Psychopharmaka an Unis Studenten schlucken häufiger Tabletten

Studenten klagen schon lange über Stress, Leistungsdruck, Zukunftsangst. Jetzt zeigt eine neue Auswertung: Studenten nehmen heute deutlich länger und häufiger Psychopharmaka als früher. Gleichaltrige Erwerbstätige greifen nicht so oft zu Tabletten.
Tabletten: Studenten nehmen häufiger und länger Psychopharmaka

Tabletten: Studenten nehmen häufiger und länger Psychopharmaka

Foto: DPA

Das Studium zerrt offenbar an den Nerven: Deutsche Studenten nehmen inzwischen deutlich länger Psychopharmaka als früher. Eine Auswertung der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt: 2010 erhielt ein Student statistisch betrachtet 13,5 Tagesdosen. Das sind 55 Prozent mehr als im Jahr 2006, damals waren es 8,7 Tagesdosen, das teilte die Krankenkasse am Mittwoch mit.

Damit stieg der Verbrauch unter Hochschülern stärker als unter gleichaltrigen Berufstätigen. Bei dieser Gruppe erhöhte sich die Quote von 7,1 Dosen im Jahr 2006 auf 9,9 Dosen 2010 - ein Plus von 39 Prozent.

Die Krankenkasse wertete die Daten jener Studenten aus, die sich selbstständig, das heißt nicht über ihre Eltern, bei der TK versichert haben. Diese Ergebnisse verglich sie mit der gesundheitlichen Situation von jungen Berufstätigen im Alter zwischen 20 und 35 Jahren.

Dabei bekommt jeder fünfte bei der TK-versicherte Student und junge Erwerbstätige mindestens einmal pro Jahr vom Arzt ein psychisches Leiden diagnostiziert. Männer waren mit 13 Prozent betroffen, Frauen mit 30 Prozent deutlich häufiger. "Mit zunehmendem Alter nehmen die Diagnosen einer psychischen Störung bei Studierenden erheblich stärker zu als bei Berufstätigen", teilte die Krankenkasse mit. Dabei verschreiben Ärzte auch häufiger Antidepressiva: Die Verordnungsraten stiegen innerhalb der vergangenen vier Jahre um mehr als 40 Prozent.

Studenten leiden unter Prüfungsstress, Zeitdruck und Zukunftsangst

Die Ergebnisse passen zu anderen Untersuchungen: So führte Forsa im Auftrag der Krankenkasse vor wenigen Monaten eine Umfrage unter 1000 Studenten in Nordrhein-Westfalen durch. Das Ergebnis: 75 Prozent der Befragten fühlten sich nervös und unruhig, 23 Prozent haben Phasen tiefster Verzweiflung, und 15 Prozent leiden unter Panikattacken. Die Gründe? Prüfungsstress und Zeitdruck, sagten die Studenten damals, Überforderung, Zukunftsangst und Geldsorgen. Der Druck geht der Umfrage zufolge zurück auf verschärfte Studienbedingungen: Mehr als die Hälfte der Befragten klagte über kürzere Studienzeiten und weniger Freiräume.

Auch eine Studie an der TU Chemnitz mit psychologischen Beratern von Studentenwerken aus 14 Bundesländern ergab, dass bei 83 Prozent der Studenten eine Tendenz zur Überlastung und psychischen Erschöpfung vorliege. Obwohl die meisten Berater den Begriff Burnout angesichts unterschiedlicher Erschöpfungserscheinungen zurückhaltend verwenden, sahen 61 Prozent von ihnen vor allem in den vergangenen fünf Jahren "einen deutlichen Anstieg von Burnout im engeren Sinne". Als Ursache hätten die Fachleute vor allem die Umstellung auf das Bachelor-Master-Studium benannt. Problematisch seien die erhöhte Arbeitsdichte und der Mangel an Freiräumen, verbunden mit dem gesamtgesellschaftlich steigenden Leistungs- und Konkurrenzdruck.

Eine andere Studie der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS) stellte vor nicht allzu langer Zeit fest, dass sich etwa jeder 20. Student mit verschreibungspflichtigen Medikamenten aufputscht, jeder zehnte nimmt Mittel zur Leistungssteigerung. Die allermeisten hatten demnach vom Pharma-Turbo nur gehört.

fln/afp
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren