Privatisierungspremiere Hessen verkauft Uniklinik an Rhön-Konzern

Umstrittene Entscheidung der hessischen Landesregierung: Zum ersten Mal wird in der Bundesrepublik ein Uni-Klinikum privatisiert. Der Käufer, die börsennotierte Rhön-Klinikum AG, zahlt eine dreistellige Millionensumme.

Wiesbaden - Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gab die Entscheidung, das Doppelklinikum Gießen/Marburg zu verkaufen, im Anschluss an eine Sondersitzung des Kabinetts in Wiesbaden bekannt. Die Transaktion soll zur Jahresmitte greifen. Der Auswahl des Betreibers waren monatelange Geheimverhandlungen vorausgegangen.

Nach Angaben Kochs verpflichtet sich die Rhön AG aus dem unterfränkischen Bad Neustadt an der Saale mit dem Kauf zu Investitionen in Höhe von 367 Millionen Euro, davon 260 Millionen in Neu- und Umbauten. Diese sollten schnellstmöglich begonnen und spätestens 2010 abgeschlossen werden, sagte Koch. Das zum 1. Juli fusionierte Großklinikum Gießen/Marburg hat an seinen zwei Standorten zusammen rund 10.000 Beschäftigte.

Ministerpräsident Koch und Wissenschaftsminister Udo Corts (CDU) betonten heute noch einmal die "Vorreiterrolle" des Landes. Bei Experten und Betroffenen stößt der Verkauf aber auf Bedenken. Kritiker hatten in den vergangenen Monaten mehr als 30.000 Protest-Unterschriften gesammelt. Ärzte waren gegen das Vorhaben auf die Straße gegangen.

Land behält kleinen Restanteil

Die Bedenken von Sachverständigen, die im Gesetzgebungsverfahren angehört wurden, reichten von verfassungsrechtlichen Einwänden bis hin zu Befürchtungen um die Altersvorsorge der Klinik-Beschäftigen sowie Sorgen, dass die Patientenversorgung infolge von Rationalisierungen schlechter werden könnte. Wissenschaftsminister Corts entgegnete, durch die Fusion und Privatisierung des Klinikums sichere das Land wissenschaftliche Exzellenz in Forschung und Lehre und gewährleiste gleichzeitig "Krankenversorgung auf Spitzenniveau".

Um noch eine Einflussmöglichkeit auf die Entwicklung des privatisierten Klinikums zu wahren, hat die Landesregierung beschlossen, fünf Prozent der Geschäftsanteile zu behalten. Das erworbene Mitspracherecht gehe über das Normalmaß einer solchen Minderheitsbeteiligung hinaus, hieß es.

Guido Heisner, ddp

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