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Millionenbaustelle der Leuphana: Libeskind für Lüneburg

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Protzbau für die Uni Lüneburg Millionengrab in der Heide

Wie extravagant darf ein Uni-Hauptgebäude sein? Die Kosten für den Libeskind-Bau an der Leuphana in Lüneburg könnten die 100-Millionen-Euro-Marke sprengen.

Ein Pianist aus London spielt auf einem Steinway-Flügel, eine Kamera filmt seine Hände, damit die rund 120 Besucher jeden Anschlag auf der Leinwand verfolgen können. Vier schwarze Ledersessel stehen für eine Podiumsdiskussion bereit, eine Teilnehmerin wurde dafür extra aus Australien eingeflogen. Doch vorher dürfen einige Ehrengäste noch lobende Worte sagen.

Die Leuphana Universität Lüneburg feierte am Mittwochabend ihr 25-jähriges Bestehen, und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagt, er sei stolz auf die Hochschule. Dann druckst Weil etwas herum: "Doch" und "leider" müsse er das jetzt aber sagen: Er mache sich auch Sorgen, und zwar um das neue Zentralgebäude der Universität.

Sehr berechtigte Sorgen, könnte man anfügen: Der Bau wird und wird nicht fertig. Die Kosten explodieren. Und woher die vielen fehlenden Millionen kommen sollen, ist bislang unklar. Studentenvertreter sind erzürnt und forderten bereits den Rücktritt ihrer Uni-Leitung. Und staatliche Buchprüfer empfehlen, die Hochschulleitung in Sachen Neubau zu entmachten.

Doch der Ministerpräsident zeigt Nachsicht: "Sei's drum", ruft Weil in die Runde. 25 sei schließlich ein Alter, in dem man noch Erfahrungen sammelt. Und Angst muss die Uni keine haben, im Gegenteil: "Wir stehen zu dem Projekt und halten an ihm fest."

Was Weil das "Projekt" nennt, ist ein 37-Meter-Prunkbau, der auf Modellzeichnungen aussieht als sei ein Raumschiff irrtümlich in der flachen Heide gelandet. Ursprünglich sollte das neue Hauptgebäude mit dem Audimax, entworfen von dem US-Stararchitekten Daniel Libeskind, in diesen Tagen, an Ostern 2014, eröffnet werden. Doch noch ist nicht einmal der Rohbau fertig. Die Form des Baus lässt sich nur erahnen, drei von sieben geplanten Stockwerken stehen. 2016 soll das Denkmal der Extravaganz nun fertig werden.

Stehleuchten für 357.000 Euro

Derzeit scheint es, als würde mit jedem weiteren Monat der Graben zwischen Freunden und Gegnern des schicken Gebäudes tiefer: Auf der einen Seite warnen die Finanzaufsicht des Landes und kritische Studenten vor Geldverschwendung. Auf der anderen geißelt die Uni-Leitung um Präsident Sascha Spoun und seinen Vize Holm Keller die Kleingeistigkeit und Provinzialität der Gegner. Und dank des politischen Beistands aus der Staatskanzlei geben sich die Uni-Chefs betont cool.

Von Anfang an waren die zunächst veranschlagten gut 57 Millionen Euro für das Libeskind-Gebäude vielen nicht geheuer. Im Herbst teilte die Uni dann mit, die Kosten würden auf 76 Millionen Euro steigen. Dann legten der unabhängige Landesrechnungshof und Prüfer aus der Oberfinanzdirektion (OFD) Zahlen vor, die nervös machen: 94 Millionen Euro werden die Gesamtkosten wohl betragen, schätzt der Landesrechnungshof. Die OFD rechnet im schlimmsten Fall sogar mit 125 Millionen. Sehr viel Geld für eine Kleinstadt-Uni mit 8300 Studenten.

Das Gebäude sei "erheblich unterveranschlagt" gewesen, schreibt die OFD in ihrem Bericht. Grund für die gestiegenen Kosten sind demnach eine Reihe ungewöhnlicher "Sonderlösungen": Dazu zählen die Prüfer des Finanzamts etwa ein Wasserbecken für gut 100.000 Euro. Außerdem 200 Bürostehleuchten für 357.000 Euro, die "mehr nach gestalterischen Gesichtspunkten als nach lichttechnischen Erfordernissen" ausgesucht worden seien.

