
Trinkspiele zur Präsidentschaftsdebatte: Beim Wort Iran wird geext
Studenten-Spiele zur TV-Debatte Bechern für Obama
Libyen. Osama Bin Laden. Griechenland. Amerika wartet auf die Stichworte von Mitt Romney und Barack Obama im Fernsehduell. Bryn, Marianna, Rafael und Chris hängen besonders aufmerksam an den Lippen der Präsidentschaftskandidaten. Deren Worte sind nicht nur ein Grund zu klatschen und zu buhen und zu entscheiden, wen man wählen wird. Sie sind auch ein Signal, die Gläser zu heben. "Libyen" bedeutet für die Studenten der New York University (NYU): Nimm einen Schluck. "Iran": Austrinken. Sagt einer "Griechenland", gibt es Ouzo. Sollte Mitt Romney "Sozialismus nach Französischem Vorbild" erwähnen, wird Rotwein geschluckt.
Für viele Amerikaner sind die Präsidentschaftsdebatten ein geselliges Event. Die Frage "Und wo schaust Du?" ist vorher so allgegenwärtig wie beim WM-Finale in Deutschland. Die meisten versammeln sich vor dem Fernseher mit Freunden, etwa in einer Bar. Ohne Gesellschaft zum gemeinsamen Lästern und Jubeln machen die Fernsehdebatten nur halb so viel Spaß.
Und einige verwandeln das Ereignis eben in ein Trinkspiel: Viele Zeitungen publizieren eigene Regeln, auch einige Betriebe und Universitäten veröffentlichen "ihre" Liste mit Schlagworten im Internet. Verwendet der Präsident eines davon, heben die Spieler vor dem Bildschirm das Glas.
Schräge Regeln, hoher Pegel
Es ist die dritte Fernsehdebatte vor den Wahlen und diesmal geht es um Außenpolitik. Als der Moderator Bob Schieffer die Debatten eröffnet, jubeln die Zuschauer vor der Riesenleinwand des "Galapagos" im New Yorker Viertel Dumbo in Brooklyn. Kaum sind zwei Minuten verstrichen, klirren die Gläser der NYU-Studenten: Mitt Romney kritisiert das Vorgehen der Regierung bei den Attacken in Libyen und gratuliert dem Präsidenten ein paar Sätze später zur Ergreifung von Osama Bin Laden - alles Trinkstichpunkte auf der Liste. Beim letzteren wird sogar zwei Mal gebechert: Die Regeln besagen, dass man seinem Nachbar einen Drink in den Mund gießen muss, wenn einer der Kandidaten ein unehrliches Kompliment macht.
Die NYU-Studenten spielen nach den Regeln ihrer Universität. Die Debattentrinkspiele gibt es aber für jeden Geschmack. Die feministisch-ironische Seite "Jezebel" veröffentlicht eine Ausgabe "für Ladies", zum Beispiel: "Jedes mal, wenn jemand Mütter erwähnt, sende deiner Mutter eine betrunkene SMS, in der du dich für alles bedankst, oder sie dafür beschimpfst, wie sehr sie dich vermasselte." Die Macho-Seite brobible.com schlägt eigene Regeln vor, zu denen es auch gehört, einen Joint zu rauchen, wenn einer der Kandidaten von "grünen Jobs" spricht.
Es gibt Spielvarianten aus dem konservativen und liberalen Lager; Trinkspiele, bei denen man für einen Kandidaten bechert, und überparteiliche, es gibt ernstgemeinte und ironische. So muss man bei einer Version "Gangam Style" tanzen, wenn einer der Kandidaten Waffenkontrolle erwähnt. Eine andere Seite schlägt vor, eine extragroße Pulle Schnaps runterzustürzen, wenn Barack Obama und Mitt Romney sich zärtlich umarmen, küssen, oder die Wahl abblasen.
Wo bleibt die Obama-Euphorie?
Nach 45 Minuten mussten die Gläser im "Galapagos" schon vier Mal nachgefüllt werden. Die Stimmung wird immer ausgelassener und Marianna muss kurz nach draußen, frische Luft schnappen. "Für Obama laufen die Debatten super", sagt Marianna. "Für mich laufen sie langsam aus der Kontrolle."
Die meisten Besucher von "Galapagos" fiebern für den Präsidenten. "Ohne ihn hätte ich keine Versicherung", sagt Rafael. "Und wer weiß, wie viel mehr Studienschulden." Die Gesundheitsreform erlaubt amerikanischen Studenten, bei ihren Eltern mitversichert zu sein, bis sie 26 sind. Vielen gefallen auch die neuen Regeln zu Studienkrediten.
Die Enttäuschung der Studenten liegt vor allen Dingen an fehlenden Jobs. "Obama kann nichts dafür. Es war die Krise", sagt Anna, 24. "Trotzdem ist es frustrierend, wenn du die Uni mit einem Berg Schulden verlässt um wieder bei deinen Eltern einzuziehen." Anna studierte Physik, nach der Uni fand sie zwar einen Job, viele ihrer Kommilitonen aber nicht. "Es wird jetzt keine Wahl zwischen zwei Übeln, aber bei den jungen Leuten bleibt die Euphorie diesmal aus."
Im "Galapagos" ist jedenfalls der Triumph zu spüren. Nachdem die Kandidaten sich die Hände geschüttelt haben und das Trinkspiel vorbei ist, wird angestoßen. Der Präsident hat sich gut geschlagen, finden viele Kommentatoren. Vor den Türen johlt jemand: "Vier Jahre! Ja! Nochmal vier Jahre!" Vielleicht gibt es sie doch noch, die Obama-Euphorie. Vielleicht sind auch zu viele Shots im Spiel gewesen.