dass ein solcher Studiengang zumindest unter dem Versuch massiver Beeinflussung von außen stehen dürfte - wie es auch an den Fakultäten für christliche Theologie bisweilen geschieht.
Münster war Vorreiter der islamischen Religionslehrerausbildung
Die Uni Münster will - auch wegen der bisherigen, teils kontroversen Erfahrungen - eines der vom Wissenschaftsrat vorgeschlagenen Zentren für die Ausbildung von Imamen und Religionslehrern werden. Der Bedarf ist groß, sollte islamischer Religionsunterricht an den Schulen zur Regel werden, wie es viele Migrantenorganisationen fordern.
Schätzungen gehen von bis zu 5000 Lehrern aus, die für die etwa 700.000 muslimischen Schüler in Deutschland benötigt würden. Wichtig wird dabei sein, ob es gelingt, einen Konsens mit den muslimischen Verbänden bei der Ausgestaltung der Lehre zu erzielen.
In Münster schien am Anfang alles vielversprechend, Islam-Professor Kalisch trat als Mann aus der Mitte der deutschen Muslime an: "Es soll etwas für die Muslime und nicht über sie hinweg gemacht werden", hatte Kalisch gesagt, als er 2004 nach Münster berufen wurde.
Doch seit vergangenen Sommer befindet sich der Islam-Professor im Konflikt mit dem Koordinierungsrat der Muslime (KRM), dem Dachverband der vier größten muslimischen Verbände in Deutschland. Kalisch hatte Zweifel an der historischen Existenz des Propheten Mohammeds geäußert. Daraufhin hatte der Koordinierungsrat die Zusammenarbeit mit Kalisch aufgekündigt und muslimische Studenten aufgefordert, keine Veranstaltungen des Professors mehr zu besuchen. Auch der Zentralrat der Muslime entzog Kalisch seine Unterstützung.
Unis fehlt zentraler Ansprechpartner für ein Konkordatsmodell
Die Universität untersagte Kalisch, sich fortan in der Lehrerausbildung des Fachs Islamkunde zu engagieren. Als Reaktion darauf stellten sich über 80 prominente Muslime und Wissenschaftler hinter Kalisch. Es sei das Recht des Islam-Professors als Wissenschaftler "provokante Thesen zur Diskussion zu stellen", schrieben sie in einer Solidaritätserklärung.
Wie damals in Münster, sieht auch die aktuelle Empfehlung des Wissenschaftsrats einen Beirat mit Vertretern der großen islamischen Verbände vor, der über die Inhalte der neuen Studiengänge mitentscheiden soll. 29 Frauen und Männer - die Mehrzahl von ihnen Muslime - haben in Münster innerhalb des allgemeinen Lehramtstudiums den Zusatzstudiengang Islamunterricht belegt. Die ersten von ihnen werden in diesem Sommer ihren Abschluss machen. Danach sollen sie an staatlichen Schulen bekenntnisorientierten Islamunterricht geben.
Aber auch bei den christlichen Studiengängen gibt es ein nicht ungetrübtes Spannungsverhältnis zwischen akademischer Freiheit an der Universität und den Lehrvorgaben der Kirchen, insbesondere dann, wenn Religionslehrer ausgebildet werden. Dabei erteilt die Kirche dem Theologieprofessor die Lehrerlaubnis - und kann sie auch wieder entziehen, was in der Vergangenheit nicht selten geschah. Während das Verhältnis von Staat und den beiden großen christlichen Kirchen in den Bundesländern in der Regel durch Konkordate geregelt ist, fehlt auf der muslimischen Seite ein allseits anerkannter Verhandlungspartner.
Die Rektorin: Was wir mit Einwänden machen, ist unsere Sache
"Der Staat hat hier ein Organisationsproblem", sagt Münsters Uni-Rektorin Ursula Nelles. "Für die, die sich auf die Gleichberechtigung berufen, muss der Staat Wege finden, um deren Beteiligung und Mitspracherecht zu organisieren. Das ist bisher noch nicht geschehen. Es ist die Aufgabe des Staates, dies zu tun."
Um den Streit über Kalisch zu entschärfen, und aus Angst, die Akzeptanz bei der muslimischen Bevölkerung für die Islamlehrer aus Münster zu verlieren, entschied man sich, eine zusätzliche Professur für Islam-Pädagogik einzurichten. Landes-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) versicherte, bei der Besetzung das Votum der islamischen Verbände einholen zu wollen.
16 Interessenten meldeten sich, zwei Kandidaten kamen in die Endausscheidung. Ihre Bewerbungen liegen nun dem Ministerium in Düsseldorf vor. "Wir warten jetzt auf die Information, ob es Einwände von Seiten der Muslime gibt", sagt Ursula Nelles. "Wenn ja, müssen wir überlegen, wie wir damit umgehen." Sie betont allerdings: "Was wir damit machen, ist aber unsere Sache."