Studiengebühren
Englische Studenten schlagen Krach vor Blairs Haus
Karneval in der Downing Street: Mit Pfeifen und Trommeln machten am Mittwoch 10.000 britische Studenten Front gegen die von Tony Blairs Regierung eingeführten Studiengebühren. Was in Deutschland gerade verboten werden soll, ist in England seit vier Jahren harte Realität.
Eigentlich könnten sie besser gleich Arbeitslosengeld beziehen, meinten die Vertreter der nationalen Studentenvereinigung (NUS) sarkastisch. Schließlich mache ein Student durchschnittlich 10.000 Pfund (also ungefähr 16.400 Euro) Schulden während seines Studiums. Nach Abzug der Miete müsse ein britischer Student sich mit 29 Pfund (47 Euro) in der Woche über Wasser halten, hieß es.
"Wenn wir unsere Miete bezahlt haben, dann müssen wir mit weit weniger auskommen, als wenn wir stempeln gehen würden", meinte NUS-Präsident Owain James. Das sei ein Leben unter dem Existenzminimum. "Es ist unglaublich, dass die Studenten des 21. Jahrhunderts wie Bürger zweiter Klasse behandelt werden", sagte James.
Ihrem Ärger machten die Studenten Luft, indem sie sich vornehmlich rot kleideten - um ihre Finanzlage zu verdeutlichen - und überdimensionale Skelette durch Londons Innenstadt trugen. Die Polizei fuhr nebenher, sah aber keine Veranlassung, einzuschreiten. Alles blieb ruhig. Ein bisschen wie im Karneval sei es gewesen, berichteten Augenzeugen.
Dabei ist den britischen Studenten eigentlich gar nicht nach Feiern zumute. Sie versuchen, den Druck auf die Regierung Blair zu verstärken, und bekommen dabei Rückenwind von der Regionalregierung in Schottland, die Studiengebühren an schottischen Universitäten wieder abgeschafft hat.
Studiengebühren gibt es in Großbritannien seit 1998. Sie sind zwar nicht so hoch wie in den Vereinigten Staaten, haben aber auf der Insel, die eine lange Tradition von kostenloser Bildung hat, große Proteste ausgelöst. Als dann im akademischen Jahr 1999/2000 auch noch die Stipendien, eine Art Bafög, ausliefen, begannen immer mehr Studenten, gegen die Politik Blairs Sturm zu laufen.
Eine erste Reaktion auf die Demonstration kam am Mittwoch von der britischen Bildungsministerin Estelle Morris. Es sei kurzsichtig zu sagen, dass Studenten doch besser gleich Arbeitslosengeld beziehen sollten. "Statistisch gesehen werden viele von ihnen gut dotierte Jobs finden", meinte Morris.
Die Regierung werde aber ihre Politik in diesem Punkt überdenken und ihre Schlussfolgerungen im Frühling veröffentlichen. Je nach Ergebnis wird dann zwar vielleicht kein Karneval, aber ein studentisches Sommerfest in der Downing Street veranstaltet.
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