
Kostenloses Studium: Eine Übersicht der Mooc-Plattformen
Kostenloses Online-Studium What the Mooc?
Das Internet soll mal wieder alles revolutionieren. Diesmal die Bildung. Inzwischen kann sich im Prinzip jeder in Harvards Hörsaal klicken, ohne Abitur und Studiengebühren. Dem Internet sei Dank.
Dozenten nutzen das Netz natürlich nicht erst seit gestern. Und trotzdem: Derzeit entsteht etwas Neues, es entwickelt sich schnell und richtet sich an viele. Deswegen hat es auch einen Namen bekommen: Massive open online courses, riesige offene Online-Kurse, kurz Mooc.
Video-Wettbewerb: Wer hat hier den schönsten Mooc?

Manege frei für die Netzdozenten: Hier duellieren sich unter anderem Sportstudio-Dozent Michael Steinbrecher, ein Metal-Prof mit Pferdeschwanz und die Osnabrücker Web-Ikone Professor Vornberger. Wir zeigen eine Auswahl der Einsendungen für den Mooc-Fellowship-Wettbewerb des Stifterverbands. Wer hat denn nun den besten Mooc? mehr...
Schon länger zeichnen viele Dozenten ihre Vorlesungen auf, laden sie im Intranet der Uni hoch oder beispielsweise bei iTunes U, einer Lernplattform von Apples iTunes Store. Im Gegensatz dazu ist ein Mooc von Anfang an als reines Online-Seminar mit festem Kursplan konzipiert, Studenten reichen Aufgaben ein und schreiben Tests - wobei derzeit niemand kontrollieren kann, wer sich für den Test wirklich an den Computer setzt. Jeder kann teilnehmen, egal wann, wo und wie lange er zur Schule gegangen ist. Auch jene sollen so Zugang zu Bildung erhalten, die bislang davon abgeschnitten waren. Ein hehres Ziel. Enthusiasten sprechen von einer Bildungsrevolution.
"Haben Sie mal was von der Dotcom-Blase gehört?", fragt Rolf Schulmeister, Professor an der Uni Hamburg, er forscht seit 30 Jahren zum Thema E-Learning. "Ich glaube, so ist das jetzt auch."
"Mein Traum ist ein kostenloses Studium"
Hinter den Mooc-Plattformen stecken nicht nur Universitäten. Inzwischen engagieren sich auch viele Firmen in dem Markt. "Die Zeit" spricht gar von einer "Goldgräberstimmung bei den Unternehmen der Onlinebildung".
So gründete beispielsweise Sebastian Thrun die Firma Udacity , nachdem ihn der Erfolg seines eigenen Online-Seminars überwältigt hat: Zu seinem Einführungskurs an der Uni Stanford über Künstliche Intelligenz meldeten sich vor rund zwei Jahren 160.000 Studenten aus 190 Ländern an. Er verzichtete danach auf sein Stanford-Gehalt und setzt jetzt eben auf Udacity. "Mein Traum ist ein kostenloses Studium von 20 aufeinander aufbauenden Kursen", sagte Thrun dem SPIEGEL. Er schwärmte von dem einmaligen Angebot, das er Studenten in Entwicklungsländern machen könne, von Dankes-E-Mails der Teilnehmer. "Da sind Menschen dabei, die uns sagen, dass wir ihr Leben verändern", sagte er. Mit dieser einen Vorlesung habe er mehr Menschen beeinflusst als zuvor in seiner gesamten akademischen Karriere.
Bei seinem Konkurrenten, dem Marktführer Coursera , haben sich seit der Gründung im April 2012 rund 3,5 Millionen Nutzer angemeldet. Rund 40 Prozent der Teilnehmer kommen aus den USA, 0,4 Prozent aus Südafrika, schreibt das Unternehmen in seinem Blog. Zahlen müssen die Studenten meist nichts, wobei einige Unternehmen schon kostenpflichtige Varianten ausprobieren: Wer ein Zertifikat bekommen möchte, der muss etwa bei Coursera und Udacity bezahlen. Und das amerikanische George Institute of Technology bietet jetzt gemeinsam mit Udacity einen kompletten Masterstudiengang an. Wer nicht nur einzelne Kurse besuchen, sondern einen Abschluss machen möchte, muss etwa 7000 Dollar zahlen.
