Nobel-Uni Stanford Aufruhr gegen Hungerlöhne für Arbeiter

Das Beispiel Harvard macht Schule: Auch an der elitären Uni von Stanford rebellieren Studenten jetzt gegen soziale Missstände. Sie wollen die Hochschule zwingen, Hausmeister, Küchenkräfte oder Putzfrauen besser zu bezahlen.
Von Jochen A. Siegle

"Hier auf dem Campus herrscht ziemlich große soziale Ungerechtigkeit", sagt Molly Goldberg vom Stanford Labor Action Committee (SLAC). "Teilweise verdienen Küchenangestellte, Hausmeister oder Putzfrauen nur 8,50 Dollar pro Stunde." Seit vergangenen Herbst kämpft die Studentenvereinigung mit Kundgebungen und Protesten für eine Erhöhung der Mindestlöhne aller Stanford-Arbeiter - darunter auch die nicht direkt bei der Uni angestellten Subunternehmer.

In der bislang größten Aktion zogen vergangene Woche mehrere hundert Studenten und Gewerkschaftsvertreter über den Campus. Zum Unmut der Stanford-Verwaltung hatten sie sich für die Protestmärsche medienwirksam den "Community Day" - eine Art Tag der offenen Tür - ausgesucht.

Die Uni-Leitung zeigt kaum Verständnis für den jüngsten Aufruhr, hatte das College doch erst im Februar angekündigt, bis zum Ende des akademischen Jahres die Arbeiter-Löhne von 8,50 Dollar auf 10,10 Dollar inklusive Krankenversicherung zu erhöhen. Stanford-Präsident John Hennessy versicherte sogar, dass angemessene Gehälter und "Health Benefits" für alle Angestellten ein "moralischer Imperativ" seien.

"Wir verstehen die Proteste absolut nicht. Schließlich machen wir mit der Erhöhung auf 10,10 Dollar etwas ganz Außergewöhnliches und passen die Löhne denen der Stadt San Jose an", erklärt Chris Christofferson von der Uni-Leitung. Der staatlich festgesetzte Mindestlohn liegt in Kalifornien derzeit bei 6,75 Dollar pro Stunde. "Zudem stecken wir mitten in großen Budgetkürzungen", so Christofferson.

Studentenvertreter beeindruckt das allerdings kaum. "Dieser Schritt ist doch absolut lächerlich", meint Molly Goldberg, "erstens profitiert von den Erhöhungen nur ein Bruchteil der Arbeiter, und zweitens kann in der Bay-Area auch von 10,10 Dollar Stundenlohn niemand vernünftig leben." Zudem seien gewerkschaftlich organisierte Arbeiter von den Maßnahmen ausgeschlossen - was die SLAC für illegal hält. Die Gruppe befürchtet, dass das gesamte neue Lohnprogramm nie umgesetzt wird.

"Wir wollen durchsetzen, dass wirklich alle Arbeiter eine Krankenversicherung und auch Weiterbildungsmöglichkeiten erhalten", erklärt Goldberg, "die meisten können ja nicht mal Englisch." In Eigenregie haben die Studenten daher ehrenamtliche Sprachkurse für ausländische Angestellte - meist lateinamerikanische Einwanderer - organisiert.

Belagerungen wie vergangenes Jahr in Harvard, wo Studenten wochenlang das Verwaltungsgebäude besetzt hielten und Dutzende im Hof campierten, sind bisher nicht geplant - aber auch nicht ausgeschlossen.

Zu Semesterbeginn hatten Aktivisten bereits mit einem Sit-in im Stanford-Hospital dagegen protestiert, dass fest angestellte Hausmeister durch günstigere Arbeitskräfte über Fremdfirmen ersetzt werden. Dabei waren auch einige Studentenvertreter verhaftet worden.

Mit weiteren Aktionen darf also gerechnet werden. Schließlich eifern die "Stanfordians" eigenem Bekunden nach ja auch dem Harvard-Vorbild nach. "Unsere Kampagne ist der von Harvard nachempfunden, wir haben auch gute Kontakte dorthin, was sehr hilfreich ist", erklärt Goldberg. "Und wir hoffen natürlich, dass wir ebenso erfolgreich sein können."

Die Harvarder "Living Wage"-Kampagne war im Nachhinein sogar fast wirksamer als ursprünglich geplant: Laut Harvard-Pressesprecher Joe Wrinn hat die Uni die Löhne in verschiedenen Bereichen sogar stärker erhöht, als es die Protestler vor einem Jahr forderten. Und eine College wolle auch nicht direkt bei der Uni Beschäftigte zu denselben Konditionen entlohnen wie Harvard-Arbeiter.

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