Mit 007 im Hörsaal Warum Bonds Reißverschluss-Trick brandgefährlich ist
Auf einem Motorrad rast der smarte Agent einem Flugzeug hinterher, springt über eine Klippe und steigt noch in der Luft in den abstürzenden Flieger ein: wieder einmal Rettung in letzter Sekunde. "Ja, Sie sehen, da hat er noch mal Glück gehabt. Aber eigentlich ist das kein Glück. Es ist ganz selten, dass in Filmen in den ersten Minuten bereits der Hauptdarsteller verstirbt", kommentiert Metin Tolan lakonisch. Die Studenten bei der Weihnachtsvorlesung der Universität Münster lachen.
Kein Glück, sondern angewandte Physik bewahrte 007 bisher vor dem sicheren Tod. So sieht es jedenfalls der Physikprofessor Tolan. Der bekennende James-Bond-Fan betrachtet die 20 Filme gern vom rein wissenschaftlichen Standpunkt. Da wird zunächst das Problem definiert, die Bedingungen werden festgelegt: Wie hoch ist die Geschwindigkeit des Flugzeugs, wie hoch ist die Klippe, wie schwer ist James Bond?
In seinen regulären Vorlesungen an der Uni Dortmund lässt Tolan seine Studenten mit den einzelnen Werten nachrechnen, wie realistisch so eine Szene tatsächlich ist. "Wenn Sie in der Vorlesung nicht irgendein künstlich konstruiertes Beispiel nehmen, sondern etwas, das es wirklich gibt, dann ist das viel wissenschaftlicher, als man denkt. Das ist richtig schwer", sagt er. "Da müssen Sie richtig überlegen, wie schnell das Flugzeug eigentlich ist, und auch mal ein bisschen was schätzen. Das ist viel wissenschaftlicher als irgendwelche akademischen Beispiele."
Die Röntgenbrille ist Quatsch
Den spektakulären Flugzeug-Stunt aus dem Film "Golden Eye" würde Metin Tolan nicht empfehlen - physikalisch eine zu unsichere Sache. Und auch andere Tricks und Schummeleien kann der Wissenschaftler aufdecken: So müsste die magnetische Uhr, mit der James Bond Gegner entwaffnet und Reißverschlüsse schöner Frauen öffnet, etwa eine Billion Grad heiß werden, um zu funktionieren. Und auch die Röntgenbrille, mit der der Geheimagent durch Kleidung sehen kann, ist physikalischer Unsinn.
So viel unterhaltsame Wissenschaft kommt selten vor an der Universität. Der Münsteraner Physiker Wulfhard Lange könnte sich vorstellen, mit solchen Veranstaltungen mehr junge Menschen für die Naturwissenschaften zu begeistern. "Es ist ja auch in der Wissenschaft so, dass es immer darauf ankommt, wie etwas verkauft wird. Und die Lehrpläne der Schulen sind nicht unbedingt dafür geeignet, junge Leute für Physik zu begeistern", so Lange. "Die Möglichkeiten, die Schulen haben, Physik interessant zu machen, sind noch beschränkter, weil eine Veranstaltung wie diese hier schon einen sehr großen Aufwand bedeuten. Das kann ein Lehrer in seinem Unterricht einfach nicht leisten."
Mit einem Augenzwinkern widmet sich Tolan schließlich der wichtigsten aller Fragen: Warum muss der Wodka-Martini geschüttelt sein und nicht gerührt? Die Antwort, meint er, liegt in der Verteilung der Moleküle in dem Longdrink. "Wenn der also gerührt wird, sind alle Moleküle gleich verteilt. Wenn er geschüttelt ist, dann sind die Moleküle, die für den Geschmack verantwortlich sind, ein kleines bisschen weiter an der Oberfläche", erklärt Tolan. "Und deswegen ist meine These: James Bond ist ein Genießer. Der kommt niemals, in keinem Film, dazu, diesen Martini wirklich auszutrinken. Er kann nur immer einen Schluck nehmen. Und dieser Schluck soll wenigstens gut schmecken."
Ganz ohne Formeln und mit kleinen Experimenten zeigt Metin Tolan in der Weihnachtsvorlesung, dass sein Fach nicht so staubtrocken ist wie sein Ruf. Nach den Ferien geht es in Münster aber wohl wieder zurück zur physikalischen Tagesordnung. "Natürlich ist es schöner, wenn eine Vorlesung unterhaltend ist. Aber mittlerweile ist es schwierig, die Sachen, die wir lernen, noch unterhaltsam darzustellen, weil dazu einfach die experimentellen Möglichkeiten fehlen", sagt ein Student zur Weihnachtsvorlesung, "aber och, ein bisschen Unterhaltungswert schadet eigentlich nie."
"Zur Weihnachtsvorlesung ist das in Ordnung. Wenn das sonst in einer Vorlesung nur Larifari ist, ist das eher unlehrhaft, finde ich", so eine Studentin. Und ein Kommilitone: "Es ist ja auch in anderen Ländern, beispielsweise in Amerika, gang und gäbe, dass jeder Professor auch populärwissenschaftliche Arbeiten verfasst und dementsprechend für die breite Bevölkerung was bietet. Das sollte man auf jeden Fall auch nicht unterschätzen."
Von Hilke Janssen,
Campus & Karriere / Deutschlandfunk