Starke Studenten-Plakate Das Land der Dieter und Denker
Als ein freundlicher Zeitgenosse Klaus Staeck im vergangenen Jahr eine "gewisse rein physiognomische Ähnlichkeit mit Edmund Stoiber attestierte", erschrak er kurz. "Dann bedankte ich mich für den kühnen Vergleich und gelobte Besserung." Immerhin engagiert sich der Heidelberger Aktionskünstler, Autor und Rechtsanwalt seit Jahrzehnten für die Sozialdemokraten, gründete die "Aktion für mehr Demokratie" und vor den Bundestagswahlen 1980 die Initiative "Freiheit statt Strauß".
Vor allem mit seinen Postkarten und Plakaten wurde Staeck zum bekanntesten deutschen Polit-Künstler - und erntete für seine offensiven Montagen Kritik von allen Seiten: Beim legendären "Bonner Bildersturm" rissen einst Unionsabgeordnete seine Plakate von den Wänden, während ihn auch linke Intellektuelle bisweilen schmähten oder als "ehrenamtlichen Art Director der SPD" (so Friedrich Küppersbusch) verspotteten.
Mit seiner Kunst in der Agitprop-Tradition polarisiert Staeck, der nie auf eine Kunstakademie gehen wollte und sich für Jura entschied, bis heute. Inzwischen ist der 64-Jährige Honorarprofessor an der Düsseldorfer Kunstakademie und interessiert sich sehr für die künstlerischen Ansätze der Studenten, die er für "nicht unbedingt politikversessen" hält.
Im vergangenen Herbst hat die Fakultät Gestaltung der Bauhaus-Universität Weimar Staeck zum Projekt "Deutschland im Herbst 2000" eingeladen. Entstehen sollten Plakate und Videos, die sich "kritisch mit dem Zustand unserer Republik auseinandersetzen".

Schräges Pisa-Plakat von Luitgard Schüller: "Mich beschäftigte seit längerem schon die Pisastudie und somit auch das Abschneiden Deutschlands. So kam schnell die Idee zum Plakat. Die Schüler befinden sich in einer Schieflage, die Schule biegt sie krumm. Das Plakat zeigt einen Zustand an deutschen Schulen."
Foto: Luitgard Schüller
Entwurf von Klaus Ketterle: "Nicht alle, aber all zu viele Diener Gottes vergreifen sich an Kindern. Die Bestrafung ist lediglich die Versetzung in eine andere Gemeinde."
Foto: Klaus Ketterle
"Schlaraffenland" von Andreas Leithäuser: "Bekanntlich stehen Politiker in der Gunst des Volkes kaum höher als etwa Staubsaugervertreter. Die immer wieder von neuem selbst rezeptierten Diätenerhöhungen sind daran nicht ganz unschuldig. In Zeiten, in denen die Regierung vielen eine Nullrunde zumuten möchte, wird nun über die eigene zumindest diskutiert. Für mich ist dies jedoch nicht als freiwillige Einschränkung, sondern als längst überfällige Geste der Solidarität mit den Wählern zu verstehen. Das Plakat zeigt die deutschen Politiker daher als übersättigte Runde, die dringend eine Verdauungspause, eine Nullrunde braucht."
Foto: Andreas Leithäuser
"Kravattenduell" von Michael Pletziger und Thomas Friedrich: "Wollen Wähler überhaupt mehr Verantwortung übernehmen als die Wahl der schöneren Krawatte? Die politische Debatte ist in der Öffentlichkeit schon soweit degeneriert, dass ihr einziger greifbarer Inhalt modischer Natur ist. Das Plakat greift beide Seiten an, den bequemen Wähler ebenso wie die Kandidaten."
Foto: Michael Pletziger / Thomas Friedrich
"Armenhaus Deutschland" von Luitgard Schüller: "Die Idee zu diesen Plakaten entstand auf der Straße, als ich wieder zwei Menschen jammern hörte, einer von ihnen stieg in einen Mercedes SLK. Sie jammerten über den derzeitigen Zustand der Republik. Den Deutschen ginge es so schlecht und wir hätten das gar nicht verdient. Ich nenne das 'Jammern auf hohem Niveau'. So lange wir uns Gedanken über Fettabsaugen und Ähnliches machen, besteht noch keine Gefahr für unsere Republik."
Foto: Luitgard Schüller
CSU-Plakat von Michael Pletziger und Thomas Friedrich: "Eine Partei, die im Wahlkampf auf so plumpe Rethorik zurückgreift, die auch noch direkten Bezug zum Nationalsozialismus zulässt, muss angegriffen werden."
Foto: Michael Pletziger / Thomas Friedrich
Hans im Glück - Märchenhaftes für den Finanzminister

Arbeitsamt-Plakat: Zugriff verweigert

Armes Deutschland: Andere Länder, andere Kinder, ganz andere Sorgen

Politik kann man auch anders buchstabieren

"Peace"-Plakat: Deutlich in der Staeckschen Tradition

Ein weiteres Pisa-Plakat: Vergesst Pisa?
Armes Deutschland Ein Dutzend Plakate aus Weimar |
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Momentaufnahme einer Generation: Entwürfe und Kommentare der Studenten - per Klick auf ein Bild gelangen Sie zur Großansicht |
Das Thema für die Motive: keins. Die Studenten hatten freie Wahl - "alles, was knirscht, alles, was weh tut", so der Professor Werner Holzwarth. Sie entwickelten über 40 völlig unterschiedliche Ideen, die derzeit im Weimarer Goethe-Institut präsentiert werden. Weitere Ausstellungen sollen folgen.
"Momentaufnahme einer Generation" nennt Holzwarth das Projekt. Den Altmeister Klaus Staeck kannte zuvor nur etwa jeder dritte der Teilnehmer, schätzt der Weimarer Professor. Als Staeck die Ausstellung eröffnete, zeigte er sich von den Ideen beeindruckt, wünschte sich aber auch "gelegentlich noch mehr Biss und weniger Distanz": "Gesellschaftskritische Plakate müssen auch für die Litfasssäule taugen, nicht nur für den Salon."
Staeck selbst sieht sich noch längst nicht im künstlerischen Ruhestand. Er setzt sich derzeit vor allem gegen den drohenden Irak-Krieg ein und stellt dabei immer wieder fest, dass "manche meiner Plakate leider nicht altern". Dass Postkartenmotiv "Fürchtet Euch nicht" mit einem Kampfbomber etwa sei so aktuell wie nie - es ist aber schon von 1981. Eine Übersicht über die Staeck-Postkarten aus den letzten 40 Jahren gibt es im Internet.