Klassentreffen via Internet Klicken statt Adressbücher wälzen
Irgendwann war alles vorbei am Gymnasium Zum Altenforst in Troisdorf: Bei den letzten Klausuren hatten die 78 Abiturienten ihr Wissen niedergeschrieben, bei den mündlichen Prüfungen brilliert und bei den Abifeten noch mal gefeiert, bis sie nicht mehr feiern wollten. Doch dann drohte die große Leere. Die Wege der Rheinländer teilten sich: Pflichtdienst, Ausbildung, Uni. Aus den Augen, aus dem Sinn?
Johannes Ballé wollte gegensteuern. Seinen Kurskollegen schlug der 20-Jährige vor, alle Adressen im World Wide Web zu veröffentlichen. Das jedoch stieß auf Widerspruch: "Ich stelle meine Daten nicht ins Internet", mäkelte ein Mitschüler.
Den Abiturienten drohte also das Schicksal ganzer Schülergenerationen: Wagte es jemand, ein Klassentreffen zu organisieren, dann musste er alte Adresslisten hervorkramen, Telefonbücher wälzen, Eltern hinterher telefonieren und die Auskunft bemühen.
Neuartige Datenbank
Ballé tat sich mit sich mit dem ein Jahr jüngeren Michael Pütz zusammen. Seit Februar arbeiten die beiden an einer neuartigen Datenbank. Die Grundidee: Der Nutzer soll selbst bestimmen, wer auf seine Daten zugreifen kann - jeder Surfer oder nur ein ehemaliger Jahrgangskamerad. Wer sich als erster Ex-Pennäler eines Jahrgangs einträgt, soll künftig prüfen, ob Neuankömmlinge tatsächlich einmal Mitschüler waren.
Ende Juni speisten Ballé und Pütz die Datenbank unter passado.de ins Netz ein - "passado" steht dabei für "ehemalig". Über 700 Schulen sind derzeit in der Datenbank vertreten, 1300 Einträge gibt es bislang. Bald werden es mehr, ist sich Ballé sicher. passado.de sei "ein bisschen durchdachter" als die konkurrierenden Angebote, preist er seine Seite an.
Durchklicken für Massenmails
Ein Konkurrent ist die "bundesweite Abschlussjahrgangsdatenbank", kurz abjadaba.de. Hier sind 1300 Nutzer aus 650 Schulen verzeichnet. Macher Roland Barth nennt eine ähnliche Motivation wie Ballé und Pütz: "In 10 oder 15 Jahren werden die, die heute die Schule verlassen, froh sein, eine solche Liste im Internet zu haben" Barth verfolgt dennoch ein anderes Konzept als die Initiatoren von passado.de: Es gibt keine geschlossenen Bereiche. Keine Einladung für "Spammer", winkt Barth ab. Wer Massen-Mails versenden wolle, müsse sich von Eintrag zu Eintrag durchklicken. Das sei zu aufwendig, Missbrauch daher uninteressant.
Anmache mit dem Mathebuch
Eine größere Zahl von Ehemaligen als bei passado.de und abjadaba.de hat sich bei klassentreffen.org eingetragen - hier sind es über 2300. Noch mehr Ex-Schüler stehen aber im Verzeichnis von schueler-mails.de - über 9000 aus ganz Deutschland. Hier gibt es nicht nur eine Schülersuchmaschine in abjadaba-Manier, also ohne verschlüsselte Bereiche, sondern auch Foren, Singletreffs und Porträts. Sogar schülergerechte Anmachtipps bietet die Seite - etwa "Darf ich dein Mathebuch tragen?", "Willst du mit mir über den Fußgängerstreifen gehen?" oder - quasi als Fazit - "Bitte schlag' mich wegen meiner dummen Sprüche". Verlinkt ist die Seite mit kommerziellen Anbietern. Denn die Macher der Seite wollen offensichtlich Geld verdienen. Ein Unternehmen, das im Suchfenster von Hamburg mit einem Banner werben will, muss dafür 300 Mark hinlegen.
Zweifel am Erfolg
Dass schueler-mails.de finanziellen Erfolg haben wird, bezweifelt passado.de-Chef Ballé: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Gewinne abwirft." Er und sein Kompagnon Pütz sehen ihre eigene Seite eher "als Steckenpferd", mit dem sie sich profilieren können. Schließlich wollen beide bald Informatik studieren. Je mehr Ex-Schüler sich in die Datenbank eintrügen, desto motivierender. Die 9000 Nutzer von schueler-mails.de seien eine Richtgröße.
Dennoch denkt Ballé auch an den Misserfolg: "Wenn sich nicht so viele eintragen, ist die Seite das, was sie ursprünglich sein sollte: eine Datenbank für unseren Jahrgang." Dann bleibt zumindest den Troisdorfer Abiturienten das Schicksal der Generationen erspart. Sie müssen vor dem nächsten Klassentreffen nur klicken - anstatt alte Adressbücher zu wälzen.