"Das Gebäude hat keinen Schnickschnack"

Uni-Vize Keller findet solche Kritik kleinkariert. "Das Gebäude hat keinen Schnickschnack", sagte Keller SPIEGEL ONLINE, die Kostenentwicklung sei "nicht überraschend". Auch angesichts der neuen Zahlen weist Keller wie schon früher galant jeden Vorwurf zurück. Von der Modellrechnung des Rechnungshofes, der zufolge ein zweckmäßiger Neubau auch für rund 31 Millionen Euro hätte entstehen können, will Keller nichts wissen. "Für ein Nullachtfünfzehn-Gebäude hätte man keine Unterstützung bekommen." Hat die Uni zuerst die Kosten herunter- und dann auf Zeit gespielt, bis keiner mehr zurückkonnte? Nein, sagt Keller. Die Finanzierung sei solide, weder habe die Uni als Bauherr Kosten verschleiert, noch sei die Planung auf Kante genäht.

Dass Keller und Spoun beim Hochschulbau viel freier handeln können als andere Hochschulchefs, liegt auch an der besonderen Rechtsform der Leuphana. Als Stiftungsuni steht sie zwar unter staatlicher Verantwortung, Träger ist jedoch eine Stiftung. Das heißt: Die Hochschulleitung kann relativ autonom agieren.

Rechnungshof will die Uni entmachtet sehen

Doch auch wenn Keller und Spoun gern auf Spender verweisen, die sie mit dem großen Namen Libeskind gewinnen können, stammt ein Großteil des Geldes aus der öffentlichen Hand: Bislang kommen 24,6 Millionen Euro vom Land, sieben Millionen von der Stadt und dem Landkreis und 3,4 Millionen vom Bund. Weitere gut zehn Millionen Euro sind aus EU-Fördermitteln vorgesehen. Außerdem fördern Kirchen und die Firma Rheinzink mit je etwa einer halben Million Euro. Zusätzlich will die Uni laut Wissenschaftsministerium gute fünf Millionen Euro aus Rücklagen finanzieren. Zusammen sind das rund 55 Millionen Euro.

Weiteres Geld soll aus der "Vermietung von Veranstaltungsflächen und der Verwertung von Liegenschaften" fließen. Doch kommen so bis zu 40 Millionen Euro extra zusammen, die der Bau verglichen mit der ursprünglichen Planung mehr kosten wird? Und geht der Bau am Ende gar zu Lasten von Forschung und Lehre, wie Studentenvertreter fürchten?

Sicher nicht, beschwichtigt Uni-Vize Keller. Baukosten von "rund 76 Millionen Euro" seien "ohne Belastung von Forschung und Lehre finanziert". Die Universität beschäftige sich derzeit mit Konzepten zur Absicherung möglicher Mehrkosten. Konkreter wird der Uni-Vize nicht und verweist auf einen Termin Anfang Mai.

Starke Zweifel an dieser Absicherung von Mehrkosten hegt neben den Studenten auch Rechnungshofpräsident Richard Höptner. Er forderte in einer Sitzung des Wissenschaftsausschusses Ende März sogar, der Uni die Bauherrschaft über das Millionenprojekt zu entziehen.

Auch wenn es bis zur Nutzung des teuren Bauwerks in der Heide noch eine ganze Weile dauern wird, einen Zweck für die Lehre hat es bereits erfüllt: In einer Vorlesung zu Projektplanung im Bauwesen an der Leuphana zählte ein Dozent Negativbeispiele für miserable Bauplanung und ausufernde Kosten auf. Die Hamburger Elbphilharmonie war darunter. Und das neue Zentralgebäude der eigenen Universität.

Quiz der Campusbauten: Barbiehaus oder Schweinchenbau?
Foto: LMU

Wir treffen uns in Gebäude C23, Trakt G, Raum 3.2a - das klingt wenig eingängig. Studenten und Dozenten denken sich lieber Spitznamen aus für ihre Uni-Gebäude. Verstehen Sie den Campus-Code? 

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