Typologie Die nervigsten Mitreferenten
Der Showmaster-Azubi
Der Seminarraum ist seine (oder ihre) Bühne, die 14 anwesenden Kommilitonen sind seine künftigen Fans. Dies ist sein Tag! Deswegen kann es leider nicht DEIN Tag werden. Er stellt dich als seine "bezaubernde Assistentin" vor oder als seinen "Sidekick".
Um bei diesem Referat wahrgenommen zu werden, sollte deine Kleidung mindestens so viel Glitzeranteil haben wie seine. Nur wenn du ihm kurz vor der Präsentation zehn seiner zwölf Moderationskarten klaust, hast du Chancen, selbst zu Wort zu kommen.
Den Vortrag leitet der Entertainer in Ausbildung ein mit: "Guten Abend auch an die Zuschauerinnen und Zuschauer in Österreich und der Schweiz!" Darüber lacht er ausdauernd und ranzig, während die Zuhörer sich fragen, ob er sich eher in der Nachfolge von Florian Silbereisen oder von Dieter Thomas Heck sieht.
Eigentlich wollte dein Mitreferent eine dialogische Choreografie mit dir einstudieren. Weil du dich geweigert hast, schnipst, zwinkert und deutet er umso energischer bei den vermeintlichen Highlights. Bei einigen Betonungen geht er sogar leicht in die Knie.
Als er seine Mailadresse anschreiben will ("für weitere Infos und Fanpost"), bittet er dich, die Tafel zu wischen. Aus Rache legst du den feuchten Schwamm auf seine Autogrammkarten. Zum Finale des Auftritts zündet der Showmaster-Azubi ein Tischfeuerwerk, um vom fehlenden Applaus abzulenken.
- Kommentar des Professors: Wer war Marianne und wer Michael?
Der Tiefenentspannte
Klingelingeling, hier kommt der Leiermann
Die Zusammenarbeit von euch beiden klappt ganz prima - findet er. Denn je weniger er tut, umso mehr strengst du dich an. Der Tiefenentspannte sieht euer Referat als eine lästige Unterbrechung zwischen zwei Hackisack-Performances, die er in den Pausen vor dem Hauptgebäude hinlegt. Alle Termine für ein Vortreffen schmettert er ab, da er nun wirklich Wichtigeres zu tun hatte: einen Duschvorhang kaufen oder die Werke von Bukowksi neu in seinem Regal arrangieren.
Da bleibt einfach keine Zeit, sich stumpfe Spiegelstriche auszudenken. Beim dritten Versuch, mit ihm das Referat abzusprechen, beschimpft er dich als "schlimme Stresserin", verspricht aber, zu gegebener Zeit etwas vorzubereiten.
Eine Stunde vor dem Seminar mailt er dir tatsächlich seinen - erstaunlich schicken - Teil der Präsentation. Da er zu faul war, Namen und Datum in der Masterfolie zu ändern, fällt dir jedoch schnell auf, dass eine Studentin aus dem Jahrgang über euch offensichtlich das gleiche Referat gehalten hat. Im letzten Wintersemester.
Du legst los mit dem ersten Teil der Präsentation und versuchst, den Prof milde zu stimmen mit geistreicheren Gedanken und Zitaten aus seinem Lehrbuch. Diese Bemühungen ignoriert der Tiefenentspannte. Während du dich abrackerst, knackt er ein Ü-Ei und bastelt das Plastikfigürchen zusammen. Schließlich leiert er sich durch seine Folien und beendet jede Sinneinheit mit einem hingeseufzten "und bla". Zum Schluss zieht er das Fazit: "Läuft!"
- Kommentar des Professors: Wake me up before you go-go
Der Bildungsnostalgiker
Damals war alles besser
Als er zu studieren begann, konnte man den Kaffeeautomaten noch mit 50-Pfennig-Stücken füttern, und ein Bachelor war kein Abschluss, sondern ein englischer Junggeselle. Der Antiquierte kennt sich nicht aus mit zeitgenössischer Präsentationstechnik, denn statt sich in Powerpoint einzuarbeiten, muss er Geld ranschaffen, um seine Langzeit-Studiengebühren zu begleichen.
Beim ersten Referatstreffen erzählt er dir wehmütig, wie es früher an der Uni zuging: Da haben die Studenten noch "diskutiert, nicht einfach präsentiert". Daher versprichst du ihm zur Motivation, dass er nach dem Referat provokante Fragen in die Runde werfen darf.
Leider glaubt dein Mitreferent fest daran, dass sich das humanistische Bildungsideal im Overhead-Projektor manifestiert hat. Als er mit dieser Maschine in den Seminarraum rollt, erinnern sich einige Studenten verzückt an den Sachkundeunterricht der vierten Klasse. Während du mit Hilfe von Laptop und Beamer deinen Vortrag startest, versucht er minutenlang, seine Folie richtig herum auf den Projektor zu legen.
