Studenten in Spanien "Was soll ich machen? Depressiv werden?"

Auf der Wiese vor dem grauen Plattenbau der Philologischen Fakultät in Santiago de Compostela liegen Studenten und genießen die letzten Sonnenstrahlen. Drei Anglistikstudentinnen sitzen im Kreis und diskutieren hitzig, aber begeistert über ihre Lektüre, "Die Früchte des Zorns" von John Steinbeck. Die Geschichte von zwei bankrotten Farmern zur Zeit der Großen Depression in den USA lesen sie nicht fürs Seminar, sondern in ihrer privaten Lesegruppe. "Es ist so aktuell", sagt Isabella, eine Studentin im "Black Sabbath"-Shirt, mit boshaftem Grinsen.
Auch bei den weniger sarkastischen Naturen unter den Studenten genügt ein Wort, um ihre Blicke ernst werden zu lassen: "la crisis". Seit fünf Jahren hat die Wirtschaftskrise Spanien fest im Griff, so sehr, das jüngst selbst Nachrichten von einem Mini-Wachstum als Erfolg gesehen wurde. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen, die eine Arbeit suchen, finden keine. Und in einer Sache ist Spanien wie Deutschland: Hispanisten, Germanisten und Historiker hatten es schon immer schwerer auf dem Arbeitsmarkt. Was bewegt junge Spanier heute noch, die vermeintlich brotlosen Künste zu studieren?

Marta Villaverde, 23, Anglistik: "Zur Not wandere ich aus"
"Als Anglisten haben wir es etwas einfacher, unsere Studienwahl zu verteidigen. Viele Eltern, auch meine, denken noch: Englisch ist die Weltsprache, damit findet man sicher einen Job. Das stimmt natürlich nicht mehr. Der Wettbewerb ist viel härter geworden: Jeder versucht, noch einen Master dranzuhängen. Eine Freundin von mir macht jetzt sogar ihren Doktor in England, vor ein paar Jahren wäre sie dazu sicher in Spanien geblieben. Ich möchte als Übersetzerin arbeiten und lerne zusätzlich Französisch und Deutsch, vielleicht mache ich auch noch Chinesisch. Früher haben Studenten das aus Spaß gemacht. Jetzt ist klar: Du hast keine andere Wahl. Zufrieden bin ich mit Anglistik trotzdem: Ich konnte in Birmingham studieren und mein Englisch hat sich extrem verbessert. Deswegen mache ich mir auch keine großen Sorgen wegen des Arbeitsmarktes. Zur Not wandere ich eben auch aus."

Cristian Alonso, 21, Sport auf Lehramt: "Ich kann doch nicht meinen ganzen Lebenstraum ändern"
"Klar, ich hätte BWL oder Medizin studieren können, damit wäre es auch jetzt in der Krise nicht so schwer, einen Job zu finden. Als Lehrer ist das viel schwerer, der Staat muss sparen und stellt kaum noch welche ein. Das erzählen uns unsere Professoren fast täglich. Aber ich wollte nie etwas anderes machen: Ich liebe Kinder, ich liebe es, ihnen Übungen zu zeigen und sie zu unterrichten. Das ist mein Lebenstraum, den kann ich doch nicht einfach ändern, nur wegen der Krise. Ich habe zwar schon etwas Angst, dass ich erst mal keinen Job finde. Aber irgendwann muss die Lage ja auch wieder besser werden. Zum Glück unterstützen mich meine Eltern dabei. Sie sind stolz, dass ich mich für das entschieden habe, was mich glücklich macht."

Tamara Àlvarez, 21, Philosophie: "Ich genieße mein Studium"
"Es war doch immer schwer für uns Philosophiestudenten, Arbeit zu finden. Professor werden ist eigentlich die einzige Karriereoption. Jetzt ist es eben noch schwerer geworden: An der Universität gibt es immer weniger Stellen. Die Professoren haben selbst auch keine Ahnung, welche Jobs es sonst für Philosophieabsolventen gibt. Darüber wird nicht gesprochen. Ich genieße mein Studium eigentlich sehr. Nirgendwo sonst könnte ich mich so ausführlich mit Fragen des menschlichen Zusammenlebens oder der Ethik auseinandersetzen, mit meinen Lieblingsphilosophen Nietzsche und Kant. Aber jetzt, zum Ende meines Studiums, mache ich mir zwar viele Gedanken, was mal aus mir wird. Ich versuche aber, positiv zu denken. Was soll ich auch sonst tun? Depressiv werden?"

Rafael Garcia, 23, Geschichte: "Über einen Job mache ich mir später Gedanken"
"Mich begeistert die Machtpolitik der Staaten Europas vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, damit beschäftige ich mich gerade in einem Seminar. Ob das einen zukünftigen Arbeitgeber auch begeistert? Keine Ahnung. Ich würde gerne noch meinen Doktor machen, habe auch gute Noten. Aber ohne ein Stipendium werde ich mir das nicht leisten können. Und die kürzt die Regierung gerade. Ich mache mir trotzdem keine Gedanken, ob Geschichte die richtige Wahl war. Für mich war es das. Jetzt kommt erst mal das Studium, über alles Weitere mache ich mir dann Gedanken."
Nuria Garcia, 23, Kommunikationswissenschaft: "Alles ist viel schlimmer"
"Als ich 2008 zu studieren begann, sagte man uns, dass 90 Prozent von uns einen Job im Bereich Kommunikation finden würden. Dann kam die Krise. Jetzt ist alles viel schlimmer, richtig furchtbar. Ich hätte nach dem Studium gerne als Fernseh- oder Radiojournalistin gearbeitet, aber zur Zeit kann ich das vergessen. Ich werde nun erst mal eine Doktorarbeit über das europäische Autorenkino schreiben. Ein paar Jahre mehr an der Uni sind für viele der Ausweg, bis der Arbeitsmarkt wieder besser wird. Aber selbst das ist schwer: Ich würde gerne einen Kurs unterrichten und so ein bisschen was dazuverdienen, aber es gibt keine freien Stellen. So wohne ich bei meinen Eltern hier in Santiago und lebe von meinem Ersparten."