Latein lebt Zum Abendessen ein ovum frictum

Latein ist für viele Schüler und Studenten das Alptraum-Fach schlechthin. In Nordrhein-Westfalen macht ein Verein aus der toten Sprache eine quicklebendigen Spaß: Die Lateinfans treffen sich zum Altsprachen-Plausch - zum Beispiel über den Urlaub in "Nova Zelandia".

"...licet venire quam plurimas amicas..." Smalltalk unter Römern: So hat es vielleicht vor rund 2000 Jahren geklungen, als man im alten Rom zum abendlichen Chillout zusammenkam. Und so klingt es auch heute, wenn sich Wahlrömer in Münster zu einem netten Abend treffen. Rund 25 Leute sind im kleinen Saal eines gutbürgerlichen Hotels zusammengekommen, sitzen an einer langen Tafel, trinken Bier und quatschen - auf Latein. Wie verrückt muss man da sein?

"Das sind keine Spinner, das sind einfach Leute, die Spaß am Latein haben, testen wollen, ob man sich über alltägliche Dinge in Latein unterhalten kann.. Das ist spannend, was man alles sagen kann. Und es geht eigentlich alles", sagt eine Teilnehmerin. Der versierte Lateinlehrer bestellt auch gerne einmal ein ovum frictum - ein Rührei.

Wer nicht so speisekartensicher ist, schweigt - und genießt, wie zum Beispiel die Lateinstudentin Anna, die bald ihr Examen macht. Sie versucht, so noch ein bisschen Übung für die Übersetzungsklausur zu bekommen: "Ich traue mich selbst nichts zu sagen, weil ich das Gefühl habe, ich würde tausend Fehler machen, das ist schon ungewohnt. Wann hört man schon mal jemanden Latein sprechen?"

Fernreise auf Lateinisch

Mindestens acht Mal im Jahr: So oft trifft sich nämlich der Werner Verein namens L.V.P.A. - "Wölfin". Seit 20 Jahren. Für jedes Treffen bereitet eines der Vereinsmitglieder einen Vortrag vor. Lateinlehrerin Mechthild beispielsweise hat ein Jahr Pause von ihren Schülern genommen, ein Sabbatjahr, und ist drei Monate lang durch Neuseeland gereist - oder besser Nova Zelandia, wie der Neo-Römer sagt. Und sie weiß einiges zu erzählen. Auf Latein natürlich und ohne Manuskript.

Ein normales Latinum reicht. Ja, verstanden: Neuseeland bekam seinen Namen vom holländischen Entdecker Abel Tasman, der dabei an seine Heimat Zeeland dachte. Es gibt sehr viele eigenartige "arbores" - also Bäume in Neuseeland. Die werden im Herbst nicht alle bunt, sondern nur die aus Europa importierten. Man kann gemeinsam mit Delphinen in saukaltem Wasser schwimmen. Es gibt viele Schafe und Kühe und den besten Wein überhaupt. Natürlich ist Neuseeland "Terra ducis anulorum" - das Land des "Herrn der Ringe". Und wenn der Comictolpatsch Obelix einen Sprachfehler hätte, dann würde er seinen Kumpel so nennen wie die Lateiner den neuseeländischen Nationalvogel Kiwi: nämlich "Apterix".

Bei den geologischen und historischen Informationen wird es schon ein bisschen schwieriger. Ein kleines gelbes Taschenwörterbuch macht die Runde, und auch der berühmte Stowasser wird verstohlen aufgeschlagen.

"Ich habe die Hälfte verstanden, mein Schul-Latein ist noch ganz gut", sagt ein Latein-Fan. "Ich bin der Einladung gefolgt, war wohl ein kühner Entschluss", so ein weiterer Teilnehmer. "Mir hat es sehr gut gefallen. Ich bin erstaunt, dass alles gut verständlich war, durch die Bilder. Ich denke, dass man auch wie bei jeder anderen Fremdsprache schnell reinkommt." Ein anderes Mitglied des Lateiner-Kreises sagt: "Ich fand es einfacher als Texte, Bilder und die Satzstrukturen sind einfach."

Wer jetzt immer noch glaubt, Latein sei langweilig und grauenhaft und tot, dem sei nicht mehr zu helfen, sagt auch eine Teilnehmerin: "Ich hatte mal einen lateinischen Freund. Wir haben lateinisch telefoniert, dem habe ich sogar das Autofahren auf Latein beigebracht."

Von Sarah Nellen, Campus & Karriere, Deutschlandfunk 

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