Politisches Mandat Klagen, nichts als Klagen
Der Zwist um das politische Mandat der Asten ist eine schier unendliche Geschichte von politischen Zerwürfnissen an den Hochschulen, Klagen, Gerichtsentscheidungen und Gesetzesänderungen. Was jetzt der NPD-Aktivist in Trier versucht, haben vor ihm schon viele Kläger an anderen Hochschulen getan - mal konnten sich die Asten vor Gericht durchsetzen, mal wurden ihnen empfindliche Strafen aufgebrummt.
Vor gut 40 Jahren war das noch anders, die Welt der deutschen Hochschulen überschaubar und heimelig, die Studentenschaft ziemlich konservativ. So unterhielten Asten "Vertriebenen-Referate" oder veranstalteten bis in die sechziger Jahre Fackelmärsche zum 17. Juni. Zur Frage der allgemeinpolitischen Betätigung hatten sie ein recht entspanntes Verhältnis. Im Zuge der Studentenrevolte gewannen linke Gruppierungen die Oberhand an den Universitäten. Schon in den siebziger Jahren reihten sich dann die Prozesse um das politische Mandat, in den achtziger Jahren kehrte allmählich wieder Ruhe ein.
Vor zehn Jahren ging es erneut los. Den Stein ins Rollen brachte die umstrittene Satire "Wie ich einmal bei der RAF war" 1994 in einer Münsteraner Studentenzeitung. Anschließend piesackte René Schneider, ein Jurastudent mit einigen dutzend Semestern auf der Uhr, die Studentenvertreter der Universität Münster mit immer neuen Klagen. Mehrfach verboten Gerichte dem linken Asta "nicht unmittelbar hochschulbezogene Stellungnahmen".
Strafzettel vor Gericht
In Münster hörte der Spuk erst auf, als das Verwaltungsgericht René Schneider das Klagerecht wegen "missbräuchlicher Einschreibung" entzog - nach 45 Semestern studiere Schneider nur noch, um klagen zu können. Längst hatte die Prozesslawine aber auch andere Asten überrollt. Manchmal gewannen sie, oft gab es vor Gericht Strafzettel, wenn Asten sich etwa zu Themen wie Castor-Transporte oder Flüchtlinge geäußert hatten. Teuer wurde das zum Beispiel in Bremen, Berlin, Wuppertal oder Gießen. Oder in Marburg, wo rechte Burschenschafter um Eike Erdel vom "Republikanischen Hochschulverband" den Asta an den Rand des Ruins brachten.
Die Grundfrage blieb immer dieselbe: Dürfen sich Asten nur zur Hochschulpolitik äußern oder auch zu Themen jenseits des akademischen Tellerrands? Die Kläger kommen meist aus dem Dunstkreis des Ringes Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), bisweilen auch - wie in Marburg oder Trier - auch von noch weiter rechts. Deshalb werfen ihnen linke Studentenvertreter gern vor, aus purem Frust, keinen Fuß in die Asta-Tür zu bekommen, zu klagen.
Das mag im Einzelfall stimmen, trifft aber nicht den Kern der Sache. Die Kläger argumentieren mit dem "studentischen Zwangsverband": Die Studenten können sich - anders etwa als bei Gewerkschaften - nicht frei entscheiden, ob sie einen Asta finanzieren wollen. Durch die Semesterbeiträge müssen alle zahlen. Da könne ein Asta nicht einfach Allgemeinpolitik betreiben, dafür gebe es schließlich Parteien, Verbände und Vereine, meinen die Kritiker der Asten. Hinzu kommt das alte Problem der mickrigen Wahlbeteiligung: An den meisten Hochschulen finden nur zwischen 5 und 20 Prozent der Studenten den Weg zu den Urnen. Damit ist die Studentenvertretung durchweg nur schwach legitimiert. Trotzdem verfügen die Asten durch die Pflichtbeiträge aller Studenten über enorme Finanzmittel, mit denen sie mitunter ziemlich lax umgehen.
"Die Welt endet nicht am Campus-Rand"
Linke Studentenvertreter indes halten die Trennung zwischen Hochschulpolitik und allgemeiner Politik für künstlich und lebensfremd. Sie sehen beispielsweise enge Zusammenhänge zwischen Stellenkürzungen an der Uni und dem Sozialabbau sehen oder sich auch im Interesse ausländischer Studenten gegen Rassismus zu Wort melden wollen. "Die Welt endet doch nicht am Campus-Rand", ärgert sich zum Beispiel Nele Hirsch vom Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs), einem bundesweiten Dachverband, dem sich rund 80 Studentenvertretungen angeschlossen haben. "Wir machen Politik als Studierende und brauchen das politische Mandat, um arbeiten zu können", sagt Nele Hirsch.
Das jüngste Beispiel für die Zwickmühle der Asten ist Berlin: Anfang November verurteilte das Verwaltungsgericht die Studentenschaft der Freien Universität zu einem Ordnungsgeld von 15.000 Euro verurteilt, unter anderem wegen des Hinweises auf eine Veranstaltung zum Irakkrieg und einer Irak-Resolution, aber auch wegen der Verlinkung eines Demonstrationsaufrufes und sogar wegen der Mitgliedschaft im fzs. Bereits zuvor hatte der FU-Asta bei Prozessen einige Schlappen kassiert, gerade deshalb fiel das Ordnungsgeld nun so hoch aus. Der Asta will sich dazu noch nicht äußern und zunächst Beschwerde einlegen.
Entscheidend ist jeweils die Rechtslage in den Bundesländern. Die rot-grüne Bundesregierung wollte vor zwei Jahren mit dem neuen Hochschulrahmengesetz auch die endlosen Konflikte um die Aufgaben und Rechte der Asten beilegen, doch das Gesetz steht derzeit beim Bundesverfassungsgericht auf dem Prüfstand - hauptsächlich wegen des Verbots von Studiengebühren, aber auch wegen der Verfassten Studentenschaften.
Im Schwitzkasten von Roland Koch
Das Hochschulrahmengesetz nennt einen recht umfangreichen Aufgabenkatalog für die Studierendenschaften. Sie sollen zum Beispiel "die Meinungsbildung in der Gruppe der Studierenden ermöglichen, die Belange ihrer Mitglieder in Hochschule und Gesellschaft wahrnehmen", Stellungnahmen zu hochschul- oder wissenschaftspolitischen Fragen abgeben sowie "auf der Grundlage der verfassungsmäßigen Ordnung die politische Bildung, das staatsbürgerliche Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft ihrer Mitglieder zur aktiven Toleranz sowie zum Eintreten für die Grund- und Menschenrechte fördern". Im Gesetz heißt es außerdem: "Die Studierendenschaft und ihre Organe können für die Erfüllung ihrer Aufgaben Medien aller Art nutzen und in diesen Medien auch die Diskussion und Veröffentlichung zu allgemeinen gesellschaftlichen Fragen ermöglichen."
In Rheinland-Pfalz, wo NPD-Aktivist Safet Babic gerade den Trierer Asta verklagt, lehnt sich das Hochschulgesetz sehr eng an diesen Text an. Ergänzt hat das Land allerdings den Passus: "Umfang und Kosten der Mediennutzung zu allgemeinen gesellschaftlichen Fragen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang und Kosten aller Aufgaben der Studierendenschaft stehen. Eine überwiegende Nutzung zu allgemeinen gesellschaftlichen Fragen ist unzulässig."
Bayern und Baden-Württemberg haben das leidige Problem mit den lästigen linken Asten schon in den siebziger Jahren ganz anders gelöst - die Südstaatler schafften die Verfassten Studentenschaften einfach ab. Eine andere hübsche Idee, um Studentenvertreter zu ärgern, hat Hessens Landesregierung um Roland Koch ausgebrütet: Wahlenthaltung soll in Hessen künftig finanziell belohnt werden; wenn nur wenige Studenten wählen gehen, müssen alle Studenten geringere Beiträge zahlen.