Spring Break 2002 Saufen im Bikini

Alle Frühjahre wieder herrscht unter amerikanischen Studenten der Ausnahmezustand - "Spring Break" ruft zu exzessiven Partys an die Strände Floridas und Mexikos. Nicht immer ist das für die Beteiligten nur lustig.
Von Jochen A. Siegle

Die Saison ist eröffnet: Willkommen beim alljährlichen "Spring Break". Diese Woche fallen wieder Horden amerikanischer und kanadischer Studenten in floridianischen und mexikanischen Strandmetropolen ein. Statt Büffeln und Klausuren ist sieben Tage und Nächte lang Party, Party, Party angesagt. MTV begleitet das karnevaleske Treiben seit Jahren mit Live-Berichten und -Shows von den beliebtesten "Spring Break"-Destinationen.

Wie exzessiv gefeiert wird, sobald der Musiksender abschaltet, ist ja längst auch in Deutschland bekannt - RTL 2 &. Co. sei Dank. "Wet T-Shirt"-, Biertrink- oder sonstige Ausziehwettbewerbe gehören schließlich seit jeher zum Pflicht-Prozedere.

Spring Break 2000 in Cacun: Wenn das ihre Eltern sehen könnten

Spring Break 2000 in Cacun: Wenn das ihre Eltern sehen könnten

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Spring Break 2002: Niemals ohne mindestens einen "Wet T-Shirt Contest"

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Spring Break 2001: Ohne Bier geht nichts

Spring Break 2001: Ohne Bier geht nichts

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Spring Break 2002: Tepuila als Begrüßungsgetränk

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Spring Break 2001: Schöne Mädchen und betrunkene Jungs

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Spring Break 2001: Davor haben die Ärzte gewarnt

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E-Mails für die Party

In diesem Jahr steht wieder mal Mexiko ganz oben auf der Popularitätsskala der US-Studis. In Cancun, Puerto Vallarta oder Rosarito Beach lässt sich nämlich nicht nur deutlich günstiger essen und übernachten, sondern - wesentlich wichtiger - schon ab 18 Jahren Alkohol trinken. In den USA kann man dagegen unter 21 nicht mal im Supermarkt ein Bier kaufen, geschweige denn ein Pub oder einen Club betreten.

Dennoch gelten seit Jahren auch Daytona Beach, Panama City Beach oder Fort Lauderdale als Hochburgen der orgiastischen Semesterferienkultur. Im Wettbewerb um das zahlungskräftige Partypublikum locken lokale Veranstalter mit allerhand zweifelhaften Offerten, die ganz besonders gerne auch per E-Mail in den virtuellen Studenten-Postfächern eintrudeln: Von "Party here if you dare" über "30 Hours Free Beer" bis "10 Free Partys" reichen die Verheißungen.

Das Standorttrommeln im Vorfeld ist nicht zuletzt auch wichtig für die Imagebildung. Der "New York Times" zufolge gibt schließlich jeder zweite "Spring-Breaker" offen zu, seine Destination nach deren Party-Ruf und den Lokalitäten auszuwählen. Und um bei Studenten punkten zu können, nehmen es verschiedene amerikanische Orte in dieser Zeit auch nicht ganz so ernst mit der Alkohol-Altersbeschränkung. Immer wieder berichten "Spring Breaker" davon, dass die Ausschankpraxis selbst in Aspen oder Las Vegas eher lax gehandhabt wird.

So machte sich auch Fort Lauderdale in Südflorida in den achtziger und Anfang der neunziger Jahre mächtig beliebt. Hunderttausende Studenten bevölkerten die Strände der sonst eher greisen Stadt und veranstalteten ausschweifende Feten. Sehr zum Unmut der Stadtoberen hielt sich dieser Partyruf jedoch das gesamte Jahr über - was Otto-Normal-Urlauber abschreckte.

Doch diese Tage sind mittlerweile gezählt. Die City nördlich von Miami geht wieder wesentlich strikter gegen Alkoholsünder vor, wer am Strand oder auf der Straße mit einer angebrochenen Bierflasche erwischt wird, kann festgenommen werden. Die Maßnahmen haben Wirkung gezeigt, Fort Lauderdales Image ist inzwischen deutlich cleaner. Jedes Jahr reisen sieben Millionen Besucher an - zu den "Spring Break"-Hochtagen waren es nicht mal halb so viele.

Behörden warnen vor Risiken und Nebenwirkungen

Wie praktisch jedes Jahr geben sich amerikanische Moralisten mitsamt der American Medical Association (AMA) entrüstet über die "Spring Break"-Exzesse und wettern vehement gegen die "rücksichtslose" Promotion von "Alkohol als Hauptkomponente" der Frühjahrssause. Saufgelage wird es nichtsdestotrotz geben: Glaubt man Studien des "Journal of American College Health", kippt sich jeder männliche Student während "Spring Break" täglich 18 alkoholische Getränke hinter die Binde. Studentinnen sollen immerhin zehn Drinks pro Tag zu sich nehmen. Fast jeder zweite "Breaker" hatte in der Befragung angegeben, sich schon bis zum Erbrechen oder zur Ohnmacht zugeschüttet zu haben.

Nicht immer ist das nur spaßig. Regelmäßig kam es in den letzten Jahren zu schweren Unfällen. Im April 2000 stürzte etwa der 19-jährige Andrew Guglielmi von der Ohio University betrunken aus dem dritten Stock eines Hotels in Panama City und erlag seinen Verletzungen. Guglielmi ist bei weitem nicht der einzige Todesfall.

Amerikaweit haben inzwischen verschiedenste Universitäten und Studentenverbände Kampagnen gestartet, die die Gefahren der hemmungslosen Völlerei verdeutlichen sollen. Die American Medical Association hat zudem im Internet unter Collegedrinkingnews.net eine Anlaufstelle eingerichtet. Einige Colleges organisieren auch alternative Frühjahrssemesterferien und verrichten - wie beispielsweise an der Southern Methodist University in Texas - gemeinnützige Dienste. Ob das jedoch die Trinkfreudigkeit der Studenten wesentlich schmälern kann, ist eher unwahrscheinlich.

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