Ist das Souvenir als kommerzielles Massenprodukt nicht ein grundsätzlich falsches Medium, um an den industriell betriebenen Massenmord der Nazis zu erinnern? Diese Frage stellten sich Designstudenten der Bauhaus-Universität Weimar am Anfang eines Workshops - und beantworteten sie mit "Nein". Die Nachwuchsdesigner entwarfen "mobile Gedenkzeichen" für die Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald. Das Projekt trägt den Namen "AnTeilNahme". Die "Gedenkzeichen" sollen nämlich Souvenirs in doppeltem Sinne sein, indem sie den Akt des Erinnerns fördern und zugleich greifbarer Gegenstand sind.
Klassische Andenken wie T-Shirts, Kappen oder Schlüsselanhänger kommen für diesen Zweck nicht in Frage, da waren sich die Teilnehmer des Workshops mit den betreuenden Mitarbeitern der Gedenkstätte Buchenwald schnell einig. KZ-Kitsch sollte um jeden Preis vermieden werden. Heraus kamen Entwürfe, die den schwierigen Vorgang des Erinnerns thematisieren, etwa ein kleiner Buchensetzling oder ein selbst zu gestaltender Gedenkstein im Miniformat.
"Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Gegenstände den Besuchern helfen, ihren eigenen Zugang zum Ort zu schaffen", sagt Rikola-Gunnar Lüttgenau, stellvertretender Direktor der Gedenkstätte Buchenwald. "Der Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers ist für die Besucher sehr prägend und weckt häufig das Bedürfnis, den eigenen Gedanken und Gefühlen eine Form zu geben." Allerdings wolle die Gedenkstätte mit den Souvenirs kein Geld verdienen und auch kein "Branding" schaffen, wie es andere Gedenkeinrichtungen in Israel und den USA tun, betont Lüttgenau. "Die Marke Buchenwald ist leider schon in der Welt."
Die Weimarer Studenten besuchten bei Exkursionen das Jüdische Museum und die Topografie des Terrors in Berlin und die Gedenkstätte Sachsenhausen. Sie setzten sich auch mit der Souvenir-Politik anderer Gedenkstätten im Ausland auseinander. "Alle Entwürfe sind ausreichend reflektiert", betont Gregor Sauer vom Studiengang Produktdesign an der Bauhaus-Universität. Sauer setzte das Projekt zusammen mit den Designern Gerrit Babtist und André Reutter nach einem Vorschlag des Fördervereins der Gedenkstätte um.
Lüttgenau hält es für gut möglich, dass einige der Entwürfe in Produkte umgesetzt werden. Die ersten Souvenirs könnten ab April 2005 mit dem 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers zu haben sein, so Olaf Theuerkauf, Geschäftsführer des Fördervereins der Gedenkstätte Buchenwald.
Die Souvenir-Entwürfe werden noch bis zum 18. Juli in einer Ausstellung in Weimar gezeigt. Besucher können den Objekten ihre Meinung in Form von "Denkzetteln" verpassen.
Von Jan Friedmann
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Tom Hanke, "Kontrastblatt": Die Gegenüberstellung von Ginkgo und Buche symbolisiert die Spannung zwischen dem klassischen Weimar und dem nahen Konzentrationslager Buchenwald. In Weimar wird ein regelrechter Gingko-Kult betrieben, weil Goethe dort einst ein solches Bäumchen pflanzte.
Caroline Dushe, "Knopf": Ein Knopf mit der Aufschrift "Gedenkstätte Buchenwald" ist auf eine Postkarte aufgenäht. Er lässt sich dort abnehmen und wie jeder normale Knopf als Alltagsgegenstand gebrauchen.
Sabine Hipp, "Gedenkstationen": In ein Kästchen ist eine formbare schwarze Masse eingelassen. In sie können Besucher der KZ-Gedenkstätte einprägen, was sie besonders beeindruckt hat - hier zum Beispiel ein allgemeiner Text über die Opfer.
Jan Weinmann, "Mobile Gedenktafel": Auf Faltkarten sind wechselnde Fundgegenstände vom Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers abgebildet, deren Geschichte erzählt wird. Hier die Essschüssel eines Häftlings.
Tom Hanke, "Buche": Der Buchensetzling kommt vom Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers.