Larissa, 28, Single aus Berlin "Die Partnersuche ist furchtbar anstrengend"

Nach einer langen Beziehung ist Larissa Sarand, 28, wieder Single. Also stöckelt sie in Clubs, tindert und fragt ihre hübschen Freundinnen um Rat. Das Fazit: Alle wollen einen Partner, doch keiner tut ernsthaft etwas dafür.
Zur Person

Larissa Sarand, Jahrgang 1988, machte 2007 Abitur in Berlin und anschließend eine Ausbildung zur Medienkauffrau. Danach studierte sie Lehramt für Deutsch und Politische Bildung an Gymnasien, im August 2016 begann sie ihr Referendariat. Über ihren Studienspaß und -frust hat sie ein E-Book im Eigenverlag verfasst: "5 Jahre Bastelstunde: Was man in der Uni lernt - oder eben auch nicht...".

Foto: Konstantin Zander

Seit drei Monaten bin ich nach über sieben Jahren Beziehung wieder Single. Obwohl ich selbst den Schlussstrich gezogen habe, ist der erste Schreck natürlich groß: Die erste Nacht im leeren Bett, der erste Abend allein vor der Glotze, Fertiggerichte, ein Teller, eine Tasse.

Als ich jedoch nach einigen Wochen aus meinem Schneckenhaus der Trauer krieche, ist der nächste Schreck umso größer: Ich hatte ja keine Ahnung, wie furchtbar anstrengend das Leben als Single geworden ist. Die wahre Liebe begegnet einem zufällig und im analogen Leben, dachte ich immer. Da werden Blicke ausgetauscht, man kommt sich langsam und mit angemessener Schüchternheit näher und schließlich keimt die erste zarte Knospe der Liebe auf. Ha! Von wegen! Willkommen im Jahr 2016!

Ich frage die auffallend hübsche Mädels-Clique meiner Single-Freundin Cora, die gern über Clubs, Männer und Tinder reden, ob sie denn nicht auch häufig einfach so jemanden kennenlernen würden. Alle verneinen. "Ich wurde ewig nicht mehr auf offener Straße angesprochen", sagt Cora. "Ich glaube, seitdem es Tinder und die ganzen anderen Apps gibt, haben es die Männer einfach nicht mehr nötig, ihren Mut zusammenzunehmen und Frauen direkt anzusprechen. Die sitzen in der Bahn und tindern, auch wenn ihnen eine coole Frau direkt gegenübersitzt." Die anderen nicken.

Mir ist schon klar, dass ich niemanden kennenlerne, wenn ich zu Hause auf der Couch sitze, wo ich die meisten Abende der letzten Jahre verbracht habe. Also stöckele ich in unbequemen Schuhen, die ich erst mal abstauben musste, über das Kopfsteinpflaster der Kulturbrauerei zum "Hungry Monday" im Soda oder renne zu irgendwelchen After-Work-Partys, weil ich nach einem langen Arbeitstag natürlich noch sooo viel Energie übrig habe und unbedingt feiern will.

Und ich ziehe mit der Mädels-Clique los. In dem Club gucken viele vor allem nach unten, auf ihr Smartphone. Ich schaue einigen über die Schulter: Tinder. Ich bin gerade auf der Tanzfläche, als Jana zu mir kommt: "Ey, der Typ steht auf dich!" "Welcher Typ?" "Der direkt hinter dir."

Ich drehe mich unauffällig um und sehe einen Endzwanziger in Skinny-Jeans und mit Hipster-Zöpfchen. Er nickt im Takt der Musik mit dem Kopf und guckt mit angeödeter Miene umher. "Wie kommst du denn darauf?", frage ich sie. "Der tanzt schon die ganze Zeit direkt hinter dir, auch als du noch am anderen Ende der Tanzfläche warst", sagt Jana. Aha, Ansprechen ist also wirklich out.

