Jägermeister auf PR-Pirsch Grand Prix der Peinlichkeiten
Kathleen Boßeng genießt den Abend. Ein Drink in der Hand, wummernde Bässe in den Ohren, die Leipziger Festwiese im Panorama-Blick. Seit einer halben Stunde darf die 18-Jährige sich VIP nennen. Bei einem neckischen Gummi-Pfeil-Schieß-Spielchen hat sie den Platz in der "Lounge" gewonnen, der obersten von drei Etagen des 13-Meter-"Hochsitzes". Darunter bespaßt Nachwuchsmoderator Niels Ruf andere Nachwuchs-VIPs, ganz unten auf der Bühne legen DJs wie Markus Welby und Tom Novy auf.
Es ist 20 Uhr. Seit acht und noch vier Stunden läuft an diesem Sonnabend in Leipzig die "Jägermeister Party Akademie". 20.000 Studenten sollten kommen, die größte deutsche Studentenparty sollte es werden. 12.000 sind zum Musik-Spektakel erschienen, wird später die "Leipziger Volkszeitung" schreiben. 10.000, wenn es nach "Bild" geht.
Es kann nur einen Jäger geben
Nun ja, Reporter sind eben auch nur VIPs. Und können den Kräuterlikör des Veranstalters in allen Mischungen und Mengen genießen. Da sieht man halt schon mal doppelt oder dreifach. Oder zählt die nass geregneten Grashalme auf der Festwiese statt die Partygäste, die sie platt trampeln.
Wer was verträgt, sieht klar: "Ganz schön lau hier", meint Hendrik Seither. "Und der Anteil der Studenten dürfte unterirdisch sein. So fünf Prozent vielleicht." Seither ist Student und extra aus Köln angereist - allerdings nur, um als Promoter zu arbeiten.
In der Tat überwiegen die Teens. Am Nachmittag gesellen sich ganze Familien inklusive der traditionellen Magenbitter-Konsumenten Oma und Opa dazu. Die Studenten machen sich rar - und die Dozenten erst recht. Auf der Nebenbühne gerät der "Mad-Professor-Contest" zum Grand Prix der Peinlichkeiten. Vier Teilnehmer treten an, um vielleicht vierzig Zuhörer mit Dicht- und Sangeskünsten zu unterhalten.
Es kann nur einen Sieger geben, denn es gibt nur einen Jäger, und nur einen Professor, und das in einer Person: Frank Jaeger, Computergrafiker von der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK). Begleitet von der Studiosi-Band "Blaswerk" singt er "Hier kommt die Maus" und "Biene Maja". "Eine lustige Sache so lange man sich nicht zum Affen macht", sagt er hinterher.
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Mit gebührendem Sicherheitsabstand applaudiert dem Professor ein Doktor. Der Doktor. Die Most Important Person. Der Oberjäger. Hasso Kaempfe bezahlt das hier alles, er ist der Vorstandsvorsitzende der Mast-Jägermeister AG - und scheint eher betrübt zu sein. Seine Miene passt zum grauen Haar wie zum grauen Himmel.
Aber nein, Kaempfes Laune ist gar nicht so übel. Sagt er jedenfalls. "Mit dem schlechten Wetter, das ist natürlich etwas fatal. Aber ob hier 3.000 Leute mehr oder weniger kommen, ist doch egal. Schließlich ist auch die ganze Vorphase mit entscheidend gewesen."
Die Vorphase: Niels Ruf steht seit seinem Abschied von Viva 2 dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Nun plant der pöbelnde Moderator seine Resozialisierung bei RTL2. Bis dahin - Niels Ruf on tour in deutschen Unis, Niels Ruf on air bei Radio Energy, Niels Ruf on Podium bei der Pressekonferenz in Leipzig. Niels Ruf gleich jung gleich hip gleich Jägermeister - das ist die frohe Botschaft, die Kaempfe vermitteln will.
Alles in Orange
Denn das traditionsreiche Kräutertrank-Unternehmen mit dem Hirschemblem will seine Kundschaft verjüngen. Jägermeister als Kultgetränk: In den USA ist das längst gelungen, im Heimatland ist man auf dem besten Wege. Das Produkt bleibt das alte, erkennbar an der Flasche in grün. Das Image wird ein neues, erkennbar an der Party-PR in orange.
"Wir wollen Veranstaltungen orange machen", so Hasso Kaempfe. Zumindest das gelingt bei der eigenen Party in Leipzig. Nicht nur die "Jägerettes", die laufenden PR-Hirsche, tragen dazu bei, wo sie doch angesichts des Wetters sogar im orangefarbenen Ganz-Körper-Kondom ebenso orangefarbene Hüte unters Volk bringen.
Nein, auch das Volk selbst macht fleißig mit. Kauft T-Shirts, Brillen und einigen Schnickschnack. Sogar knallige Perücken, 10,20 Euro das Stück. Da röhrt der Hirsch. Die Jägermeister wird's freuen. Für sie sind diese Party People doch irgendwie alle VIPs.