Praktikanten-Lohnumfrage Unterbezahlt, aber glücklich

Student im Praktikum (Archiv): Verdienst weit unterhalb des Mindestlohns
Foto: CorbisWas ist wichtig für ein gutes Praktikum? Die Bezahlung offenbar nicht. Eine am Donnerstag veröffentlichte Befragung zeigt, dass es Praktikanten vor allem darauf ankommt, viel zu lernen. Geld und Arbeitszeit haben dagegen nur einen geringen Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Praktikum.
"Mich hat überrascht, dass die Vergütung eine so untergeordnete Rolle spielt", sagt der Magdeburger Marketing-Professor Marko Sarstedt, der die Praktikantenbefragung für die Jobbörse Absolventa und die Personalberatungsfirma Clevis wissenschaftlich begleitet hat. "Ein Praktikum wird ganz überwiegend als Qualifizierung gesehen."
Für den Praktikantenspiegel wurden 2014 mehr als 7.500 Praktikanten befragten, die meisten davon waren noch im Studium. Im Schnitt verdienten die Befragten während ihres Praktikums gut 771 Euro im Monat. Würde für sie wie für andere Beschäftigte der gesetzliche Mindestlohn greifen, müssten sie also knapp das Doppelte erhalten.
Schwachpunkt der Erhebung: An ihr haben sich besonders viele Studenten aus Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften beteiligt und die streben tendenziell in Branchen, die höhere Gehälter zahlen. Gut möglich also, dass der Durchschnittslohn der Praktikanten noch einmal deutlich niedriger liegt. Außerdem war die Zahl der auswertbaren Antworten in manchen Branchen mit zwei bis drei Dutzend so gering, dass die Studie für diese nur wenig aussagekräftig ist.
Trotzdem liefert die Erhebung einige aufschlussreiche Ergebnisse:
Die Verdienstunterschiede fallen zum teil gravierend aus. Für ein Praktikum in einer Beratungsfirma etwa, bei einem Wirtschaftsprüfer oder einer Anwaltskanzlei erhielten die Befragten im Schnitt 920 Euro. Auch wer bei Banken oder Versicherungen hospitiert, verdient mit 889 Euro überdurchschnittlich. Wer ein Praktikum im Kultur-, Freizeit oder Sportbereich absolviert, kommt dagegen nur auf 545 Euro. Im Medienbereich wurden die Praktika der Befragten nur mit 564 Euro vergütet. Am schlechtesten bezahlt wird in Sozial- und Gesundheitsberufen, auch wenn hier die Zahl der Antworten sehr gering war.
Master-Studenten bekommen mit 816 Euro im Schnitt mehr Geld im Praktikum als Bachelor-Studenten (715 Euro). Dennoch sind Master-Studenten etwas unzufriedener mit der Vergütung - vielleicht weil sie bereits einen ersten Studienabschluss haben und deswegen eher wie junge Arbeitnehmer behandelt und bezahlt werden möchten, vermuten die Autoren der Studie.
Beim Arbeitsort entscheiden sich die Praktikanten entweder für direkt um die Ecke oder ganz weit weg: Die eine Hälfte (49 Prozent) der Befragten bleiben für ihr Praktikum am Wohnort, bei einem Drittel (33 Prozent) ist die Praktikumsstelle dagegen mehr als 200 Kilometer vom Wohnort entfernt.
Kurzpraktika sind out: Mehr als die Hälfte der befragten Praktikanten nimmt sich mindestens sechs Monate Zeit für das Praktikum.
Seit diesem Jahr müssen Unternehmen Hospitanten, die länger als drei Monate bleiben, unter bestimmten Umständen einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde zahlen. Für 2015 könnte das eine Herausforderung werden: Laut Studie erhielten 80 Prozent der Befragten, deren Praktikum länger als drei Monate dauerte, weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Relevant für den Mindestlohn ist auch, ob ein Praktikum freiwillig oder verpflichtend ist - ein Unterschied, den Absolventa und Clevis nicht erhoben haben.
Insgesamt zeigten sich 86 Prozent der Praktikanten grundsätzlich zufrieden. 64 Prozent waren der Meinung, dass sie angemessen bezahlt werden.
Die Jobbörse Absolventa und die Personalberatung Clevis ziehen aus der hohen Zufriedenheit einen klaren und überraschenden Schluss: Einen Mindestlohn brauchen Praktikanten nicht - auch wenn sie die Praktikanten gar nicht explizit danach gefragt hatten.
Über die Mindestlohn-Frage war im vergangenen Jahr heftig gestritten worden: Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und Wirtschaftsverbände hatten gewarnt, dass durch die Mindestlohnregelung viele Praktika für Studenten wegfallen könnten. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) änderte ihre Pläne: Der Mindestlohn, der seit Januar gilt, greift nur für freiwillige Praktika, die länger als drei Monate dauern oder nach dem Studienabschluss geleistet werden.