Am nächsten Morgen schaffe ich es gerade mal, mich vom Bett aufs Sofa zu schleppen. Ich denke über den Abend nach. Und dann installiere ich Tinder. Wie viele Leute, die in festen Beziehungen sind, hatte auch ich früher verächtlich die Nase gerümpft, wenn ich nur den Namen dieser App hörte. Nun denn.

Erstaunt und etwas enttäuscht stelle ich fest, dass die meisten Männer auf ihren Tinder-Profilen nur zwei Dinge angeben: Ihre Körpergröße und ihren Beruf - sofern dieser mit Prestige verbunden ist. Ein Foto im OP-Kittel, darunter die Info "Arzt, 193cm". Von den fünf Fotos, die man auf seinem Profil hochladen kann, ist zudem mindestens eines dabei, das zeigt, wie Mann vor einem vollen Teller Essen sitzt und ein weiteres dokumentiert, wie (oder dass?) der Mann sich die Zähne putzt und ein Selfie davon macht.

Nach längerem Herumgewische erwarte ich nun einen netten Nachrichtenaustausch, der bei gegenseitiger Sympathie vielleicht eine Verabredung zur Folge hat. Stattdessen muss ich erstmal mein Profil überarbeiten: "Nicht interessiert an One Night Stands!" Was ist denn bloß los mit den Leuten? Funktioniert diese Masche etwa? Gibt es Frauen, die auf die erste Frage "Willste Sex?" mit Ja antworten?

Bei anderen tippe ich fleißig, überlege mir witzige Antworten und stelle Fragen. Doch dann: endeten Unterhaltungen einfach so. Nach stundenlangem Hin- und Herschreiben kommt keine Nachricht mehr zurück. Zudem werde ich ständig gefragt, in welchem Bezirk ich wohne - und zwar offenbar nicht aus Neugierde, sondern aus Bequemlichkeit: Ist mein Wohnort mehr als fünf Kilometer entfernt, haben viele schon gar keine Lust mehr weiterzuschreiben.

Fotostrecke

Erasmus: Das Liebesstipendium

Foto: TMN

Wie kamen meine Mädels zu all ihren Tinder-Dates? Haben Sie ihre Schmerzgrenze derart heruntergefahren? Tindere ich falsch? Oder sitze ich auf einem zu hohen Ross? Nachdem ich dann noch Berichte höre von Tinder-Dates, die sich als irre Stalker herausstellen, die eigentlich schon in einer festen Beziehung sind und zwecks sexueller Experimente eine "Dritte im Bunde" suchen, die sich nach mehreren grandiosen Dates plötzlich nicht mehr melden oder die erst gar nicht zum vereinbarten Treffen erscheinen, entscheide ich: Bei Tinder schaue ich höchstens noch rein, wenn der Zug Verspätung hat und ich bei Facebook und SPIEGEL ONLINE alles gelesen habe, was mich auch nur im Entferntesten interessieren könnte.

Mehr Studierenden-Storys gesucht

Wir suchen Studierende und U-30-Jährige, die Leserartikel für SPIEGEL ONLINE schreiben möchten: Über Schönes und Schlimmes im Studium, in der WG, in der Liebe, in der Familie, im Job. Über ihre Hoffnungen, Enttäuschungen, Ängste. Wir freuen uns über Ideen, kurze Texte oder Exposés (mit einer Einsendung erklären Sie sich mit einer anonymen Veröffentlichung auf SPIEGEL ONLINE und sämtlichen anderen Medien der SPIEGEL-Gruppe einverstanden).

E-Mail senden an spon.unispiegel@spiegel.de 

Mein Fazit: In vielen Jahren wird man meine Leiche in meiner kleinen Single-Wohnung finden, weil die Nachbarn im Hausflur einen strengen Geruch vernommen und die Polizei alarmiert haben. Tröstlich daran ist einzig die Gewissheit: Ich werde mit diesem Schicksal bei Weitem nicht alleine sein.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren