Uni-Doping Für ein paar Euro mehr

Die staatlichen Hochschulen halten gar nichts davon, wenn die private Konkurrenz mit reichlich Steuergeldern gepampert wird. Erbost kritisieren die Rektoren das diffuse Konzept einer neuen Management-Schmiede in Berlin - aus ihrer Sicht bisher eine "Luftnummer" der Großkonzerne.

Vor drei, vier Jahren grassierte bei Hochschulgründern Goldgräberstimmung. An den Universitäten segelten die Bundesländer zwar auf rigidem Sparkurs, förderten aber zugleich private Hochschulen nach Kräften. Die kleinen, beweglichen, wirtschaftsnahen Schnellboote sollten den trägen Tankern zeigen, wie man zum Beispiel das Studium strafft und internationaler gestaltet. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) beobachtete die Konkurrenz argwöhnisch, aber nicht ohne Respekt.

Zum Eklat kam es erstmals 1999, als Bremen beschloss, in die neue "International University" rund 230 Millionen Mark zu pumpen - allein als Starthilfe, plus indirekte finanzielle Förderung. "Bremen wieder wichtig", jubelte zwar die Lokalpresse enthemmt. Aber die Rektoren grollten. Öffentlich kritisierten sie, dass selbst hoch verschuldete Bundesländer viele Millionen für solche Neugründungen locker machen können. Die HRK gab die Linie vor: "Private Hochschulen sollen prinzipiell auch privat finanziert werden", so ihre Forderung bis heute.

Kommt Zeit, kommt Konzept

Die Bremer Privatuniversität konnte zumindest noch mit einem anspruchsvollen Lehrangebot, ausgereifter Planung, renommierten Namen brillieren. Viel weniger hatten die Vertreter deutscher Großkonzerne parat, als sie in der vergangenen Woche die Gründung ihrer "European School of Management and Technology" (ESMT) in Berlin verkündeten: Zu wenig Firmenspenden, ein vages Konzept, kaum Professoren - und trotzdem erhielten die viele Milliarden schweren Unternehmen vom Berliner Senat zunächst ein schmuckes Gebäude und drängten dann auch noch auf weitere Millionen für die Sanierung.

Da platzte den Rektoren staatlicher Hochschulen abermals der Kragen. In ungewöhnlich scharfer Form hat sich die HRK jetzt gegen Staatssubventionen für die neue Eliteschmiede der Wirtschaft gewandt. "Wenn die Wirtschaft ausdrücklich einen eigenen Weg ohne Beteiligung staatlicher Hochschulen beschreiten will, muss sie auch für eine angemessene Finanzausstattung sorgen und ein überzeugendes inhaltliches Konzept vorlegen", doch beides sei "noch nicht erkennbar", so die HRK-Stellungnahme.

Klaus Landfried wird in seiner Kritik deutlicher: "Dilettantisch" nennt er das Vorgehen der Wirtschaft. Der HRK-Präsident lehnt private Hochschulen nicht generell ab, heißt sie sogar "willkommen, denn sie dürfen zeigen, was Hochschulen ohne staatliche Gängelung leisten können". Aber eine massive Förderung der Manager-Fortbildung durch den Berliner Senat oder den Bund halte er für ein "fatales Signal", so Landfried gegenüber SPIEGEL ONLINE.

Auf (mindestens) 24 Millionen Euro wird allein der Wert des ehemaligen Staatsratsgebäudes taxiert - ein "Filetstück" in bester Lage mit der Adresse Schlossplatz 1. Die ESMT soll darin mietfrei logieren. Zusätzlich klopften die 25 Großunternehmen und Verbände beim Senat wegen Erstattung der Sanierungskosten an, nach eher vorsichtiger Schätzung weitere 25 Millionen Euro.

Mittlerweile ist das offenbar vom Tisch. Weder Land noch Bund zeigten sich bereit zu weiteren direkten Zuschüssen. Berlin will der ESMT jetzt mit einem Erbbaupachtvertrag helfen - ein Kniff, der es der Stiftungsinitiative erlaubt, für die Sanierung einen Kredit aufzunehmen.

