Studiengebühren-Klage
Jetzt machen die Länder Ernst
Monatelang hatten sie es angedroht, nun ist es so weit: Sechs Bundesländer haben Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht und wollen so das bundesweite Verbot von Studiengebühren zu Fall bringen. Dahinter steckt ein alter Streit um Kompetenzen in der Bildungspolitik.
Die Süd-Nord-Achse steht, die von Ost nach West auch. Gleich sechs Bundesländer sind bei einer Klage gegen das Studiengebührenverbot dabei und halten geographisch die Balance: Baden-Württemberg und Bayern kämpfen ohnehin schon seit Jahren gegen den Zwangsverzicht auf Gebühren, aus den neuen Ländern beteiligen sich Sachsen und Sachsen-Anhalt, Nordlicht Hamburg stieß vor einigen Monaten hinzu und tief im Westen das Saarland.
Am Freitag haben die Gebührenfans im Sixpack umgesetzt, was sie schon seit geraumer Zeit mal mehr wolkig und als Drohkulisse gegen die Bundesregierung, mal viel konkreter ankündigten. Die sechs Länder wollen sich nicht länger gefallen lassen, dass die Bundesregierung im Hochschulrahmengesetz (HRG) festgelegt hatte, bundesweit dürfe es im Erststudium keine Studiengebühren geben. Schluss mit der Gängelung, protestierten die Länder und beschlossen: "Wir wollen über die Finanzierung unserer Hochschulen selbst entscheiden."
Das bundesweite Gebührenverbot hatten SPD und Grüne schon 1998 im Koalitionsvertrag festgelegt, und es wurde zu einem der wichtigsten und zugleich verzwicktesten Ziele von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn. Lange mühte sich die SPD-Politikerin, auch die unionsregierten Länder vom Sinn einer bundeseinheitlichen Regelung zu überzeugen - vergebens. Zunächst wollte sie eine Einigung per Staatsvertrag erreichen, letztlich blieb ihr doch nur der Weg über das Hochschulrahmengesetz. Nach vierjährigem Tauziehen war es am 15. August 2002 soweit.
Und schon begann das muntere Bulmahn-Bashing: Das HRG lässt derart viele Schlupflöcher für das Gebühren-Inkasso der Länder, dass Studentenvertreter darin einen Bruch des Wahlversprechens sahen. Die Langzeitstudiengebühren in Baden-Württemberg zum Beispiel, aber auch Einschreibegebühren als angeblicher "Verwaltungskostenbeitrag" der Studenten blieben unangetastet.
Den unionsregierten Ländern und auch manchen SPD-Bildungspolitikern indes passt die ganze Richtung nicht. Teil sehen die Wissenschaftsminister Studiengebühren aus hochschulpolitischen Gründen als echten Gewinn und halten sie teils wegen der Finanzmisere der Länder für unausweichlich (wie der Berliner SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit, der Anfang der Woche Edelgard Bulmahn in die Parade fuhr). Oder sie wollen sich einfach nicht von der Bundesregierung in ihre inneren Angelegenheiten hineinregieren lassen.
Hans Zehetmair etwa, dem knorrigen CSU-Mann aus Bayern und inzwischen deutschlandweit dienstältesten Minister überhaupt, gelang auch nach vielen Jahren im Amt stets locker der Spagat, sich einerseits energisch jede Einmischung des Bundes zu verbitten - und im nächsten Atemzug mit Verve gegen die Einführung allgemeiner Studiengebühren zu wettern. Baden-Württemberg wiederum lässt keinen Zweifel daran, dass das Ländle schleunigst Gebühren für alle umsetzen möchte, wie Wissenschaftsminister Peter Frankenberg kürzlich im Interview mit UniSPIEGEL ONLINE klarstellte.
Mit dem sakrosankten Föderalismus deutscher Prägung ist es in der Bildungspolitik eine heikle Sache: Eine theoretisch segensreiche Einrichtung, die Vielfalt und eine gewisse Konkurrenz an den Schulen und Hochschulen stiftet. Und praktisch zugleich ein Musterbeispiel für alle möglichen Eigenbrötlereien und Grabenkämpfe zwischen Kultusministern, die sich in der Hierarchie ihrer Landeskabinetten ein Plätzchen fernab der wirklich wichtigen Ressorts suchen müssen, sich unter der Knute der Finanzminister ducken und derweil um Profil auch außerhalb der Landesgrenzen ringen.
Das führt regelmäßig zu den schönsten Blockaden etwa in der Kultusministerkonferenz. Dort belauern sich 16 Länderminister, bilden Koalitionen und Kommissionen, am Ende einigt man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Und der ist bisweilen mit bloßem Auge kaum zu erkennen.
Nun begründen die sechs Länder ihre Klage wiederum mit dem Hl. Föderalismus: "Das Hochschulrecht ist ein Kernbereich der Länderzuständigkeit", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Mit seiner HRG-Änderung im vergangenen Jahr greife "der Bund nachhaltig in die Freiheit der Länder ein, über die Finanzierung der Hochschulen selbst zu entscheiden".
Die Antragsschrift für das Normenkontrollverfahren umfasst gut 100 Seiten und soll vielfältige Verstöße gegen das Grundgesetz dokumentieren: Das neue HRG gehe zu sehr ins Detail und belasse den Ländern keine eigenen Handlungsspielräume mehr.
Nicht nur die neue Gebührenregelung ist den Ländern dabei ein Dorn im Auge, sondern auch die "detailliert geregelte Verpflichtung zur Einführung verfasster Studierendenschaften". Die "Südstaaten" Bayern und Baden-Württemberg hatten die ASten in den siebziger Jahren abgeschafft und wollen von ihrer Position keinesfalls abrücken. Umstritten bleibt zwischen Bund und Ländern weiterhin, ob das Hochschulrahmengesetz ohne Zustimmung der Länder verabschiedet werden durfte. Die Bundesregierung hatte das HRG am Bundesrat vorbeibugsiert, die klagenden Ländern werten das als schweren Rechtsverstoß.