Rat vom WG-Psychologen Sie verwandeln unsere Küche in eine Großbäckerei

Torten, Muffins, Pralinen: Laras WG mutiert zu einer Konditorei, seit ihre Mitbewohnerinnen das Backen als Geschäft entdeckt haben. Ohne Gewerbeschein natürlich und mit Mehl aus dem Gemeinschaftsvorrat. Der WG-Psychologe rät: Fotos machen!
Hausgemachter Kuchen: Für Laras Mitbewohnerinnen ein einträgliches Geschäft

Hausgemachter Kuchen: Für Laras Mitbewohnerinnen ein einträgliches Geschäft

Foto: Corbis

WG-Krach war für Ludger Büter lange Alltag. Der Psychologe schlichtete im Auftrag des Kölner Studentenwerks Konflikte in Wohngemeinschaften. Auf dieser Seite lindert er den WG-Kummer. Schreibt uns, was euch in den Wohnwahnsinn treibt (wg-kummer@spiegel.de ).

Lara, 21, schreibt:

Sehr geehrter Herr Büter,

meine Mitbewohnerinnen backen für ihr Leben gern, die eine ist sogar Konditorgesellin. Sie backen ständig. Am Anfang hatte ich noch Verständnis dafür, aber inzwischen haben sie angefangen, gewerbsmäßig Kuchen zu verkaufen und unsere Küche in eine Großbäckerei zu verwandeln.

Sie backen Torten, Muffins und Cupcakes für Hochzeiten, Geburtstagsfeiern oder Kommunionsfeste, außerdem Pralinen, Petit fours, manchmal auch Eis. Sie laufen fröhlich durch die Gegend und verteilen Visitenkarten mit unserer Festnetz-Telefonnummer. Ich habe seither keine ruhige Minute mehr.

Für ihre Aufträge benutzen sie auch unsere Lebensmittel. Dadurch steigen die Kosten in beträchtliche Höhe. Inzwischen sind wir bei mehr als 200 Euro im Monat bei nur vier Personen! Ich und mein Mitbewohner erledigen den Großteil der Einkäufe. Die beiden anderen haben im vergangenen Monat lediglich 55 Cent für Toastbrot ausgegeben.

Wenn wir zum Essen oder Kochen in die Küche kommen und sie gerade ihre Aufträge abarbeiten, werden wir direkt angemeckert. Außerdem haben wir zwei Katzen in unserer WG. Die hygienischen Voraussetzungen sind also nicht so wie in einer Großbäckerei. So langsam mache ich mir daher Sorgen, auch in rechtlicher Hinsicht. Die beiden waren bis vor Kurzem noch Hartz-4-Empfänger und machten dem Amt gegenüber keine Angaben über ihr Kuchen-Geschäft.

Als ich das Gespräch mit ihnen suchte, blockten sie ab. Sie dürften bis zu 800 Euro verdienen, ohne ein Gewerbe anmelden zu müssen. Mir selbst ist es peinlich, sie ständig darauf anzusprechen. Ich halte mich lieber aus dem Streit heraus, aber es betrifft mich genauso wie meinen Mitbewohner, der nur noch genervt ist.

Ein Dauerzustand kann das nicht sein. Vielleicht können Sie mir einen guten Ratschlag geben?

Fotostrecke

Ratgeber fürs Zusammenwohnen: Was nun, Herr WG-Psychologe?

Foto: Corbis

WG-Psychologe Ludger Büter antwortet:

Liebe Lara!

Wer würde es nicht als grobe Zumutung empfinden, was Sie in Ihrem Brief beschreiben. Sofern die Nachbarinnen sich an die üblichen WG-Regeln hielten, wäre es ja noch denkbar, das Kuchenbacken in vernünftigem Rahmen als sinnvolles Hobby zu betreiben. Der Ausbau von Küche und WG zu einem gewerblichen Betrieb ist unakzeptabel, unter rechtlichem Gesichtspunkt vermutlich ebenso wie ganz sicher unter WG-psychologischem.

Hätten Sie sich dieser WG angeschlossen, wenn Sie vorab über entsprechende Pläne und Konsequenzen informiert worden wären?

Vor diesem Hintergrund spielt die unhaltbare Hygiene auch nur eine untergeordnete Rolle. Sie würden gewiss die Situation auch dann nicht akzeptieren, wenn die Mitbewohnerinnen sauber arbeiteten, es keine Katzen gäbe und alles regelkonform aufgeräumt würde. Die Art und Weise, Ihre Kritik abzuwehren und sich finanziell und organisatorisch auf Ihre Kosten zu bedienen, verrät - wie alles andere - den fehlenden Respekt vor Ihnen. Man wird sich aus diesem Grund auch nicht durch Sie veranlasst sehen, das WG-Leben zu normalisieren.

Sofern Sie dennoch weiter dort wohnen wollen und bereit sind, Normalität zu erzwingen oder es zu versuchen, empfehle ich Ihnen, die erlebten Einschränkungen zu dokumentieren. Fertigen Sie über ein bis zwei Wochen Tagesprotokolle an und machen Sie Fotos von der Küchensituation.

Sie könnten nun an den Vermieter herantreten und ihm die Lage schildern. Er wird im eigenen Interesse gut daran tun, zu Ihren Gunsten einzuschreiten. Halten Sie sich dennoch auf alle Fälle offen für einen Umzug, da Sie mit mehr oder weniger subtiler Vergeltung des Gespanns rechnen müssen.

Du hast WG-Kummer?
Foto: Silja Götz

Wohngemeinschaften sind toll, das einzig Lästige sind die Mitbewohner. Sie leeren dein Nutella-Glas, haben lauten Sex und noch lautere Musikanlagen. Oder weint dein Zimmernachbar dauernd und wirkt depressiv? Schreist du alle nur noch an? Bei WG-Kummer hilft Erziehungswissenschaftlerin Sabine Stiehler. Schick deine Fragen, Sorgen, Probleme an wg-kummer@unispiegel.de . Mit einer Einsendung erklärst du dich mit einer anonymen Veröffentlichung auf SPIEGEL ONLINE und sämtlichen anderen Medien der SPIEGEL-Gruppe einverstanden.

Fotostrecke

WG-Typen: Willst du mit mir wohn'?

Foto: Corbis
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten