Jugend in Indien Wir sind die Hungrigen
Sie wollten den Wechsel, sie haben für ihn gestimmt, und jetzt werden die jungen Inder Narendra Modi, der an diesem Montag in Neu Delhi als neuer Premier vereidigt wurde, an seinen Worten messen. Mit brüchiger Stimme und den Tränen nah hatte Modi vergangene Woche im Parlament gesprochen. Die neue Regierung, gelobte er, werde sich auch der Jugend verschreiben und der Sicherheit der Mütter und Schwestern.
Das Versprechen ist politische Einsicht. Denn es ist eine neue Kraft herangewachsen in Indien. Über die Hälfte der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt. Rund 120 Millionen mögliche Erstwähler gab es bei den Wahlen. Und tatsächlich sind gerade die Jungen und die Frauen zu den Urnen gegangen.
Was in ihnen steckt, haben die jungen Inder schon zweimal gezeigt. Als 2011 ein Aktivist in den Hungerstreik trat, um gegen die Korruption im Land zu kämpfen, gingen Tausende auf die Straße, aus Solidarität. Und als im Dezember 2012 eine 23-Jährige brutal in einem fahrenden Bus vergewaltigt wurde, waren es Studenten in Delhi, die als Erste protestierten.
70 Prozent der 18- bis 29-Jährigen sagten in einer Umfrage des Pew Research Center, dass sie unzufrieden damit seien, wie die Dinge in ihrer Heimat laufen. Doch was wollen diese jungen Inder von ihrem neuen Premier? Und was eint sie?
Je gebildeter, desto höher die Arbeitslosenquote
Für die Soziologin Padma Prakash gibt es zwar eine Generation in Indien, die der Hunger auf ein schönes Leben, auf Chancen, auf Bildung eint. Was sie aber trenne, seien ihre Lebenserfahrungen. Zu groß sind die wirtschaftlichen Unterschiede in einem Staat, in dem noch immer mehr als ein Fünftel der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt.
Deswegen ziehen Millionen junge Inder im eigenen Land umher, verlassen die ländlichen Bundesstaaten, um in Delhi oder Mumbai ein besseres Leben zu finden. Doch je mehr Kluge und Motivierte abwandern, desto rückständiger bleiben ihre Heimatregionen. Der innere "Brain-Drain" macht Indien noch mehr zu einem Land der Ungleichzeitigkeit. Die Arbeitslosenquote bei den 15-bis 24-Jährigen liegt bei etwa 18 Prozent, und sie steigt sogar, je gebildeter die jungen Inder sind.
Hilfe und Rückhalt suchen die jungen Inder zuerst bei der Verwandtschaft und nicht bei Freunden. Tief verwurzelt sei die Jugend in ihrer Familie, sagt Sanjay Kumar, Mitherausgeber der Studie "Die indische Jugend in einer Welt im Wandel". Selbst wann man Kinder bekommt, entscheidet oft die ganze Sippe. Da bleibt wenig Raum für Rebellion. Junge Inder teilten oft die Werte ihrer Eltern, sagt Kumar, wollten deren Erwartungen erfüllen. Und trotzdem - es gibt eine Generation von selbstbewussten, ehrgeizigen jungen Menschen, die sehr genau wissen, was sie von ihrem Leben und ihren Politikern erwarten. Menschen wie Swati, Raju oder Pratik, die alle Modis BJP gewählt haben.
"Jede Frau in Indien wurde schon einmal belästigt"
Die 24-jährige Swati arbeitet als Lehrerin in Dahisra im Bundesstaat Haryana. Sie träumt von der weiten Welt und schränkt sich gleichzeitig ein: Denn sie will nichts tun, wofür ihre Eltern sich schämen könnten. Deswegen trägt sie keine Jeans, trinkt kein Bier und geht nicht mit Freunden aus. Lesen Sie mehr.
"Das Schlimmste ist die Korruption"
Als Kind schlief er oft auf dem Bürgersteig, die Schule besuchte er fast nie. Heute arbeitet Raju, 20, als Fahrer in Indien und hat einen Traum: endlich aus dem Slum wegziehen und seinen Eltern ein Haus kaufen. Lesen Sie mehr.
"Ich bin auch stolz, Inder zu sein"
Er kommt aus der Millionenstadt Vadodara im Bundesstaat Gujarat, studiert Maschinenbau und will später einen BMW besitzen: Der 20-jährige Pratik schaut recht entspannt in die Zukunft. Seine Freizeit verbringt er am liebsten im Einkaufszentrum - nur wäre er dort nie mit einer Frau allein unterwegs. Lesen Sie mehr.