Reform 2008 Bafög soll um zehn Prozent steigen
Das Bafög für Studenten und Fachschüler wird ab 1. Oktober 2008 um zehn Prozent erhöht. Peter Struck, SPD-Fraktionschef im Bundestag, sagte am Dienstag in Berlin, dies sei jetzt zwischen den Koalitionspartnern "klar". Zugleich sollen die Elternfreibeträge, die für die Aufnahme in die Förderung entscheidend sind, um acht Prozent steigen.
Neben Struck bestätigten auch SPD-Generalsekretär Hubertus Heil und SPD-Bildungssprecher Jörg Tauss die Einigung, außerdem Ilse Aigner, Katherina Reiche und Dorothee Bär als Bildungspolitiker der Union. Für die Bafög-Mehrausgaben soll der Etat von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) angehoben werden - im Rahmen der Haushalts-Bereinigungssitzung am 15. November.
Sozialdemokrat Jörg Tauss ließ keinen Zweifel daran, dass "das Bafög definitiv auf einen Schlag erhöht" werde, nicht etwa in zwei Etappen, wie es auch im Gespräch war: "Da gibt es kein Wackeln mehr, das Thema ist sozusagen durcher als durch", sagte Tauss SPIEGEL ONLINE. Das Bafög im Wintersemester 2008 um fünf Prozent und dann im Wintersemester 2009 nochmal um fünf Prozent zu erhöhen, wäre "bürokratischer Humbug", so Tauss weiter.
"Da gibt es kein Wackeln mehr"
Die Bedarfssätze sowie die Freibeträge sind seit Anfang 2002 unverändert. Bei Union und Sozialdemokraten gibt es schon lange keine ernsthaften Zweifel, dass eine Erhöhung überfällig ist - aber um den Umfang und den Zeitpunkt entspann sich ein schier endloser Zwist mit allerlei politischen Winkelzügen.
Bundesbildungsministerin Annette Schavan hatte vor ihrem Amtsantritt laut über eine Abschaffung des Bafög nachgedacht, das sie als "Auslaufmodell" sah. Noch Anfang des Jahres hatte sie eine Erhöhung strikt abgelehnt und auf die notwendige Haushaltskonsolidierung des Bundes verwiesen; stattdessen pries sie ausdauernd die Vorzüge von Bildungskrediten. Später schwenkte Schavan allerdings um und forderte ebenfalls die Erhöhung der Bedarfssätze und Freibeträge.
Die Förderung der Studenten ist von hohem politischen Symbolwert und gipfelte Anfang August in einem handfesten Sommerloch-Krach der Großen Koalition. Kurz zuvor hatte Schavan nach der Verabschiedung des Haushaltes für 2008 angekündigt, die Bafög-Sätze sollten im Herbst 2008 steigen - allerdings um lediglich fünf Prozent. Daraufhin forderte SPD-Fraktionschef Struck publikumswirksam zehn Prozent und schob der CDU-Politikerin die Rolle der Bremserin zu. Schavan konterte, tatsächlich scheitere eine zehnprozentige Erhöhung am Finanzminister, dem Sozialdemokraten Peer Steinbrück: "Die SPD spricht offenbar mit gespaltener Zunge."
Nun scheint das Gezerre in der Großen Koalition passé, die ausgesprochen freundliche Haushaltslage hat es ermöglicht. Man hadert allenfalls noch, wer die Wohltat als politischen Erfolg für sich verbuchen darf. Finanzminister Steinbrück sagte: "Das zeichnet gestaltende Finanzpolitik aus, dass Mehreinnahmen im Haushalt sinnvoll verwendet werden."
"Politisches Tauziehen endlich vorbei"
Vom Tisch ist offenkundig auch der Vorschlag, Schavans Ministerium möge einen Teil der Bafög-Erhöhung durch Budget-Umschichtungen selbst finanzieren. "Das Geld wird nicht aus dem Etat für Bildung und Forschung genommen, sondern aus allgemeinen Steuereinnahmen", sagte SPD-Bildungsprecher Tauss heute SPIEGEL ONLINE, "die Finanzierung ist gesichert". Das bestätigte auch Katerina Reiche (CDU).
Nach jahrelanger Stagnation erhalten die Ausbildungsförderung derzeit rund 500.000 Studenten und 320.000 Schüler. Ein bedürftiger Student, der nicht mehr bei den Eltern lebt, kann heute monatlich bis zu 585 Euro einschließlich Wohngeld bekommen. Im Schnitt werden 376 Euro ausbezahlt. Die Sätze für Schüler liegen etwas niedriger.
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) zeigte sich erleichtert über die politische Einigung: "Es ist gut, dass das politische Tauziehen endlich ein Ende hat. Nun haben die Studieninteressenten, die Studierenden und ihre Eltern Planungssicherheit", sagte DSW-Präsident Rolf Dobischat.
Er kritisierte allerdings die Verzögerungen. Die Experten im Beirat für Ausbildungsförderung hätten der Bundesregierung eine Anpassung bereits für 2007 empfohlen, nun sei die Preiseentwicklung von 2007 und 2008 schon wieder nicht berücksichtigt. "Der Erhöhung müsste gleich wieder eine Erhöhung folgen", sagte Dobischat. Der studentische Dachverband fzs forderte eine gesetzliche Regelung, damit das Bafög künftig jährlich den gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst wird.
Jörg Tauss und Renate Schmidt von der SPD erklärten, die Bafög-Novelle solle möglichst in der kommenden Woche im Bundestag beschlossen werden, damit erste Teile bereits Anfang 2008 in Kraft treten können. Denn auf einige Verbesserungen hatte die Koalition sich bereits im letzten Februar verständigt; wegen der Hängepartie konnten sie indes bislang nicht umgesetzt werden:
- Studentische Eltern sollen künftig einen Zuschlag von bis zu 113 Euro monatlich für die Betreuung von Kindern erhalten, die unter zehn Jahren alt sind. Anders als zunächst geplant soll der Zuschlag mit der Zahl der Kinder steigen.
- Für ausländische Studenten und Auszubildende sollen künftig bereits dann Anspruch auf Bafög, wenn sie mit dauerhafter Bleibeperspektive in Deutschland leben. Bislang mussten die Eltern zuvor mehrere Jahre in Deutschland gearbeitet haben.
- Anspruch auf Bafög sollen fortan auch Studenten haben, die ihre Ausbildung komplett in anderen EU-Ländern oder in der Schweiz absolvieren. Bisher musste die Ausbildung zumindest in Deutschland begonnen werden. Ende Oktober hatte der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass die bisherige deutsche Regelung gegen die Freizügigkeit verstoße. Künftig müsse Deutschland auch Erstsemestern Auslands-Bafög zahlen.
- Statt 350 Euro können Bafög-Empfänger demnächst 400 Euro monatlich hinzuverdienen, ohne dass die Job-Bezahlung aufs Bafög angerechnet wird. Die neue Grenze liegt damit auf dem Minijob-Niveau.
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