Der Tag fängt früh an für die 700 Absolventinnen und Absolventen der Bonner Uni. Morgens um 7.15 Uhr warten die ersten vor dem Dekanat der philosophischen Fakultät, um ihre Kleidung für die Abschlussfeier abzuholen: einen schwarzen, knöchellangen Talar und das passende Barett dazu, die viereckige Kopfbedeckung der Gelehrten - alles sauber eingeschweißt in einem handlichen Plastikbeutel und in unterschiedlichen Größen.
Zum ersten Mal feiern die Studenten der Bonner Uni ihren Abschluss im großen Rahmen und fakultätsübergreifend - zusammen mit Freunden und Verwandten, nach amerikanischem Vorbild wie in Harvard und anderen edlen US-Unis. Auf der Hofgartenwiese vor dem barocken Hauptgebäude der Uni sind vor einer ausladenden Bühne Tribünen aufgebaut mit Sitzplätzen für rund 2500 Leute.
20 Euro Miete für Talar und Hut
Andreas Jöris kümmert sich um die Talar-Ausgabe: "Wie groß bist Du ungefähr? 1,70? Dann, Augenblick, dann versuch doch mal bitte den hier: Das ist der Talar und der Hut. Und da vorne gibt's dann noch die Schärpe und den Anhänger für den Hut."
Als der Mann von Dorothee Stock, die gerade ihren Magister gemacht hat, vor ein paar Jahren sein Chemie-Studium beendete, konnte er sich sein Zeugnis in der Uni abholen. Das war's.
Dorothee freut sich, dass diese Zeiten vorbei sind, und es eine gemeinsame Abschlussfeier für alle Absolventen gibt. Voraussetzung fürs Mitfeiern sind Talar und Barett, die es für eine Leihgebühr von 20 Euro in den Räumen der jeweiligen Fakultät gibt. Für Dorothee sind die Talare eine Spielerei. Ob sie getragen werden oder nicht sei ihr egal, sagt die Studentin
Für die Veranstalter ist die traditionelle Kleidung aber mehr als bloßes Beiwerk. Seit 150 Jahren schon wird die ursprünglich mittelalterliche Akademiker-Tracht in Bonn von Rektor und Dekanen zu feierlichen Anlässen getragen. Mit dem diesjährigen Abschlussfest wollen sie nun an die bis heute lebendige angloamerikanische Tradition der "caps and gowns" anknüpfen.
Mit der Renaissance der Roben will die Bonner Uni innerhalb der deutschen Hochschul-Landschaft ein äußerlich sichtbares Zeichen setzen. "Es geht uns um eine Kultur der Anerkennung", sagt Pressesprecher Andreas Archut, "wir möchten dokumentieren, für jedermann ersichtlich, dass uns unsere Absolventen etwas wert sind und dass auch die Ausbildung, die sie hier genossen haben, etwas wert ist. Darum verabschieden wir unsere Absolventen würdevoll."
Kultur der Anerkennung
Über die unmittelbare Anerkennung der Leistungen eines bestimmten Uni-Jahrgangs hinaus geht es aber auch darum, die ehemaligen Studenten langfristig an ihre Alma Mater zu binden. In Zeiten leerer Kassen und in einer Zeit der Evaluierung und Profilbildung deutscher Hochschulen bietet die Alumni-Kultur - also der enge Kontakt zu ehemaligen Studierenden - eine Chance für die Hochschulen. Auch in finanzieller Hinsicht.
Rektor Matthias Winiger betont jedoch, das stehe nicht im Vordergrund. Von einer tragenden Säule könne man nicht sprechen und müsse das ganz realistisch sehen im Vergleich zu Universitätsbudgets von annähernd einer Milliarde Euro, wenn man alles zusammen nehme. Bei den Spenden gehe es also um "Kleckerbeträge" - aber von hohem Symbolwert.
"Und sie geben uns die Möglichkeit, nicht festgelegte Ausgaben zu machen", so der Bonner Rektor. "Natürlich - wir kennen das von amerikanischen und englischen Beispielen - entwickeln sich aus vielen Alumni-Clubs tatsächliche Sponsoren-Gemeinschaften. Davon sind wir weit, weit entfernt. Schön wär's, vielleicht ist es ein Fernziel, aber im Moment brauchen wir einfach die Unterstützung der Bürgerschaft, der Absolventinnen und Absolventen."
Prominente Unterstützung erhalten sie von Fernsehmoderator und Alumnus Ulrich Wickert, der 1968 in Bonn sein Jura-Studium abgeschlossen hat. Ein Jahr zuvor, im Herbst '67, hatten Studenten in Hamburg heftig dagegen protestiert, dass Hochschullehrer Talare tragen - für sie ein Ausdruck mangelnder Auseinandersetzung mit der Nazi-Zeit und veralteter Hochschulstrukturen.
Wickert rebellierte einst "mit großer Freude"
Die Veranstaltung in Bonn hat deshalb auch ihre Kritiker, die das Revival des Ornats als rückwärtsgewandt empfinden.
Ulrich Wickert sieht das anders: "Ich habe mit großer Freude, als ich damals hier in Bonn studierte, den Satz 'Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren' laut gerufen", erinnert sich der "Tagesthemen"-Moderator, "das war aber etwas anderes, weil wir damals gesagt haben: Unter den Talaren der Magnifizenzen und Spektabilitäten steckt einfach Muff. Wir haben damals geglaubt, und das war vielleicht auch so, dass die Talare in sich schon Autorität ausdrücken sollten. Aber Autorität braucht Inhalte, und das hat sie heute."
Gastgeber und Gäste der deutschlandweit ersten Uni-Abschluss-Feier in großem Stil, mit vollem Ornat, waren jedenfalls sehr zufrieden mit der Premiere - die anderen zwei Drittel der insgesamt 2000 Absolventen des Jahrgangs waren allerdings von vornherein zuhause geblieben.
Von Svenja Üing, "Campus & Karriere" / Deutschlandfunk
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