Plagiatsaffäre Guttenbergs Prüfer schieben die Schuld auf Google

Umstrittene Doktorarbeit: "Hoher Grad der Durchdringung des Themas in allen Facetten"
Foto: Daniel Karmann/ dpaSie schämen sich ein bisschen, das kann man verstehen. Der Doktorand, den sie betreuten und dessen Arbeit sie mit "summa cum laude" bewerteten, ist aufgeflogen, als Plagiator. Karl-Theodor zu Guttenberg verlor seinen Doktorgrad, sein Amt als Verteidigungsminister; die Staatsanwaltschaft Hof ermittelt wegen des Verdachts der Urheberrechtsverletzung.
Klar, dass die beiden renommierten Rechtswissenschaftler bangen; ihr guter Ruf hat gelitten, ihre wissenschaftlichen Karrieren sind kontaminiert . Peter Häberle, der Doktorvater, und Rudolf Streinz, der Zweitgutachter, schwiegen lange. Dann, spät, gingen sie auf Distanz zu Guttenberg, jeder für sich. Von "unvorstellbaren Mängeln" sprach Häberle, die "schwerwiegend und nicht akzeptabel" seien. Streinz sagte im Interview mit SPIEGEL ONLINE: "Ich habe zu sehr darauf vertraut, dass Arbeiten korrekt angefertigt werden."
Bei beiden schwingt immer auch mit: Wir konnten nichts dafür. Es sind Versuche der Rechtfertigung.
Jetzt haben die Rechtswissenschaftler eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, die wenig zur Klärung des Falls beiträgt, mit der sie aber die Verantwortung für die Affäre weit von sich weisen - und mit der sie zeigen, dass sie von der Internetseite mit Namen Google wohl erst ziemlich spät erfahren haben.
"Google wies noch nicht die feinjustierte Suchmethode auf"
"In der Diskussion über die Arbeit sollte man sich stets vor Augen halten, dass die Überprüfung von Dissertationen mit technischen Mitteln 2006 nicht üblich war und bis heute verbreitet (noch) nicht üblich ist", schreiben sie in dem Text, der am Wochenende auf den Internetseiten der Uni Bayreuth veröffentlicht wurde. Das stimmt so weit: Wenige Doktorväter setzen bis heute Programme ein, um Plagiate aufzuspüren. Dann allerdings behaupten die Professoren, die "Erkennung von Plagiaten mit den seinerzeit vorhandenen technischen Mitteln" sei kaum möglich gewesen. "Selbst Google wies noch nicht die feinjustierte Suchmethode wie heute auf."
Welche für die Plagiatserkennung relevanten Suchmethoden Google in den vergangenen fünf Jahren feinjustierte, ist nicht ganz klar. Was allerdings klar, den Juristen aber offenbar nicht bewusst ist: Auch vor fünf Jahren ließen sich Sätze aus einer Doktorarbeit in den Suchschlitz bei Google tippen. Auch damals hätte so eine Suche entsprechende Textstellen in Zeitungsartikeln und anderen Arbeiten gezeigt, aus denen sich Guttenberg bediente.
Ziemlich perplex sind denn auch Plagiatsjäger wie Debora Weber-Wulff, Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, als sie von der Professoren-Erklärung erfährt: "Bei dem Ausmaß des Plagiats hätte man beliebige Seiten aus der Dissertation Guttenbergs nehmen können und hätte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit etwas gefunden."
Sie testet seit fast zehn Jahren Plagiatssoftware und kommt immer wieder zu dem Ergebnis: Googeln bringt mehr. Bereits im Jahr 2002 berichtete sie für SPIEGEL ONLINE darüber, wie sich Ideendiebe erwischen lassen. Ein Jahr später schrieb sie in der Professoren-Zeitschrift "Forschung und Lehre" über die Jagd auf Plagiatoren: "Es ist keine besondere Software dafür notwendig, eine gute Suchmaschine wie www.google.de reicht und etwas Geschick bei der Eingabe von Suchbegriffen."
Lob für Guttenbergs Dissertation
Zu den Juristen Häberle und Streinz scheint nicht durchgedrungen zu sein, dass weder spezielle Fähigkeiten noch Profi-Software erforderlich ist, um Plagiatoren zu entdecken. Der Rest ihrer Erklärung besteht im Wesentlichen aus bekannten Argumenten. Man kannte Guttenberg aus Seminaren, man habe ihm vertraut, er habe sich in der mündlichen Prüfung gut geschlagen. Der Doktorand sei verantwortlich dafür, wissenschaftliche Regeln einzuhalten. Selbst jetzt loben sie noch die Qualität der Dissertation: "Ohne Kenntnis der vorgeworfenen Plagiate zeichnete sich die Arbeit aus durch einen hohen Grad der Durchdringung des Themas in allen seinen Facetten."
Andere Professoren warfen den beiden Versagen vor. "Wenn ein junger Wissenschaftler der Uni Bremen in einer Rezension (bei der man normalerweise nicht jede Zeile durchleuchtet) schon beim Überfliegen heftigste Déjà-vu-Erlebnisse hat, muss man fragen, warum Guttenbergs Erst- und Zweitgutachter seinerzeit nichts aufgefallen ist", kommentierte etwa Dirk Matten, Professor der Betriebswirtschaftslehre an der York University in Toronto, auf SPIEGEL ONLINE.
Guttenbergs Betreuer geloben Besserung, jedenfalls ein bisschen. Künftig sollen, so schreiben sie in ihrer Erklärung, auch Doktorarbeiten einem digitalen Check unterzogen werden: "Im Interesse aller Beteiligten dürften künftig entsprechende technische Vorprüfungen auch bei Dissertationen vorzuschalten sein."
Allerdings müsste jemand den Professoren dann auch erklären, wie so etwas funktioniert.