Coursera arbeitet inzwischen mit 69 Partneruniversitäten zusammen, darunter auch die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und die Technische Universität München, deren Dozenten konzipieren dann die Moocs. Der erste Kurs von Tobias Kretschmer, Professor am Institut für Strategie, Technologie und Organisation an der LMU, startet im Juli. Sechs Wochen vor Beginn hätten sich 30.000 Studenten eingeschrieben, sehr zufrieden sei er damit, sagt er.
Sein Münchner Kollege Hannes Leitgeb bietet ebenfalls zum ersten Mal ein Seminar an. Er sagt: Er sehe den Kurs nicht als normale Uni-Veranstaltung, vielmehr wolle er so Menschen über Philosophie informieren und vielleicht für ein universitäres Studium begeistern. Denn: Wer ein Seminar bei den beiden belegt und besteht, der kann ein Zertifikat bekommen - mehr nicht. Es gibt keine Credit Points, die von der Münchner Uni anerkennt werden. Das gilt für die meisten Moocs.
Kritiker zweifeln, dass Mooc-Plattformen überleben
Statistisch gesehen ist es allerdings eher unwahrscheinlich ist, dass ein Mooc-Student seinen Kurs beendet. Bei Sebastian Thruns erstem Seminar haben 23.000 die Prüfung abgelegt und bestanden, rund 14 Prozent also. Natürlich melden sich derzeit noch viele Neugierige an, so besuchte auch der Hamburger Professor Rolf Schulmeister kürzlich einen Statistikkurs von Sebastian Thrun. Viele beabsichtigen sicher gar nicht, den Kurs zu beenden, andere jedoch schon - und schaffen es nicht. Weil sie keine Vorkenntnisse haben, weil der Dozent den Stoff zu schnell vermittelt, weil sie die starren Fristen nicht einhalten können. Weil viele Lernwillige durchfallen, spricht Schulmeister von "pädagogischem Darwinismus". Wer nicht mitkommt, hat Pech gehabt.
Kritiker bezweifeln sowieso, dass dieses Model dauerhaft überlebt. Denn bislang finanzieren sich die Unternehmen größtenteils vom Startkapital verschiedener Investoren. Sie hoffen natürlich, irgendwann selbst genug Geld zu verdienen. Aber kann das gelingen? Und: Was bedeutet das für jene Unis, die jetzt Geld verlangen? Michael Cusumano, Professor am renommierten Massachusetts Institute of Technology, schreibt in einem Aufsatz der Fachzeitschrift "Communications of the ACM" , diese freien Online-Kurse würden signalisieren: Das, was hier geboten wird, verursacht wenig Kosten. Es ist es auch nicht wert, dafür zu bezahlen. Zeitungen wie die "New York Times" würden heute darunter leiden, dass sie sich damals entschieden haben, ihre Inhalte kostenlos ins Internet zu stellen.
Dabei versuchen die Mooc-Plattformen ja schon jetzt, Geld zu verdienen, etwa durch einige kostenpflichtige Kurse. Unternehmen könnten auch spezielle Kurse für ihre Mitarbeiter anfordern. Zudem verfügen die Mooc-Firmen mitunter über massenhaft Daten: Wer hat das Studium beendet? Wer hat in den einzelnen Tests wie abgeschnitten? Wer hat eine Vorlesung wie oft angeschaut? Wer hat in Foren anderen geholfen? Auch damit ließe sich Geld verdienen. So sagte Coursera-Gründerin Daphne Koller in einem Interview mit "Knowledge@Wharton" , dem Magazin der Uni Pennsylvania: Das seien heutzutage sehr wichtige Informationen, für die Arbeitgeber durchaus bereit seien zu zahlen. So könnte Coursera die besten Absolventen vermitteln und dafür von Unternehmen eine Prämie kassieren - sofern die Studenten dem zugestimmt haben.
Aber egal ob diese Bildungsblase platzen wird oder nicht, Moocs werden klassische Universitäten wohl kaum verdrängen. Schließlich schrieb schon Wilhelm von Humboldt: "Das Kollegienhören ist Nebensache." Wesentlich sei es, eine Reihe von Jahren in enger Gemeinschaft mit Gleichgesinnten und Gleichaltrigen zu leben.
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