Urteil in Koblenz Student überzieht Klausurzeit um 90 Sekunden - durchgefallen

Student beim Ausfüllen von Prüfungsbögen (Archivbild)
Foto: mediaphotos/ iStockphoto/ Getty ImagesNach 90 Minuten hätte er den Stift aus der Hand legen müssen - doch ein Student der Hochschule Koblenz schrieb weiter, obwohl die Bearbeitungszeit der Klausur schon vorbei war und die Arbeiten der mehr als 50 Studierenden bereits eingesammelt wurden.
Weil seine Arbeit deshalb mit "nicht ausreichend" bewertet wurde, zog der Student vor das Koblenzer Verwaltungsgericht. Das entschied jetzt: Bei einer "wesentlichen Überschreitung der Bearbeitungszeit" sei die Klausur als nicht bestanden zu werten - und eine solche wesentliche Überschreitung sei hier gegeben (Aktenzeichen: 4 K 1252/18.KO).
Der Student hatte im Juni 2018 die Klausur im Bachelor-Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen geschrieben, es ging um das Prüfungsfach "Internationales Geschäft / Bürgerliches Recht". Dafür hätte er 90 Minuten Zeit gehabt.
Nach Ablauf dieser Zeit habe eine der Aufsichtführenden auf das Ende hingewiesen, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts . Der Student habe jedoch weitergeschrieben, nach Schätzung der Aufsicht eine Minute und 30 Sekunden länger als erlaubt. Darauf habe sie ihn, neben seinem Tisch stehend, hingewiesen - und ihm anschließend die Papiere weggenommen.
Aufregung und Sprachprobleme
Als ihm später in einer E-Mail mitgeteilt wurde, dass sein Verhalten dazu führen könne, dass er die Klausur nicht bestehe, gab der Student an, sehr aufgeregt gewesen zu sein. Er habe als nicht muttersprachlicher Student besonders bei Klausuren, bei denen das Sprachvermögen ausschlaggebend sei, Probleme.
Zudem habe er während der Prüfung so weit hinten gesessen, dass er die Ansage zum Ende der Bearbeitungszeit akustisch nicht wahrgenommen habe. Die Situation sei stressig gewesen. Deshalb beantragte er, die Klausur trotz des Regelverstoßes zu werten.
Der Prüfungsausschuss der Hochschule entschied jedoch: Die Leistung sei "nicht ausreichend", die Klausur damit nicht bestanden. Der Student habe trotz entsprechender Hinweise weitergeschrieben und sich dadurch einen Vorteil verschafft. Dagegen legte der Prüfling Widerspruch ein und bekräftigte, er sei zu sehr in die Arbeit vertieft gewesen.
Der Prüfungsausschuss wies das erneut zurück: Die Klausuraufsicht habe über Lautsprecheranlage über das Ende der Bearbeitungszeit informiert. Zudem verfüge der Student über ausreichende Deutschkenntnisse, wie seine vielen Eingaben und Äußerungen in dem Fall bereits gezeigt hätten. Der Student klagte daraufhin vor dem Verwaltungsgericht. Es sei unverhältnismäßig, ihn wegen eineinhalb Minuten durchfallen zu lassen.
Rechtzeitige Abgabe ist Pflicht
Die Koblenzer Richter sahen das anders. Sie beziehen sich im Urteil auf die Prüfungsordnung der Hochschule. Danach ist eine Prüfungsleistung "nicht ausreichend", wenn eine Klausur nicht innerhalb der vorgegebenen Bearbeitungszeit erbracht wird.
Aber gibt es Spielraum? Was, wenn die Abgabe der Klausur nur wenige Momente zu spät erfolgt? Die Richter entschieden: Eine Minute und 30 Sekunden später ist zu spät. Die kurze zusätzliche Zeit sei ausreichend gewesen, "um sich einen für die Bewertung erheblichen Vorteil zu verschaffen".
Denn wer in einer Klausur Texte formuliere, könne in kurzer Zeit noch schnell ein Schlagwort oder einen Lösungsansatz formulieren. Genau diese eingefügten Wörter könnten die Note eventuell verbessern - was unfair sei für alle, die rechtzeitig abgegeben hätten, so die Richter.
Gerichte müssen sich immer wieder damit beschäftigen, welche Hochschulprüfungen bestanden wurden und welche nicht. Im Februar hatte das Bundesverwaltungsgericht einer Jurastudentin aus Nordrhein-Westfalen recht gegeben: Fünf Minuten Verspätung hatten ihr null Punkte in einer Prüfung gebracht. Das sei unverhältnismäßig, urteilten die Leipziger Richter - und hoben ein entsprechendes Urteil der Vorinstanz auf.