
Umwelt-Umfrage: Was die Städte grüner macht
Umweltstudie So öko tickt Europas Jugend
Über den Dächern wabern keine Smogwolken mehr, weniger Chemikalien verschmutzen die Gewässer, und manche Fabrik hat sich in ein Kulturzentrum verwandelt: In vielen europäischen Städten hat sich in Sachen Umweltschutz in den vergangenen Jahrzehnten einiges getan. Trotzdem ist das Thema immer noch präsent, vielleicht präsenter denn je - gerade unter jungen Menschen. Das hat eine aktuelle Umfrage in acht europäischen Großstädten ergeben, die am Mittwoch in Hamburg vorgestellt wird und die SPIEGEL ONLINE vorliegt.
In Wien, Zürich, Trondheim und Hamburg, Barcelona, Paris, Warschau und Brüssel haben Studenten auf die Frage geantwortet, welches für sie die größten Herausforderungen der Zukunft sind. Ganz oben landete: Umwelt- und Klimaschutz sowie Nachhaltigkeit. Drei Viertel der Befragten halten das für sehr wichtig. An zweiter Stelle stehen die Arbeitslosigkeit und die Verbesserung des Bildungssystems.
Für die Studie "Green Capital of Tomorrow - The Next Generation's Perspective" wurden in jeder Stadt zwei Studenten zu "Städte-Botschaftern" ernannt. Sie befragten im Auftrag der Stadt Hamburg, der Firma Siemens und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) insgesamt gut tausend Kommilitonen zwischen 21 und 30 Jahren zu Umwelt- und Zukunftsfragen.

Umwelt-Umfrage: Was die Städte grüner macht
Dass ihnen Umweltschutz sehr wichtig ist, wichtiger noch als die Bewältigung der Finanzkrise etwa, darin waren sich die jungen Europäer fast durchweg einig - was auch damit zu tun haben könnte, dass viele Befragte an ihrer Hochschule mit Bezug zum Thema Nachhaltigkeit lernen und forschen. Ihre Studiengänge heißen unter anderem ressourcenschonende Architektur und Stadtplanung, Umweltwissenschaften und Bauingenieurswesen.
Drängende Probleme: Umweltschutz schlägt Finanzkrise
Im norwegischen Trondheim, in Barcelona und in Hamburg stuften besonders viele Studenten den Umweltschutz als sehr große Herausforderung ein. Polen fällt aus der Reihe: In Warschau halten es viele für dringender, das Gesundheitswesen zu verbessern und die Kriminalität und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Und was muss geschehen, damit die Metropolen Europas noch grüner werden? Mehr als 80 Prozent der jungen, umweltbewussten Europäer sehen vier Punkte ganz oben auf der Agenda: den sorgsamen Umgang mit Ressourcen wie Trinkwasser, den Ausbau von erneuerbaren Energien, die Verbesserung von Müllentsorgung und Recycling sowie umweltfreundlichen Nahverkehr.

Grüne Großstädter: Nur noch kurz die Umwelt retten
"Ich hätte erwartet, dass das Thema Energiesparen an erster Stelle steht", sagte Werner Beba, Prodekan der Fakultät Wirtschaft und Soziales und Leiter des Kompetenzzentrums für erneuerbare Energien und Energieeffizienz der HAW, der die Studie betreute. Energie zu sparen, halten immerhin noch 76 Prozent der Befragten für wichtig oder sehr wichtig.
Meinung der Studenten über Atomkraft gespalten
In einer Frage waren sich Deutsche und Polen, Norweger, Österreicher und andere EU-Bürger uneinig: Wie wichtig ist der Atomausstieg? In Hamburg hielten ihn 58 Prozent der Studenten für sehr wichtig, in Paris - wo die Regierung weiter auf Atomkraft setzt - nur 23 Prozent und in Warschau lediglich 12 Prozent. "Das ist auch ein Spiegelbild der politischen Diskussion", sagte Beba.
Eine deutliche Mehrheit der Studenten findet, dass ihre Stadt sich mehr anstrengen muss, um die Umwelt und das Klima nachhaltig zu schützen. Viele sehen aber auch den Einzelnen in der Pflicht: Die Bürger müssten Verantwortung übernehmen und ihr Verhalten ändern, fanden mehr als drei Viertel der Teilnehmer. In Hamburg waren sogar 88 Prozent dieser Meinung, in Barcelona 85 Prozent. Deutlich seltener wollten die Österreicher ihre Mitbürger in die Pflicht nehmen. Dort stimmte nur gut die Hälfte der Befragten der Aussage zu, dass Stadtbewohner umweltbewusster agieren sollten.
Was sie selbst für die Umwelt tun, haben einige der Städte-Botschafter, die für die Studie ihre Kommilitonen befragten, dem UniSPIEGEL erklärt. Fast alle gaben an, ihren Müll zu trennen. Allerdings fahren einige auch regelmäßig mit dem Auto oder steigen für Urlaubsreisen ins Flugzeug und können nicht auf ihren Computer verzichten.
Die eigene Stadt grüner machen, ist also die eine Sache - das Weltklima zu schützen, ist eine ganz andere Herausforderung, und beide Ziele lassen sich teils schwer mit mitteleuropäischen Ansprüchen an Mobilität und einem gewohnt hohen Lebensstandard vereinbaren. Eine nachhaltige Stadt sei "nicht zum Nulltarif zu kriegen", sagt Studienleiter Beba. Mit dem drohenden Zeigefinger erreiche man aber nichts. Die Bürger müssten selbst verstehen, warum es sinnvoll ist, auf die Umwelt zu achten. Jeder müsse mithelfen - "und dafür auch gewisse Einschränkungen hinnehmen".