Leuphana Uni Lüneburg Staatsanwaltschaft überprüft Libeskind-Prachtbau

Libeskind-Bau : "Ein Gau, wenn das Vorhaben platzt"
Foto: Leuphana / DPAWenn sich der Asta-Vertreter anhört wie der Pressesprecher der Universität, klingt das, als würde etwas im Argen liegen. "Wir verstehen uns als eine Uni mit einem sehr modernen Konzept, und da passt dieses Zentralgebäude sehr gut rein", sagt Keno Canzler, BWL-Student im vierten Semester und seit einigen Monaten Asta-Sprecher der Leuphana Universität Lüneburg.
"Dieses Zentralgebäude" hat mehr als zwei Jahre lang die Korruptionswächter der EU beschäftigt - und beschäftigt seit Donnerstag auch die Staatsanwaltschaft Verden in Niedersachsen. "Dieses Zentralgebäude" soll für 60 Millionen Euro vom amerikanischen Stararchitekten Daniel Libeskind gebaut werden. "Dieses Zentralgebäude" könnte nun Millionen an öffentlichen Fördergeldern verlieren, weil das Bauprojekt auf, gelinde gesagt, merkwürdigen Wegen zustande gekommen sein könnte.
Der Libeskind-Bau ist ein Prestigeprojekt von Uni-Präsident Sascha Spoun und seinem Stellvertreter Holm Keller. Jegliche Art angeblicher Mauscheleien ist normalerweise ein gefundendes Fressen für einen Asta. Nicht in Lüneburg: "Der Bau ist sehr wichtig und notwendig", sagt Canzler. Auf die Vorwürfe der EU-Behörde angesprochen, sagt er: "Interessant, dass Sie das ansprechen."
Auch die folgenden Antworten klingen, als hätte der Asta sie in einem Handbuch für Politikerfloskeln abgeschrieben: "Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden. Sofern Fehler begangen wurden, muss die Verantwortung getragen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist alles Spekulation. Die Uni wurde öffentlich an den Pranger gestellt, ohne aus erster Hand zu wissen, wofür."
Uni stellt Eilantrag
Tatsächlich weiß die Uni nicht, was in dem EU-Bericht steht, der vor einigen Tagen an das Niedersächsische Wissenschaftsministerium überstellt wurde. Deshalb versuchte sie am Donnerstag, Informationen zu erzwingen: Die Uni wollte mit einem kurzfristigen Gerichtsbeschluss Einsicht in den Bericht erwirken und stellte einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht in Hannover. Die Sache sei eilig, weil an diesem Freitag ein Treffen des siebenköpfigen Stiftungsrates anstehe. Das Gericht schmetterte den Antrag ab - aus inhaltlichen sowie aus formalen Gründen.
Nun musste der hochkarätig besetzte Stiftungsrat auf Basis von Berichten aus zweiter Hand tagen. Wie der "Weser-Kurier" berichtet, werden in dem EU-Bericht schwere Vorwürfe gegen die Hochschule erhoben: Die Universität hat demnach gegen Vergaberichtlinien verstoßen. Der Auftrag für den Neubau soll an Libeskind vergeben worden sein, ohne ihn vorher auszuschreiben. Libeskind ist nebenberuflich an der Leuphana Universität als Professor beschäftigt. Neben seinen Professorenbezügen hat der Stararchitekt mit der Uni einen Beratervertrag. Aus diesem ungewöhnlichen Anstellungs- und Bezahlungskonstrukt könnten sich - so die EU-Korruptionswächter laut "Weser-Kurier" - "Hinweise auf eine mögliche Vorteilsnahme im Amt oder auf Untreue ergeben".
Die Uni weist die Vorwürfe zurück: Ein Sprecher sagte, es habe weder persönliche Pflichtverletzungen noch Interessenkonflikte gegeben. Die Leuphana ist eine Stiftungsuniversität und kann daher relativ selbstständig agieren.
"Es wäre ein Gau"
Das niedersächsische Wissenschaftsministerium hat den Bericht nun an die Staatsanwaltschaft Verden weitergeleitet. "Für die Landesregierung wäre es sinnvoll, sich mit der Leuphana zu identifizieren, anstatt mit erhobenem Zeigefinger auf die Uni zu zeigen", fordert derweil Asta-Sprecher Canzler. "Es wäre ein Gau, wenn das Bauvorhaben gestoppt würde."
Seit Monaten wird bereits auf der großen Campus-Baustelle gewerkelt. Eigentlich sollte der Neubau Ostern 2014 fertig werden und knapp 60 Millionen Euro kosten. Nun hat die Uni bereits einen finanziellen Mehrbedarf von 7,5 Millionen Euro angemeldet und will eine achtmonatige Bau-Verlängerung beantragen.
Wie steht es jetzt um die Finanzierung? Ursprünglich war eine Mischfinanzierung für den neuen Prachtbau vorgesehen: 21 Millionen vom Land Niedersachsen, 10 Millionen Euro von der EU, 7 Millionen Euro von der Stadt und vom Landkreis Lüneburg, der Rest sollte vom Bund, Kirchen, Sponsoren und aus dem Uni-Etat finanziert werden.
Zieht Niedersachsen seine Finanzierung zurück?
Doch was passiert, wenn die EU ihre Gelder aufgrund der Vorwürfe doch nicht auszahlt? Niedersachsens Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic (Grüne) hatte bereits vor dem rot-grünen Regierungswechsel die Geschäftspraktiken der Leuphana harsch kritisiert. An dieser Haltung hat sich offenbar nicht viel geändert: "Die Uni-Leitung sei nicht ausreichend beaufsichtigt worden", zitiert die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" die Ministerin. Demnach ist sogar offen, ob das Land nach der Kritik seinen Anteil von 21 Millionen Euro überhaupt noch auszahlen kann.
Einzig in dieser Frage klingt der Leuphana-Asta dann doch wie ein Asta: "Es sollten keine finanziellen Mittel aus der Lehre abgezogen werden, um damit den Bau zu bezahlen."