Studiengebühren Bezahlstudium ist durchgefallen

Anti-Gebühren-Proteste (2007): Die Wut war groß bei den Studenten
Foto: A3472 Frank May/ dpaNein, leicht hatten es die Freunde der Studiengebühren nie. Zehntausende Studenten protestierten, Professoren wetterten, und der Streit um das Bezahlstudium ebbte nie ganz ab. Ihr größter Triumph war noch der Sieg vor dem Verfassungsgericht, als sie das bundesweite allgemeine Gebührenverbot kippten. Aber das war 2005.
Jetzt verlangen nur noch zwei Bundesländer bis zu 500 Euro pro Semester von ihren Studenten - und auch dort bröckelt die Befürworterfront. Deutlich ist mittlerweile aus der CSU zu hören, dass auch sie sich abwenden könnte: Dann würde das Studieren in Bayern wohl wieder kostenfrei werden. Denn eine Volksabstimmung über die Gebührenfrage, wie sie die bayerischen Verfassungsrichter gerade erlaubt haben, käme im Wahlkampf ungelegen. In Niedersachsen wiederum will die Opposition aus SPD, Grünen und Linken die Gebühren abschaffen - und im Januar ist Landtagswahl.
Sieben Länder hatten die Gebühren in den vergangenen Jahren eingeführt, fünf schafften sie wieder ab, meist nach Regierungswechseln. Schneller als viele Gebührengegner zu hoffen gewagt hätten, ist das Bezahlstudium zum Auslaufmodell geworden.
Schaden die Gebühren? Keine Ahnung!
Umstritten war es von Anfang an, auch wenn kaum jemand so genau weiß, welche Effekte es hat: Schrecken die Gebühren Studenten aus ärmeren Familien tatsächlich ab? Verbessern sie die Lehre? Es gibt Studien und Auswertungen, die dieses bestätigen und jenes bezweifeln - und umgekehrt. Manch ein Uni-Präsident verdammte die Gebühren, andere forderten sie lautstark.
Natürlich gibt es Erfahrungswerte - aber auch mit denen argumentieren sowohl Befürworter als auch Gegner. So verteidigte Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, die Gebühren nach wie vor: Der "Frankfurter Rundschau" sagte er vor wenigen Tagen, 500 Euro pro Semester würden niemandem weh tun. Die Gebühren führten dazu, "dass junge Leute sich genau überlegen, welches Fach sie wirklich studieren wollen". Studentenvertreter widersprechen heftig - sie fürchten etwa, dass durch Studiengebühren "Sparmaßnahmen in der Bildung legitimiert" würden, wie es beim studentischen Dachverband FZS heißt.
Das Siechtum des Bezahlstudiums erzählt aber auch eine Geschichte über den Bildungsföderalismus - darüber, wie zerfasert die von Angela Merkel ausgerufene "Bildungsrepublik" ist. Wie soll man jemandem erklären, warum man in Stuttgart für das Studium nichts bezahlen muss, in München aber schon? Warum führt Sachsen Gebühren für Langzeitstudenten ein und Brandenburg nicht? Von verschiedenen Schulformen, Abschlüssen und Studienordnungen gar nicht zu reden.
Atomausstieg der Bildungspolitik
Der Gebührenstreit hatte noch unter Gerhard Schröder begonnen, damals ließ die rot-grüne Koalition ein Gebührenverbot in das Hochschulrahmengesetz schreiben. Dagegen klagten sechs Bundesländer, sie wollten sich nicht in ihre Bildungspolitik reinregieren lassen - die Verfassungsrichter gaben ihnen recht.
Das Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern gab es immer wieder und gipfelte schließlich im sogenannten Kooperationsverbot vor sechs Jahren: Dem Bund ist es seitdem dort verboten, Geld für "bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden" beizusteuern, wo allein die Länder Gesetzgebungskompetenz haben - zum Beispiel in der Bildung. Ihr Monopol verteidigen manche Länder mit dem Argument: Der Föderalismus führe zum Wettbewerb ums beste Schulsystem, um die besten Unis, die beste Forschung. So als ob Schüler, Studenten, Eltern mal eben das Bundesland wechseln wie den Stromanbieter oder die Telefonfirma. Außerdem fehlt in vielen Landeshaushalten das Geld - sie könnten Hilfe vom Bund gut gebrauchen. Mittlerweile haben die meisten Bildungspolitiker das Kooperationsverbot als grotesken Irrtum erkannt - auf eine Formulierung für eine Grundgesetzänderung konnten sie sich bislang trotzdem nicht einigen.
Das absehbare Ende des Bezahlstudiums lässt sich auch als Atomausstieg der Bildungspolitik sehen. Union und FDP hielten lange an den Gebühren fest, obwohl die Position immer unpopulär war. Es machte ihre Position nicht stärker, dass einige Hochschulen Millionen horteten, anstatt das Geld in bessere Studienbedingungen zu stecken. Und dass andere eher fragwürdige Investitionen tätigten. Dennoch betonte Bildungministerin Annette Schavan kürzlich erst, wie viel Geld bundesweite Gebühren brächten.
Doch jetzt, da der Druck zu groß wird, scheint zumindest Bayern umzusteuern. In Niedersachsen hängt die Zukunft der Gebühren wohl von der kommenden Landtagswahl ab. Das Wissenschaftsministerium kündigte erst einmal an, man sehe "keinen Anlass und auch keine neuen Argumente, die niedersächsische Position infrage zu stellen oder neu zu bewerten".