Bekenntnisse eines Uni-Dozenten So werden Studenten später gute Lehrer

Kürzlich klagte eine Lehramtsstudentin, sie lerne im Studium nicht, wie sie später unterrichten soll. Uni-Dozent Manuel Clemens erwidert: Das kann einem eh keiner beibringen - ob Studenten später gute Pädagogen werden, hängt von einer Eigenschaft ab.
Grundschulklasse: "Was wollen Sie denn unterrichten, wenn Sie auf der Universität nur wenig gelernt haben?"

Grundschulklasse: "Was wollen Sie denn unterrichten, wenn Sie auf der Universität nur wenig gelernt haben?"

Foto: Corbis
Zur Person
Foto: Brinkhoff-Mgenburg/Leuphana

Manuel Clemens, Jahrgang 1976, studierte in Frankfurt (Oder) und Paris Kulturwissenschaften und Philosophie und promovierte an der Yale University. Danach unterrichtete er in Mexiko-Stadt, seit Oktober 2014 bildet er an der Leuphana Universität in Lüneburg angehende Deutschlehrer aus.

Ich unterrichte Lehramtsstudenten an einer Universität in Norddeutschland. Ich bilde spätere Deutschlehrer aus. Ich mache das gern und mit Engagement. Doch eines werde ich keinem Studenten beibringen können: Wie man ein guter Lehrer wird.

Doch eines nach dem anderen. Kürzlich war hier auf SPIEGEL ONLINE der Text einer Lehramtsstudentin zu lesen, die sich über zu viel Theorie und zu wenig Praxis in ihrem Studium beschwerte. Das Problem ist jedoch ein anderes: Wer sein Fach nicht mag oder nur aus Verlegenheit studiert, quält sich nicht nur, er oder sie glaubt auch, dass ein Praxisbezug die Inhalte vereinfachen würde. Diese Studenten haben nicht verstanden, dass Lehrer Vermittler zwischen Theorie und Praxis sein müssen. Und dass das eine ohne das andere nicht geht.

Was würde ich also meinen Studenten entgegnen, wenn mich jemand vorwurfsvoll fragen würde: "Wieso müssen wir das lernen? Das brauchen wir nicht. Ich möchte von Ihnen lernen, wie man gut unterrichtet und nicht, was da alles in Goethes Faust steckt oder eine ganze Sitzung lang über eine Kurzgeschichte von Kafka sprechen."

Ich würde Folgendes antworten:

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Erstens: Kein Mensch kann einem anderen Menschen so viel beibringen, dass er es schafft, aus ihm einen guten Lehrer zu machen. Oder, anders gesagt: Was wollen Sie später als Lehrer im Klassenzimmer einem Schüler entgegnen, der sagt, dass er bitteschön auf das Leben und nicht auf Klausuren vorbereitet werden möchte?

Zweitens: Was wollen Sie denn unterrichten, wenn Sie in der Universität nur wenig gelernt haben? Sie stehen in ein paar Jahren vor einer Klasse, müssen 45 Minuten am Stück etwas unterrichten, erklären oder verbessern - und dazu muss man mehr wissen als seine Schüler. Kennen Sie sich mit Ihrem Thema aus, können sie jeden beliebigen Einstieg in die Thematik wählen, jede noch so überraschende Frage oder Assoziation von Ihren Schülern aufnehmen und weiterentwickeln. Egal, ob Sie die Französische Revolution oder Schiller behandeln, Sie wissen so viel darüber, dass Sie den Stoff mühelos im Plauderton vermitteln können. Mühelos, weil Sie Ihr Wissen in zahllosen Diskussionen, Hausarbeiten und Klausuren bereits so durchdacht haben, dass sie damit spielen können.

Denken Sie nur an das letzte schlechte Referat von einem Kommilitonen, das völlig unverständlich gewesen ist, weil der Referierende selbst nicht verstand, wovon er sprach - möchten Sie so vor Ihrer Klasse stehen?

Und die Voraussetzung für diesen mühelosen Plauderton ist, drittens: ein riesengroßes Interesse für das Fach. Ein guter Lehrer braucht nämlich vor allem eines: Begeisterung für seine Themen. Doch genau diese Begeisterung kann ich keinem Studenten beibringen. Sie muss von Anfang an vorhanden sein. Darauf ist das gesamte Universitätssystem aufgebaut.

Diese thematische Bildung, die Sie an der Uni lernen, dürfen Sie dann aber bitte nicht mit Didaktik, Pädagogik und Praxisorientierung verwechseln. Diese Fähigkeiten sind dazu da, dass Sie Ihr Wissen besser rüberbringen können, aber dafür brauchen Sie erst einmal: Wissen.

Wer ohne einen reichen Bildungsschatz und aus Langeweile heraus einfach nur mehr Praxis fordert, will in Wahrheit nur einfacher studieren und argumentiert mit einem utopischen Nirgendwo - denn wie sollen Sie ein begeisterter Lehrer werden, wenn Ihnen selbst die Begeisterung fehlt?

Und jetzt kommen Sie

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