Studium Bolognese Bachelor-Studenten verzweifeln am Leistungsdruck
Es knirscht an den deutschen Unis, und das Knirschen wird lauter. Es ist das Zähneknirschen überforderter Studenten. Sie halten den Leistungsdruck nicht mehr aus, der durch die neuen Studienabschlüsse Bachelor und Master in vielen Studiengängen deutlich zugenommen hat.
Nahezu flächendeckend haben die Unis ihre Studiengänge umgebaut, Diplom und Magister sterben aus. Deutlich strengere und straffere Prüfungsordnungen wurden für Bachelor und Master eingeführt. Das Ziel des Großumbaus, der 1999 in Bologna beschlossen wurde: Das Studium soll praxisnäher, effizienter und schneller, der Bummelstudent zur aussterbenden Spezies werden. Die Reform soll außerdem einen einheitlichen europäischen Hochschulraum schaffen und damit die internationale Mobilität fördern - eigentlich bis 2010, kleine Verzögerungen möglich.
Doch rund läuft es nicht auf der Bildungs-Baustelle. Studenten "alter" Studiengänge fürchten, unter die Räder zu kommen. Einige Fachbereiche stemmen sich gegen die Umstellung. Selbst der Deutsche Hochschulverband hält die Reform für "weitgehend misslungen". Und nun zeigt sich, dass die Effizienzsteigerung vor allem die seelischen Probleme der neuen Bachelor-Studenten steigert.
"Ganz fatal ist, dass jedes Bisschen abgeprüft werden muss", sagt Volker Koscielny, der psychologische Berater der Zentralen Studienberatung der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Die hohe Anzahl der Prüfungen bezeichnete der Hochschulpsychologe als "extrem übertrieben". Stattdessen sprach er sich für "mehr Freiwilligkeit bei der Anwesenheit in den Seminaren" aus.
Viele Studenten leiden an Depressionen, sagt der Psychologe
Gerade für jene Hochschüler sei es wichtig, sich die Zeit frei einteilen zu können, die sich ihr Studium durch eine Nebentätigkeit finanzieren müssen. "Berufstätige Studenten haben jetzt mehr Probleme als in den alten Studiengängen." Ein Nebenjob werde durch die hohe zeitliche Belastung im Bachelor erschwert. Nach Einschätzung des Experten könne das dazu führen, dass "soziale Selektion stattfindet". Da in der neuen Studienordnung vom ersten Semester an jede Note wichtig sei, stünden die Studenten bereits zu Studienbeginn unter großem Druck.
Viele Bachelor-Studenten litten unter Depressionen oder daran, "vor lauter Angst" nicht lernen zu können. Während früher eher Mediziner und Juristen über "akute Verzweiflungszustände" geklagt hätten, kämen seit dem Bachelor deutlich mehr Geisteswissenschaftler zur Beratung. "Jeder fünfte Hilfesuchende braucht neben der Beratung eine professionelle Psychotherapie", sagte Koscielny.
Schon vor zwei Jahren warnten Uni-Psychologen vor den Folgen der Hochschulreform. "Der klar vorgegebene Studienverlauf schürt Ängste, zurückzubleiben und den Anschluss an die anderen zu verlieren", sagte damals Hans-Werner Rückert, Leiter der Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologische Beratung der Freien Universität Berlin.
Der Erfolgsdruck sei enorm, insbesondere dann, wenn nur 30 Prozent der besten Bachelor-Absolventen ein Master-Studium anschließen dürften - wenn also der erste Abschluss zur Sackgasse wird. Bummelei oder Fehlentscheidungen bei der Wahl der Studienrichtung könne sich künftig niemand mehr leisten.