Machtmissbrauch Max-Planck-Gesellschaft will Mobbingvorwürfe mit Anwaltskanzlei aufklären

Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching
Foto: Max-Planck-InstitutGrundlose Schikane, persönliche Beleidigungen und Drohungen: Junge Forscher haben dem SPIEGEL Anfang des Jahres davon berichtet, wie sie von Professoren an einem renommierten Max-Planck-Institut schikaniert worden seien. Die Max-Planck-Gesellschaft bestätigte damals, dass es "Defizite in der Mitarbeiterführung" in der Abteilung einer Professorin gab. Die Wissenschaftlerin, Direktorin des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (MPA), habe daraufhin an einem Coaching teilgenommen und sich durch den beruflichen Alltag begleiten lassen.
Nach dem SPIEGEL-Artikel haben auch "Buzz Feed" und "Nature" über das Mobbing am MPA berichtet. Inzwischen betreut die Professorin laut Christina Beck, Pressesprecherin der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) nur noch zwei Postdocs und einen Doktoranden, "eine Minigruppe".
Doch das Problem greift tiefer: Viele junge Wissenschaftler trauen sich nicht, sich mit ihren Problemen an interne Anlaufstellen zu wenden - zu groß ist die Angst, die eigene Karriere zu ruinieren, wenn man den eigenen Betreuer kritisiert.
Das hat nun auch die MPG erkannt und weitere Schritte eingeleitet, um die Mobbing-Vorwürfe sowie die Anschuldigungen der sexuellen Belästigung aufzuklären. Eine Anwaltskanzlei soll als Anlaufstelle für die jungen Wissenschaftler dienen. "Betroffene können sich an die Kanzlei unter Wahrung absoluter Vertraulichkeit wenden. Die Kanzlei wird die Namen der MPG gegenüber nicht offenlegen", sagte Beck dem SPIEGEL.
Sie ist eine der renommiertesten Forschungsorganisationen der Welt. Viele junge Wissenschaftler bewerben sich um eine Stelle an einem der mehr als 80 Institute und Forschungseinrichtungen, gelten sie doch als Sprungbrett für die Karriere. Die Einrichtungen entstehen um weltweit führende Spitzenforscher herum, die ihre Themen selbst bestimmen, beste Arbeitsbedingungen erhalten und Mitarbeiter frei auswählen können, wie es auf der Website der Max-Planck-Gesellschaft heißt. Finanziert wird die Max-Planck-Gesellschaft je zur Hälfte von Bund und Ländern. Im Jahr 2017 lag die Grundfinanzierung bei etwa 1,8 Milliarden Euro. Hinzu kommen Drittmittel von öffentlichen und privaten Geldgebern sowie der Europäischen Union.
Nach Erscheinen des SPIEGEL-Artikels befragten Mitarbeiter Doktoranden und Postdocs des Instituts. Etwa die Hälfte der 115 Nachwuchswissenschaftler nahm an der Umfrage teil. Nun liegen die Ergebnisse vor: Obwohl die Mehrzahl mit dem wissenschaftlichen Umfeld (61 Prozent) und der sozialen Situation (70 Prozent) am Institut zufrieden ist, berichteten drei Nachwuchswissenschaftler davon, gemobbt worden zu sein. Die Betroffenen sprechen von Beschimpfungen, Misstrauen und Diskriminierung sowie von ungewolltem physischen Kontakt.
Drei Viertel aller Umfrageteilnehmer sind zudem unzufrieden damit, wie das MPA auf den SPIEGEL-Artikel reagiert hat und wünscht sich weitere Maßnahmen, um Mobbing und sexuelle Belästigung zu bekämpfen. Die Teilnehmer hoffen darauf, dass die Vorfälle überprüft werden, sie wollen mehr Transparenz und ein öffentliches Statement zu den Vorfällen.
Sie wünschen sich, dass die Betreuer Pflichtkurse zur Pädagogik besuchen und alle Angestellten darin geschult werden, wie man sexuelle Belästigung erkennt und dagegen vorgehen kann. Eine Wissenschaftlerin sagte dem SPIEGEL, die Situation am Institut sei sehr angespannt. Viele seien enttäuscht darüber, dass sich die Direktorin nicht für ihr Verhalten entschuldigt habe und dass keine Konsequenzen gezogen wurden.
"Niemand wollte ihm helfen"
Auch Andreea Scacioc hat großes Interesse daran, dass die Max-Planck-Gesellschaft endlich etwas gegen das Mobbing unternimmt. Scacioc war im Jahr 2014 Sprecherin der MGP-Doktorandenvertretung PhDnet. Sie sagte dem SPIEGEL, sie habe sich damals für einen Doktoranden eingesetzt, der von der Professorin erst schikaniert und dann mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt worden sei. "Ich bin mit ihm durch alle Beschwerde-Instanzen gegangen, aber niemand wollte ihm helfen." Er bekam zwar zunächst das Angebot, an einem Nachbarinstitut zu promovieren, aber der verantwortliche Betreuer zog das Angebot zurück, offenbar, weil er es sich nicht mit den Direktoren des MPA verscherzen wollte."
Die MPG sei damals über den Fall informiert worden - auch Christina Beck. Die Pressesprecherin widerspricht allerdings: Vor fünf Jahren hätte das PhDnet nicht auf das Mobbing hingewiesen, sondern lediglich auf die ungerechte Bezahlung von ausländischen Doktoranden und Postdocs.
Ihr Professor macht Sie vor anderen schlecht, spricht Ihnen die Fähigkeit ab, wissenschaftlich zu arbeiten? Sie haben das Gefühl, er beutet Sie aus? Er übernimmt Ihre Ideen und gibt sie für die seinen aus? Sie haben sich bereits an eine Ombudsperson oder einen Gleichstellungsbeauftragten gewandt, aber diese konnten Ihnen nicht helfen? Sie fühlen sich diskriminiert? Wenn Sie sich von einem Professor schlecht behandelt fühlen, dann schreiben Sie uns. Schicken Sie uns hier per E-Mail Ihre Erfahrungen.
Mit einer Einsendung erklären Sie sich mit einer anonymen Veröffentlichung auf SPIEGEL ONLINE und sämtlichen anderen Medien der SPIEGEL-Gruppe einverstanden.
Um ihren Unmut über die Art, wie die MPG mit den Vorwürfen umgeht, Luft zu machen, hat Scacioc eine Website mit dem Namen "Academia Leaks" erstellt. Dort bloggt sie über ihre Erfahrungen als Sprecherin der Doktoranden und macht Vorschläge dazu, wie man sich gegen Mobbing wehren kann. "Es ist unglaublich, wie die Max-Planck-Gesellschaft auf die Vorwürfe reagiert. Anstatt dagegen vorzugehen, steckt sie alle ihre Kraft darein, sie zu vertuschen."
Scacioc arbeitet inzwischen an einem anderen renommierten Forschungsinstitut. Sie kündigte an dem Max-Planck-Institut, an dem sie tätig war, weil sie zwar zu 100 Prozent arbeitete, aber nur das Gehalt für eine 65-Prozent-Stelle erhielt. Ihr Arbeitszeugnis erhielt sie mehr als ein Jahr später.
Video: Was tun gegen Mobbing?