Studiengebühren Müssen Studenten für Uni-Gebäude zahlen?
Es soll gebaut werden - eigentlich ein schönes Signal in finsteren Zeiten. Das rund hundert Meter lange Gebäude der philosophischen Fakultät an der Universität des Saarlandes soll um ein Stockwerk wachsen. In diesem Zusatzteil, so stellt es sich Uni-Präsident Volker Linneweber vor, entstehen dann einzeln buchbare Arbeitsräume für Gruppenarbeiten der Studenten in lauschiger Atmosphäre.
Der Flachdachbau ist groß, die Aufstockung entsprechend teuer. Sie soll aber nicht staatlich finanziert, sondern aus Geld bezahlt werden, das der Staat als Campusmaut kassiert. Mit je 110.000 Euro aus Studiengebühren in zunächst vier Semestern soll ein Kredit für die neue Etage finanziert werden - ein Ärgernis für den derzeitigen Asta, der in der Entscheidung einen Dammbruch sieht. Die Studentenvertreter argumentieren, Gebäude seien keine Verbesserung der Lehre, und ihre Bereitstellung sei Grundaufgabe des Landes.
Es ist ein Dauerzank: Wofür sind Studiengebühren da - für schönere Toiletten? Vielleicht für Heizöl? Sollen Studenten auch für die Gehälter von Professoren blechen? Letzte Woche entlud sich dieser grundsätzliche Dissens zwischen Uni-Leitung und dem seit kurzem amtierenden Saar-Asta in der paritätisch besetzten Kommission für die Vergabe der Studiengebühren. Der Asta allein sei schuld an der momentanen Aufregung, so der Präsident. Die Studentenvertreter feuern zurück: Die Mitbestimmung habe der Präsident "gegen die Wand gefahren".
Neue Richtlinien geschickt eingefädelt
Was geschehen war: Bis zum Sommer 2008 schlossen die Richtlinien der Universität Baumaßnahmen aus Gebühreneinnahmen kategorisch aus. Schon damals fasste Universitätspräsident Volker Linneweber aber den Plan, eine schöne Dachkammer als Lernoase auf das Philosophen-Gebäude zu setzten. Linneweber sagte schon im Juni, er plane, den Neubau von Arbeitsgruppenräumen über 15 Jahre hinweg mit Studiengebühren zu finanzieren.
Ein Aufschrei blieb zunächst aus. Mit Hilfe eines von den Jusos geführten Asta, den Linneweber "konstruktiv" nennt, änderte der Präsident die "Richtlinien zur Verwendung der Studiengebühren". Und fügte einen kleinen Halbsatz hinzu: Seitdem steht dort unter "Verbesserung der Studienbedingungen" als eine erlaubte Option das "Schaffen studentischer Arbeits- und Gruppenräume" - ein Passus wie gemacht für den Dachausbau. "Das System muss lernen", sagte Linneweber damals zu seinem Plan.
Die Lage ist ähnlich wie im aktuellen Fall an der Uni Hohenheim. An der baden-württembergischen Uni wollte die Leitung jüngst Studiengebühren fürs Heizen ausgeben. Immer, heißt es hier wie dort, seien Studenten und Hochschulleitung wunderbar miteinander ausgekommen. Stets herrschte Eintracht, wohin die Studenten-Euros fließen dürfen und wohin nicht - bis die Präsidenten in die Offensive gingen und mit neuen Plänen Zwietracht säten.
Neue Räume immer gern - "aber nicht aus Studiengebühren"
Als "ausgezeichnet" beschreibt Waël Hamdan, Asta-Vorsitzender an der Saarbrücker Uni, das bisherige Verhältnis zum Präsidenten. "Mit ihm kann man über alles reden", war Hamdan überzeugt. Doch bei dieser Entscheidung sei Linneweber "hart und undiplomatisch". Zwar begrüßt der Asta neue Räume für die Studenten - "aber eben nicht aus Studiengebühren". Dagegen gebe es einstimmige Beschlüsse des Asta und der Fachschaftenkonferenz.
Der sonst so umgängliche Präsident rühmte bis dato die eigene Amtsführung in Sachen Campusmaut: "In der von mir geleiteten Kommission über die Verwendung wurden ausschließlich Beschlüsse gefasst, denen die Studierendenvertreter mehrheitlich zustimmten" - doch damit ist es vorbei. Jetzt sagt Linneweber barsch, der Asta sei "fundamentalistisch geprägt" und solle "zur konstruktiven Sacharbeit zurückkehren".
Auf insgesamt 1,65 Millionen Euro beziffert der Asta die Kosten der neuen Etage. Das Finanzkonzept sehe einen Kredit über 15 Jahre vor, jährlich sollen 110.000 Euro aus Studiengebühren getilgt werden - und die Studenten auch die Zinsen zahlen.
Den Einwand, hier handle sich um Hochschulbau, wischt der Präsident weg: Das sei "schlichtweg falsch", der Asta spreche nicht für die Mehrzahl der Studenten. Der Bau diene "unzweifelhaft dem häufig bekundeten Wünschen der Studierenden". Nach Auffassung von Linneweber dürfen "Studiengebühren nicht für Neubau, Bauunterhaltung und Sanierung verwendet werden, wohl aber für studentische Arbeits- und Gruppenräume" - im Einklang mit den neuen Richtlinien, angepasst in den Semesterferien 2008.
"Studenten zu ihrem Glück zwingen"
Der Präsident gibt sich hartleibig, es geht um Grundsätzliches für die Zukunft: Kann im Saarland mit Studiengebühren gebaut werden oder nicht? Der Asta sagt nein, der Präsident neuerdings ja. Das Land verweist auf das Hochschulgesetz. Dort steht aber lediglich, dass die Einnahmen den Hochschulen "als Mittel Dritter zweckgebunden zur Verbesserung der Qualität in Studium und Lehre zur Verfügung stehen" - was den Fall nicht klärt.
"Das ist Bau", sagt Linneweber. Doch für ihn gibt es zwei Arten, wie an einer Uni gebaut werden kann - "die Pflicht und die Kür". Räume zur Seminarvorbereitung exklusiv für die Studenten seien eben Kür. Zur Pflicht zählt er Sanierungsarbeiten an einem Chemielabor und anderen maroden Gebäuden. Dafür gebe es über das staatliche Konjunkturprogramm der Bundesregierung 35 Millionen Euro.
Linneweber ärgert, dass die Studentenvertreter nicht länger an seiner Seite sind. Er habe das Gefühl, er müsse die Studenten "zu ihrem Glück zwingen", sagt er. Und dass er von Räumen, wie sie nun entstehen sollen, in seiner Studienzeit nur habe träumen können.
Das zuständige Wissenschaftsministerium gibt bisher keine eindeutige Antwort, ob der Aufstockungsplan rechtskonform ist. Für Baumaßnahmen sei eine Verwendung von Gebühren generell nicht möglich, es gebe aber "Ausnahmen". Ist die neue Etage eine solche Ausnahme? Das werde geprüft, sagte ein Ministeriumssprecher SPIEGEL ONLINE. Da werde sich Uni-Präsident Linneweber "noch erklären müssen".