Plagiatsaffäre Guttenberg soll bei Doktorvater abgeschrieben haben

Hat Ex-Minister Guttenberg sogar aus dem Buch seines Doktorvaters Häberle abgekupfert? Ein neuer Bericht der Webseite GuttenPlag Wiki legt das nahe. Einige Fußnoten in dem Standardwerk und in der Promotionsschrift ähneln sich. Sogar ein Tippfehler aus Häberles Buch schaffte es in die Doktorarbeit.
Umstrittene Doktorarbeit: Die Plagiatjäger flöhen weiter

Umstrittene Doktorarbeit: Die Plagiatjäger flöhen weiter

Foto: Daniel Karmann/ dpa

Gegen Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft Hof, am Rosenmontag wurde der Ex-Minster Zielscheibe für Hohn und Spott der Karnevalisten, Motto: "Kopieren statt studieren".

Ein neuer Bericht der Webseite GuttenPlag Wiki legt nun nahe, der Freiherr könnte beim Erstellen seiner Doktorarbeit sogar bei seinem Doktorvater abgekupfert haben. Guttenbergs Dissertation enthalte an 29 Stellen Fragmente aus Peter Häberles Standardwerk "Europäische Verfassungslehre", berichteten Autoren der Webseite "GuttenPlag Wiki" am Mittwoch .

In der Arbeit Guttenbergs und in der 2006 erschienen 4. Auflage von Häberles Buch wollen die Plagiatjäger insgesamt 234 übereinstimmende Zeilen gefunden haben. "Wie mit einer Gießkanne" habe der Ex-Verteidigungsminister seine Dissertation mit der wissenschaftlichen Arbeit seines Doktorvaters "besprenkelt". Damit sei Häberles Buch in den Top 10 der meistkopierten Quellen.

Vgl. Häberle, "Europäische Verfassungslehre", 2006

Allerdings handelt es sich bei den Stellen nicht um Fließtext aus Häberles Buch, sondern um Fußnoten. Die Ähnlichkeiten sind jedoch äußerst auffällig: Häberle listet in einer Fußnote seines Buches "Europäische Verfassungslehre" auf Seite 76 nach der einleitenden Zeile "Aus der deutschen Lit. zu 'Maastricht'" mehrere Titel von Monografien und Aufsätzen verschiedener Autoren auf. In der Guttenberg-Doktorarbeit lautet der einleitende Satz "Vgl. insgesamt zum Maastrichter Vertrag aus der ausufernden Literatur" - danach folgt leicht umformuliert dieselbe Liste von Werken wie bei Häberle.

Die Wiki-Autoren belegen mehrere ähnliche Stellen in den Fußnoten Häberles und Guttenbergs. Die Doktorarbeit verweise damit auf wissenschaftliche Werke, die auch Häberle für wichtig erachte. Den Copy-and-Paste-Verdacht erhärte, dass sich auch ein Tippfehler aus Häberles Standardwerk in der Doktorarbeit von Guttenberg wiederfinde. In einer Fußnote steht in Häberles Original einmal ein falscher Autorenname, "R. Steinberger", neben einer Arbeit zum Maastricht-Vertrag. Im Rest des Häberle-Buches werde der Autor Helmut Steinberger aber korrekt als "H. Steinberger" abgekürzt.

Im Werk Guttenbergs dagegen findet sich die falsche Namensnennung "R. Steinberger" nicht nur in der Fußnote, sondern auch im Literaturverzeichnis der Doktorarbeit wieder. Für die Wiki-Autoren ein Hinweis, dass Guttenberg das Original von Steinberger vermutlich nicht selbst zur Hand genommen hat, sondern die Quellenangabe seine Doktorvaters aus dessen Fußnote übernahm.

Kann das einem Doktorvater nicht auffallen?

Das Vorgehen zeige, dass "an vielen Stellen der Arbeit nicht einmal der Versuch einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung unternommen wurde", urteilen die Wiki-Autoren. Die Dokumentation und Einordnung von Quellen sei jedoch Kern wissenschaftlicher Textarbeit.

Peter Häberle, 76, Staatsrechtskoryphäe und Professor im Ruhestand, und Zweitkorrektor Rudolf Streinz, geboren 1953, Professor für Öffentliches Recht an der LMU München, antworten auf die Frage, warum ihnen die vielen fragwürdigen Stellen nicht aufgefallen waren, seit Beginn der Guttenbergschen Plagiatsäffäre schmallippig. "Ich habe zu sehr vertraut", sagte Streinz im SPIEGEL-ONLINE-Interview. In einer gemeinsamen Stellungnahme am Montag wiesen Streinz und Häberle die Verantwortung weitgehend von sich. Zu der vielfach gestellten Frage, wie ihnen die vielen inzwischen dokumentierten Plagiate entgehen konnten, kommt nun wohl eine weitere: Kann ein Doktorvater übersehen, wenn sich ein Promovend in dessen eigenem Standardwerk bedient?

Im GuttenPlag Wiki überprüfen Internetnutzer gemeinsam Guttenbergs Doktorarbeit. Durch die zahlreichen Funde war der Druck auf den Politiker stark gewachsen. Er trat Anfang März zurück. Parallel wird die Arbeit derzeit noch von der fünfköpfigen Kommission für Selbstkontrolle in der Wissenschaft an der Universität Bayreuth überprüft. Diese Ermittlungen können sich noch Monate hinziehen. Zentrale Frage: Gab es bei Guttenbergs zweifelfrei unsauber erstellten Arbeit einen Täuschungsvorsatz? Die Universität selbst war auf diese Frage nicht eingegangen, als sie Guttenberg auf dessen Anregung hin den Titel aberkannt hatte.

Die deutsche Öffentlichkeit ist offenbar bereit, Guttenberg seine wissenschaftlichen Fehltritt zu verzeihen. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des "Stern" ergab: 62 Prozent der Deutschen wünschten sich den gefallenen Minister zurück. Paradoxerweise halten 69 Prozent den Rücktritt allerdings für richtig. Allerdings gibt es auch deutlichen Widerstand gegen eine Guttenberg-Rückkehr in allen Lagern. So ist ein Fünftel der CDU-Anhänger und sogar jeder Vierte CSU-Anhänger dagegen, dass der Freiherr wieder ein politisches Amt übernimmt.

cht/fln/dpa
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