Frau, verheiratet, nicht schwanger "Hört auf zu fragen, wann ich Kinder bekomme"
Seit mehr als einem Jahr bin ich mit dem Studium fertig, bin aber noch nicht aus der Uni raus. Nach einem Master im Ingenieurbereich fand ich die Möglichkeit zu promovieren super. Das ist dein Alleinstellungsmerkmal, damit kommst du auf dem Arbeitsmarkt gut, nein, sehr gut an, dachte ich mir. Ich bekam eine volle Stelle am Lehrstuhl und war sehr stolz.
Ich bin die älteste von vielen Kindern. Mein Vater ist Landwirt. Als ich ihm von meiner Promotion erzählte, war auch er sehr stolz. So stolz, dass er allen davon erzählte. Das erhöht den Druck, aber nun gut. Es ist ja nicht nur das. Ich bin ja auch eine Frau. Und was machen Frauen? Frauen bekommen Kinder. Am besten ganz viele.
Das sieht nicht nur mein Vater so. Nachdem mich mein Mann im vergangenen Frühjahr gebeten hat, seine Frau zu werden, und wir seit dem Sommer verheiratet sind, ist keine Woche vergangen, in der ich nicht einen "Beweisschnaps" trinken oder die Frage "Bist du schwanger?" beantworten musste. Ätzend!
"Nein, ich will das Baby nicht mal auf den Arm nehmen"
Dummerweise haben auch meine beiden Schwägerinnen ein Kind bekommen, und ich darf mich immer wieder über Fragen freuen wie: "Wann bekommt ihr denn ein Kind? Ich habe gedacht, ihr erledigt das schnell, denn ich will bald Tante werden und natürlich Patentante!" oder: "Willst du den Kleinen nicht auch mal auf den Arm nehmen? Dann kommst du auf den Geschmack!"
Die beiden Damen haben natürlich nicht gerade eine Promotion angefangen beziehungsweise auch kein Studium abgeschlossen. Und nein, ich will das Kind nicht nehmen. Schon gar nicht, um auf den Geschmack zu kommen. Ich habe sehr viele kleine Geschwister. Ich weiß, wie sich Säuglinge anfühlen.
Nun stehe ich da. Zwischen Promotion und Familienplanung. Beides ist mit Schwierigkeiten verbunden. Die Arbeit am Lehrstuhl ist nicht immer leicht. Natürlich habe ich tolle Kollegen, die mich unterstützen, aber die Stelle fordert all meine Kraft. Jetzt ein Kind zu bekommen wäre ebenso intensiv. Meine Schwägerinnen haben das Glück, dass sie ihre Kinder jederzeit bei Oma und Opa abgeben können. Sie arbeiten nicht, sind flexibel und müssen auch keine Kita bezahlen. Wir wohnen fern der Heimat unserer Eltern.
Zudem wird mein Chef nicht müde zu betonen, dass er nicht an den Erfolg meiner Promotion glaubt, sollte ich ein Kind bekommen. Er drückt das so aus: "Ihre Promotion? Sie werden bald zu mir kommen und mir mitteilen, dass Sie schwanger sind. Dann haben Sie ganz andere Prioritäten." Selbst hat er natürlich Kinder während der Promotionszeit bekommen.
"Ich wünschte, das Thema wäre ein Tabu wie Geschlechtskrankheiten"
Mein Mann versteht den Druck, den ich mir mache, nur bedingt. Zum einen, weil er sich generell nicht so leicht stressen lässt. Allerdings kommt hinzu, dass die Fragen nie an ihn gerichtet werden. Fragen zur Familienplanung gehen anscheinend ausschließlich an die Frau. Wir haben in den vergangenen Monaten darüber gestritten. Ich habe immer wieder versucht, ihm zu vermitteln, was das alles mit mir macht.
Verstanden hat er es an dem Tag, an dem ich ihm die SMS eines alten Bekannten zeigte. Dieser hatte mich sehr direkt gefragt, ob die den Druck der Familienplanung spüren würde. Meine biologische Uhr ticke ja bereits sehr laut.
Was ich darüber denke? Ja, ich hätte gern ein Kind. Ich liebe Kinder. Ich glaube, ich wäre eine gute Mutter. Aber es geht niemanden etwas an. Hört auf, mich nach dem Zustand meiner Gebärmutter zu fragen. Manchmal wünschte ich, das Thema wäre ähnlich tabu wie Gespräche über Gehälter oder Geschlechtskrankheiten.
Warum? Es gibt mehrere Gründe, warum eine Frau nicht schwanger ist. Meiner ist: Es klappt einfach schon so lange nicht. Kann ich das sagen? Nein! Deswegen gebe ich vor allen Menschen die Karrierefrau, die sich nicht für Kinder interessiert. Ich spiele die Rolle gut. Nur mein Mann weiß, dass es nicht so ist.
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