Dem exklusiven Club der Wirtschaft war es bis zur Gründung nicht gelungen, bei seinen Mitgliedern die geplanten 100 Millionen Euro an Stiftungsvermögen einzusammeln. 90 Millionen Euro hat die Stiftungsinitiative inzwischen beisammen - aus ihrer Sicht aber angesichts der nur einjährigen Vorlaufzeit ein sehr passables Zwischenergebnis.

Obendrein äußern Experten wie Hans Weiler, ehemaliger Rektor der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, starke Zweifel, ob dieses Kapital reicht. Und auch die HRK befürchtet schon jetzt "Forderungen nach staatlicher Zusatzfinanzierung", wenn der Lehrbetrieb erst einmal läuft.

Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft

Manche Rektoren sprechen gar von einer "Luftnummer". "Ich bin schon sehr gespannt, wie die Hochschule überleben will, wenn sie Professoren und Assistenten, Computer, Bücher und Forschung aus dem bisher bekannten Etat bezahlen muss", sagt Klaus Landfried.

Die Stiftungsinitiative entgegnet, die Ausstattung mit 60 Professoren und 20 Gastdozenten sei der geplante Stand in zehn Jahren. Zudem seien die Zinserträge aus dem Stiftungskapital ausschließlich für die Forschung vorgesehen; der Lehrbetrieb solle weit überwiegend durch Studiengebühren finanziert werden, vor allem durch Fortbildungen für Führungskräfte. "Ein altes Sprichwort besagt, dass jeder lange Marsch mit kleinen Schritten beginnt", so Derek F. Abell. Der Gründungspräsident der ESMT bat die Gäste der Eöffnungsfeier um etwas Geduld.

Derweil wurmt die Rektoren auch, dass Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit der ESMT überstürzt ein eigenständiges Promotionsrecht in Aussicht gestellt habe. Klaus Landfried nennt das "geradezu skandalös" - selbst der Antrag auf staatliche Anerkennung stehe ja noch aus.

Die staatlichen Hochschulen müssen bluten

Nach Auffassung der HRK kommen staatliche Zuschüsse für private Hochschulen nur unter engen Voraussetzungen in Betracht: Die Hochschule müsse ein neuartiges Studienangebot machen und zudem letztlich zu einem "Kostenvorteil für den Steuern zahlenden Bürger" führen. Der Wirtschaftshochschule in Oestrich-Winkel etwa stellt Klaus Landfried ein gutes Zeugnis aus, der privaten Universität Witten/Herdecke attestiert er "ein ungewöhnliches Modell und interessante Reformansätze". Für die Berliner ESMT in Berlin hingegen gebe es noch keinerlei Indizien für hochrangige Forschung und Lehre.

Bei der neuen Managementschmiede greifen die Rektoren auch deshalb zu deutlichen Worten, weil Berlin in seiner Finanznot derzeit die drei großen Universitäten, die kleineren Fach- und Kunsthochschulen sowie die Uni-Kliniken ausbluten lässt. "Das sind die einzigen Glanzpunkte, die echten Zukunftsfaktoren, über die Berlin verfügt", so Landfried. Dennoch soll die Hochschulmedizin dezimiert werden, die Zahl der Studienplätze in Berlin laut "Giftliste" von Finanzsenator Sarrazin deutlich sinken.

Dass die ESMT versuche, sich möglichst günstige Startbedingungen zu sichern, hält Gründungsdekan Wulff Plinke für "völlig legitim". "Immerhin hat es einen Standortwettbewerb gegeben, bei dem mehrere Bundesländer um die neue Hochschule gerungen haben", so Plinke gegenüber SPIEGEL ONLINE. Die ESMT agiere in einem ganz neuen Feld und spreche als Zielgruppe vornehmlich Führungskräfte der Wirtschaft ab etwa 30 Jahren an. Ob sich die Idee durchsetze, so Plinke, werde die Zukunft zeigen, und die staatlichen Hochschulen bräuchten vor dem Wettbewerb keine Angst zu haben: "Lassen wir doch einfach den Markt über unseren Erfolg entscheiden."

"Fairer Wettbewerb sieht anders aus", findet dagegen Klaus Landfried. Falls Berlin trotz erheblicher Finanznot noch mehr Millionen in eine Konzern-Hochschule diffuser Qualität pumpe, dann werde er "notfalls selbst mit einem Transparent vor dem Abgeordnetenhaus demonstrieren", sagt Klaus Landfried: "Und genügend Verbündete werde ich schon finden."

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