Bei seiner mündlichen Abhandlung gibt der Bildungsnostalgiker Zeile für Zeile die Sicht auf die Folie frei und nennt das einen "didaktischen Effekt". Inzwischen können nur noch Weitsichtige folgen - denn Times New Roman, Schriftgröße 9 ist für die übrigen Seminarteilnehmer gleichbedeutend mit unlesbar. Das macht aber nichts, denn als Menschenfreund liest er für all diese Kommilitonen wortgetreu seine Erläuterungen vor. Als die Glühbirne im Projektor durchbrennt, muss er das Referat vorzeitig abbrechen.
- Kommentar des Professors: Sehr schön! So mache ich es auch immer.
Die Zitterhand
Panikwellen vor dem Vortrag
Schon als euch das Referat zugeteilt wurde, hat er so verkniffen zur Seite geguckt. Jetzt wird dir langsam klar, dass du es mit einem Angst-Kandidaten zu tun hast. Seine Panik vor dem Vortrag bekämpft er mich penibler Planung. Er findet, ihr solltet euch ruhig zweimal pro Woche "zum Üben" verabreden. Du handelst ihn runter auf zwei Treffen insgesamt und übernimmst dafür die brenzligen Teile.
Am Abend vor der Präsentation übt dein Mitreferent seinen Text mehrfach durch: mit seinem Mitbewohner, der besten Freundin und mit seinem Patenonkel am Telefon. Er hat dich angefleht, dass du dich silbengenau an die verabredeten Stichwörter hältst. Sonst könnt er ja seinen Einsatz verpassen. Der lautet bei jedem Gliederungspunkt abwechslungslos, aber sicherheitsbewusst: "Kommen wir nun zu ".
Vor der Präsentation verabreichst du der Zitterhand zwei Süßstoff-Tabletten aus der Mensa und behauptest, dass sei "was Pflanzliches gegen Stress". Das gemeinsame Referat läuft daraufhin eigentlich ganz gut. Bis ein etwas zu aktiver Zuhörer eine Zwischenfrage stellt. Dein Mitreferent, der eben noch steingraue Wangen hat, schimmert plötzlich grünlich-weiß wie einer Energiesparlampe.
Du springst ein: "Sehr interessante Frage, das müssen wir unbedingt im Plenum diskutieren. NACH dem Referat." Mit letzter Kraft quält sich die Zitterhand durch die restlichen sieben Folien und knautscht dabei mit aller Kraft seinen Anti-Stressball. Die Abschlussdiskussion musst du allein bestreiten, während er versucht, mit autogenem Training seinen Kreislauf zu stabilisieren.
- Kommentar des Professors: Wie schon Goethe sagte: "Allein der Vortrag macht des Redners Glück. Ich fühl' es wohl, noch bin ich weit zurück."
Der Effekthascher
Wuuuuuuusch!
Seit Wochen hast du dich gewundert, warum dieser Kommilitonen in der Uni immer einen Lötkolben dabei hat. Und ein Spannungsmessgerät. Als ihr das Referat miteinander besprecht, verstehst du. Der Effekthascher kümmert sich nicht um inhaltliche Kinkerlitzchen, für ihn geht es vor allem um die Frage: Wie können wir das elektronisch umsetzen?
Er will möglichst viele Bild- und Soundeffekte in 20 Minuten abfeuern. Weil ihm Powerpoint einfach zu wenige Möglichkeiten bietet, hat er am Wochenende schnell noch selbst eine Software programmiert.
Zum Referatstermin schleppt er sein eigenes Equipment an. Denn: "Mein Beamer hat wirklich 'ne bessere Tiefenschärfe als diese Krücken von der Uni." Vor der Präsentation schließt der Effekthascher gewissenhaft die Jalousien, um die Farbbrillanz nicht zu gefährden. Sein sechsteiliges Soundsystem sorgt dafür, dass mit jeder eingeblendeten Folie ein "wuuusch" in Dolby-Surround-Qualität ertönt.
Während des Referats sagt er kein Wort. Stattdessen spielt er Videos und mp3-Files, die er vorher von seinem Vortrag aufgenommen hat. Stumm steuert er sein digitales Spektakel von der zweiten Reihe aus mit einem tragbaren Mischpult.
Als du anschließend total analog vor dich hin referierst, kommst du dir ziemlich trost- und effektlos vor. Zudem hast du Ohrensausen, weil du so nah an der Bass-Box gestanden hast.
Zum Abschluss mailt dein Mitreferent allen Seminarteilnehmern einen Link zu seiner Website. Dort kann man sich eure Folien herunterladen - zusammen mit einer 14-Tage-Testversion seines Programms "Presentation Sensation".
- Kommentar des Professors: Können Sie mir nach der Sitzung erklären, wie mein Blackberry funktioniert?