Mediziner-Ausbildung Ärzte wollen am Studium herumdoktern

Eine grundlegende Reform des Medizinstudiums hat der Deutsche Ärztetag gefordert. Zu theorielastig, zu praxisfern, zu viele Ankreuztests, lautet die Diagnose.

Ludwigshafen - "Bloß keine Experimente", hieß es in der Mediziner-Ausbildung lange. Wenn die ärztlichen Standesvertreter für Reformen eintraten, dachten sie in erster Linie an eine Reduzierung der Studienplätze. So wollten sie von unliebsamer Konkurrenz verschont bleiben - nach dem guten alten U-Bahn-Prinzip "Wer drin ist, hält die Tür zu".

Inzwischen geht es auch dem Deutschen Ärztetag um bessere statt nur um weniger Ärzte. Eine grundlegende Reform müsse her, forderten die Delegierten am Freitag in Ludwigshafen. Die derzeitige Ausbildung sei zu theorielastig und praxisfern, heißt in einer Entschließung; eine Reform sei Voraussetzung für eine Qualitätsverbesserung in der Medizin.

Im einzelnen verlangten die Ärztevertreter, das Studium mit fächerübergreifendem Unterricht und Kleingruppenarbeit völlig neu zu gestalten. Vor allem müssten hausärztliche und allgemeinmedizinische Kenntnisse mehr Gewicht erhalten. Die bisherige "Arzt-im-Praktikum"-Phase (AiP) soll abgeschafft und durch ein integrierendes Studium ersetzt werden. Die schriftlichen Multiple-Choice-Prüfungen, bei denen aus vorgegebenen Antworten die richtige anzukreuzen ist, müssten weitgehend von praktischen und mündlichen Prüfungen abgelöst werden.

Eine Reform des Studiums sei allerdings nur möglich, wenn die Länder die rechtlichen Voraussetzungen dafür schüfen, dass das Zahlenverhältnis zwischen Dozenten und Studenten verbessert werden könne, so der Deutsche Ärztetag.

Wuchernde Theorie statt früher Patientenkontakt

Bisher ist die Ärzte-Ausbildung zersplittert in eine schier unüberschaubare Zahl von Einzelfächern, die Wissensvermittlung enzyklopädisch statt fallorientiert. Die Studenten bekommen echte Kranke in der Regel erst nach Jahren zu Gesicht. Entsprechend negativ urteilen sie über ihre Ausbildung: Bei Umfragen zur Studienzufriedenheit landet die Medizin regelmäßig auf den hinteren Rängen.

Die Reformvorschläge füllten allein in den neunziger Jahren viele Meter Aktenordner. Doch wegen der starren, bundesweit gültigen Approbationsordnung mussten einige reformwillige Universitäten ihre Pläne zunächst auf Eis legen. Seit etwa einem Jahr gibt es neue Bewegung: Lehrplan-Experimente sind jetzt möglich. Nun erproben die Hochschulen "Problemorientiertes Lernen", Kleingruppen-Unterricht und Lehre nahe am Krankenhausalltag. Zu den Vorreitern zählen unter anderem die private Universität Witten/Herdecke, die Berliner Humboldt-Universität sowie die Universitäten in München, Greifswald und Dresden.

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