Studiengebühren Münchner Sandkastenspiele
Studenten sollen künftig einen Teil ihres Studiums selbst finanzieren, meint Wolfgang Herrmann. Der Rektor der TU München hat - nicht zum ersten Mal - "Bildungsbeiträge" ins Gespräch gebracht: "Individuelle Kostenbeteiligungen" seien zur Qualitätsmaximierung unausweichlich und entsprächen dem "System von Leistung und Gegenleistung", meint Herrmann.
Damit unternimmt die TU München einen weiteren Vorstoß zur Einführung von Studiengebühren. Bereits seit einigen Monaten werkelt die renommierte Hochschule an Gebührenplänen und wird dabei unterstützt vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), einer konservativen Denkfabrik, die sich bereits seit Jahren für Studiengebühren stark macht und stets Verbündete sucht.
Klar geregelt im Hochschulgesetz
Nach dem recht komplizierte Münchnern Modell heißen die Studiengebühren jetzt Bildungsbeiträge. Die Studenten sollen Darlehen erhalten, von denen sie dann die Kosten für ein Studium höherer Qualität bezahlen können. Außerdem plant die TU München "Stipendien" von etwa 1000 Euro pro Monat, die sowohl die Studiengebühren als auch den Lebensunterhalt abdecken. Dafür sollen Partnerunternehmen gewonnen werden.
Das Münchner Modell hat eine Reihe von Tücken und Lücken, die bereits im Frühjahr dazu führten, dass Bayerns Wissenschaftsminister Hans Zehetmair dem Rektor sofort in die Parade fuhr. Der größte Makel: Die Gesetzeslage lässt die Einführung allgemeiner Studiengebühren schlicht nicht zu. Einerseits widersprechen sie dem neuen Hochschulrahmengesetz, das ausdrücklich einen bundesweiten Gebührenverzicht im Erststudium vorsieht - wenn auch mit einigen Schlupflöchern. Andererseits heißt es auch im bayerischen Hochschulgesetz eindeutig: "Für das Studium, die Hochschulprüfungen und die staatlichen Prüfungen werden von den Studenten Gebühren und Auslagen nicht erhoben."
Dass es Wissenschaftsminister Hans Zehetmair damit ernst ist, zeigt seine prompte Reaktion auf den Vorschlag: Die TU München versuche, den Eindruck zu erwecken, als könne sie selbst über Studiengebühren entscheiden. Das sei aber ein "reiner Trugschluss" und für die Entscheidung in Bayern allein der Landtag zuständig.
Der CSU-Minister wirft Herrmann zugleich ein Zerrbild vor. Bei der Gebührendebatte dürften "Nachteile nicht konsequent ausgeblendet und die Frage der Finanzierbarkeit nicht beharrlich schöngeredet werden". So fehle bei den "Sandkastenspielen" der TU ein tragfähiges Konzept. Bei einem monatlichen "Stipendium" von 1000 Euro pro Student und derzeit 19.000 TU-Studenten müsse die Hochschule 228 Millionen Euro jährlich aufbringen, rechnet Zehetmair vor. Und fügt hinzu: "Im Übrigen würde das Wissenschaftsministerium gern die Garantieerklärung eines einzigen Finanzministers sehen, dass die durch Gebühren oder Darlehen erzielten Einnahmen in vollem Umfang bei den Hochschulen bleiben" - eine der Kernfragen in der Gebührendebatte.
Herrmann und einige seiner Rektorenkollegen, die ebenfalls Studiengebühren befürworten, betonen stets die Anreiz- und Steuerungswirkung von Gebühren. Der TU Rektor begleitete seinen neuerlichen Vorstoß mit einer publizistischen Offensive und fährt dazu das komplette Argumente-Arsenal der Gebührenfans auf.
In der "Zeit" etwa schwärmte er davon, dass Studenten durch Darlehens- und Studienbeitragsmodelle "von passiven Empfängern zu aktiven Kunden werden" könnten. Als Gegenleistung müsse die Hochschule allerdings Standards garantieren, etwa "definierte Betreuungsverhältnisse in Seminaren, schnelle Korrektur von Klausuren, begleitende Studienberatung, studienförderndes Jobsystem".
"Statt den billigen Jakob zu spielen, sollten wir Leistung bringen, die dann gerne ihren Preis hat", lautet Herrmanns Credo. Die anhaltende Finanzmisere der Hochschule, die leeren Staatskassen deutet er zu einer "historischen Chance" um: Die ideologische Fessel von der Sozialchimäre der Gebührenfreiheit muss gesprengt werden", schreibt Herrmann in der "Zeit".
Woher sollen die Stipendien kommen?
Dass die TU-Leitung Studiengebühren gegen die bayerische Landesregierung nicht durchsetzen kann, ist auch Herrmann klar - aber steter Tropfen höhlt den Stein, ist offenbar seine Devise: Man kann es ja mal versuchen.
Dass Wissenschaftsminister Zehetmair ihn jetzt so kühl auflaufen lässt, hat eine pikante Note: Im Januar 2001 sollte Herrmann eigentlich sein Kabinettskollege werden - als bayerischer Verbraucherschutzminister. Doch einen Tag vor der Vereidigung zog Ministerpräsident Edmund Stoiber den Kandidaten zurück, weil gegen Herrmann ein Steuerverfahren lief. Er wurde also nicht Minister, blieb TU-Präsident und akzeptierte eine Geldstrafe von 45.000 Mark wegen Steuerhinterziehung - wegen einer "günstigen Sozialprognose" der Staatsregierung ohne disziplinarische Folgen.
Als Rektor wird Wolfgang Herrmann von seinen bayerischen Kollegen aber durchaus geschätzt; die TU München hat wegen ihrer Leistungen in Forschung und Lehre sowie ihrer konsequenten Verwaltungsreformen bundesweit einen ausgezeichneten Ruf. Ohne ein überzeugendes Stipendiensystem indes kann Herrmann noch viele erfolglose Anläufe pro Studiengebühren nehmen. Bei der Suche nach Mäzenen ist er ja nicht allein: Bislang ist es in Deutschland noch niemandem gelungen, Studenten-Stipendien in mehr als nur bescheidenem Umfang aufzutreiben - das Engagement der Wirtschaft ist traditionell mäßig.