Kritik an Erdogan Deutsche Wissenschaftler solidarisieren sich mit türkischen Intellektuellen

Der türkische Präsident Erdogan droht 1200 Akademikern mit ernsten Konsequenzen, weil sie eine regierungskritische Petition zum Kurdenkonflikt unterzeichnet haben. Hunderte deutsche Wissenschaftler solidarisieren sich jetzt mit ihren Kollegen.
Präsident Erdogan: "Sie werden den Preis zahlen"

Präsident Erdogan: "Sie werden den Preis zahlen"

Foto: ADEM ALTAN/ AFP

Die Verfolgung von Regierungsgegnern in der Türkei hat sich inzwischen auch auf Wissenschaftler ausgeweitet. Präsident Recep Tayyip Erdogan hat erneut scharf auf einen von Akademikern unterzeichneten Appell zum Kurdenkonflikt reagiert: Er warf ihnen Verrat vor.

Die "sogenannten Intellektuellen" würden den Preis dafür zahlen, sagte Erdogan während einer Rede in seinem Präsidentenpalast in Ankara.

Der Staatschef warf den Akademikern vor, die "Einheit der Nation" zu bedrohen und "ihren Hass auf Werte und Geschichte der Türkei" zu verbreiten. Mit ihrem "komfortablen Leben" aufgrund des vom Staat gezahlten Gehalts sei es nun vorbei, sagte Erdogan.

Mehr als 1200 türkische Wissenschaftler hatten in der vergangenen Woche eine Petition unterzeichnet. Darin wird die Staatsführung aufgefordert, die von den Sicherheitskräften verübten "vorsätzlichen Massaker und Deportationen kurdischer und anderer Menschen" in den Kurdengebieten im Südosten der Türkei zu beenden.

Erdogan bezichtigte die Unterzeichner der Komplizenschaft mit den "Terroristen" der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Polizei hatte am Freitag 18 Unterzeichner der Petition festgenommen und später wieder freigelassen. Sie müssen sich aber weiterhin wegen des Vorwurfs der "Terrorpropaganda" verantworten. Gegen die weiteren Unterzeichner sind Ermittlungen wegen "Beleidigung des Staats" im Gange.

Mehrere Universitäten leiteten zudem Disziplinarverfahren gegen Mitarbeiter ein. Die EU-Kommission und die US-Regierung verurteilten Ankaras Vorgehen.

Unterstützung aus Deutschland

Inzwischen haben sich deutsche Wissenschaftler in einer Online-Petition  mit ihren Kollegen in der Türkei solidarisiert. Initiiert wurde die Aktion von der Frankfurter Professorin Christine Huth-Hildebrandt und dem Hildesheimer Professor Gazi Çaglar. Ihre Überschrift lautet: "Für eine friedliche Lösung des kurdischen Konflikts - keine Repression für die Akademikerinnen und Akademiker des Friedensaufrufs in der Türkei." Die Petition hat bereits rund 1800 Unterzeichner.

Die türkische Justiz verfolgt seit Erdogans Wechsel vom Amt des Premierministers in den Präsidentenpalast im Sommer 2014 Hunderte Fälle von angeblicher Präsidentenbeleidigung. Sogar Schüler wurden bereits verurteilt. Zudem geht die türkische Regierung immer wieder hart gegen kritische Journalisten vor, viele halten die Pressefreiheit für gefährdet. Mehrere Journalisten wurden bereits verhaftet.

ler/AFP/dpa
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